Andrea Lieder-Hein
Es lebt sich so dahin
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Inhaltsverzeichnis
Titel Andrea Lieder-Hein Es lebt sich so dahin Dieses ebook wurde erstellt bei
Es lebt sich so dahin
Vorurteile
Immer noch September
Meine Merle
Salat so gesund wie ein Taschentuch?
Gertrude Hallerwein
Wenn Männer sich unterhalten...
SIRI, meine persönliche Sprachassistentin
Fazzebukk
Zählt jedes Leben gleich viel?
Kinderseelen
Hausarzt gesucht?
Eigentlich schon Herbst
Die Rechnung mit der fiktiven Kalkulation
Vor dem Spiegel
SIRI, meine Freundin bei Apple
Nahrungspyramide
Renate Sommer
Ein Selfie bitte
Warum hab ich das gekauft?
Lydia von Gegenüber
Tim, 42
Man strickt wieder
Peter Stumm
Hihihihi
Bloß KEINE Kinder
Daheim bei Gertrude
Ernst sein Müll
Mein neues Auto
Leopold und seine Kekse
Zwei Mädchen
Seebestattung, Rosen und ein Mops
Smileys, Abkürzungen und Autokorrektur
Tim und das Tablet
Unter der Dusche
Jan
Waldfriedhof Middelgaard-Holm
Merle
Weihnachten mit Familie
Neujahr
Impressum neobooks
Vorsichtig öffnete ich meine Augen und schaute verschlafen auf den Wecker. JA! Es war schon Sonntag. Sonntag, der 21. September. Mein Geburtstag.
Mein SECHSUNDSECHZIGSTERGeburtstag.
Ich, Schalotte Schiller, genannt Lotti, ich war ab jetzt 66. Mit 66 fängt das Leben erst an. DAS wüsst ich aber!!!
Sie denken, ich hätte Schalotte falsch geschrieben? Nein, meine Eltern wussten es nicht anders. Sie schrieben, wie man’s spricht. Und jetzt sprechen alle meinen Namen, wie man ihn schreibt. Passt doch!
Schiller? Du bist doch nicht etwa.... ?
Die UrururururEnkelin des alten Friedrich Schiller? Fünf-XS-Enkelin? „Die Räuber“, „Maria Stuart“, „Wilhelm Tell“???
Nein, die bin ich nicht. Ich bin Lotti aus Middelgaard an der Ostsee. Ja fast. Am Middelgaarder See. Die Ostsee ist gefühlt aber gleich um die Ecke. Man riecht sie. Leichter Seetang. Muscheln, Algen. Meer. Knapp neun Kilometer.
Ab heute bin ich 66 Jahre und seit einem Jahr auf Rente.
WO war sie hin? Die Zeit? Waren meine Kinder nicht eben noch klein? Und jetzt?
Jan ist 40, hat drei Kinder und freut sich schon fast auf seinen Ruhestand. Nein, er arbeitet gerne in Flensburg.
Tim ist der älteste von meinen Kindern. Er ist schon 42. Unverheiratet und kinderlos. Mit 42!!! Aber mit jahrelanger Lebensgefährtin. Sarah. Freundinsag ich immer. Nein, er bleibt dabei. Lebensgefährtin.
Tim wohnt gleich bei mir ums Eck, wie ich immer sage. In Middelgaarder Förde. DIREKT an der Ostsee. DAS macht den Unterschied. Aber nächste Woche zieht er um. Mit Sarah. Nach Kiel. Dann muss er nicht mehr pendeln. Der Nebel macht ihm viel zu schaffen.
Und Merle? Kinderlos, geschieden, 34. Wohnt und arbeitet in Kiel. Freund? Wenn, dann im Geheimen. Hihi.
Früher, ja früher, .... da hätten jetzt meine drei Kinder gerufen. „ Mama, aufstehen. Frühstück ist fertig!“Und dann wäre ich, noch im Morgenmantel, in die große Essküche gekommen. Kerzen auf dem geschmückten Tisch. Herbst-Blumen aus dem Garten. Selbst gebackener Kuchen. Selbst gekochte Marmelade. Dampfender Kaffee. Echter Filterkaffee. Keine kleinen Plastik-Näpfe, die sich automatisch in Maschinen öffneten und Kaffee zauberten. Gut, der ist auch lecker. Aber seien Sie jetzt mal ganz ehrlich! Wenn Sie so etwas haben. Riecht Ihre Küche dann lecker nach Kaffee? Läuft einem das Wasser im Mund zusammen? Bei offenen Plastik-Näpfchen? NEIN.
Und dann wären da Geschenke gewesen. Viele Geschenke. Traumhaft eingepackt. Liebevoll. Mit roten Schleifen.
Ja, damals war alles besser. NEIN, so will ich nicht denken. Ich rechne auch nicht mehr in DM. Ich kenn schon den Euro. Horte nicht heimlich DM im Schrank! Benutze den Euro sogar! Und er freut mich.
Über wie viele Grenzen fahre ich immer ohne Zollkontrollen? Ohne Währungsumtausch? CHANGE?... No Change. Ich kann überall meinen € nehmen und bezahlen. Jedenfalls fast.
Und heute? Mein Geburtstag? JÄMMERLICH. Regen von oben. Drinnen fast noch dämmerig. Keine Kerzen. Keine Blumen. Keine Geschenke.
Und dann macht es BIM... und BIM... und BIM
Hi, Mum, herzlichen Glückwunsch. Merle
Hi, MOM, heute 66. Cool. Mach was draus. Tim
Mama, ich drück dich herzlich. Happy Birthday. Jan
Jetzt hätte nur noch eine WhatsApp-Nachricht von meinem Mann Rudi gefehlt. Aber Rudi war vor zwei Jahren ausgewandert. Einfach so. Wohin? Ins Irgendwo. Ausgestiegen. Erste Zeichen von Burnout. Wie man es kennt. Ganz klassisch, stillos. Zigaretten holen und nie wieder aufgetaucht.
Sechsundsechzig, und kein bisschen weiser. Immer noch Kind im Kopf. Egal. Auf ins neue Lebensjahr, Lotti.
Sie kommen an den Bankschalter der Sparkasse Ihres Vertrauens? Wollen eine größere Summe Geld anlegen? Für Ihr Alter? In Aktien, ganz sicher? Keine Hedgefonds??? An Black Pools kommen Sie sowieso nicht ran?
Und dann kommt da so ein junger Schnösel mit einem Spinnennetz –Tattoo am Hals und mehreren Ringen in den Ohren? Na?Drehen Sie jetzt um und gehen wieder? DERkann Ihr Geld doch nicht sicher verwalten??? DOCH, gerade der!
VORURTEILE.
Wenn in einem Beruf, wo Seriosität allesist, also Anzug und gepflegt, wenn da so jemandauf Sie zukommt, dann kann der nur besser sein als alle anderen. Sonst hätte man ihn da nicht eingestellt. Gibt ja genug. Und wenn nun jemand noch so „ anders“ aussieht, dann ... ja dann muss der schon herausragende Fähigkeiten besitzen.
Seien Sie mal ganz ehrlich, so einen Anzug kriegt man doch überall. Für die Bank oder wozu auch immer. Vielleicht passt sogar noch der alte KonfirmationsAnzug. Aber Tattoo und Ringe... Ja, das muss man sich erst einmal trauen. In einer Bank. Ohne sofort zu fliegen.
Ach, Sie meinen, der macht ein Praktikum? Oberstufe? Oder Ehrenamt?
FALSCH.
Die Schüler im Praktikum, die tragen sicher Anzüge. Damit keiner denkt, die haben keine Ahnung. Und das Ehrenamt, das wird in Deutschland GANZ hoch gehalten.
Wenn die ganzen ehrenamtlichen Leute nicht mehr für LAU ehrenamtlich arbeiten würden, dann würde das ganze System zusammen brechen. Auch im Anzug.
Bei der Feuerwehr. Den Tafeln. Der Kirche. Dem DRK. Oder...
Tja, was ich hier möchte, ist „Sie von Vorurteilen befreien“ !!!
Bringt ja nix!!! Macht ja nur Angst.
Aber ich schweife wieder ab. Kommt im Alter. Bei jedem. Früher oder später. Da verliert man mitten drin den roten Faden. Schwupps, ist er weg. Kurzzeitgedächtnis. Aber TIPP. Einfach weiter reden, egal was. Das hilft. Überbrückt. So entstehen keine peinlichen Pausen.
Viele hören sowieso nicht richtig zu. Die merken das gar nicht. Und irgendwann, Schwupps, ist er wieder da, der rote Faden.
Ja, „so geht Alter heute“, hihihi.
Was soll ich sagen, mein Geburtstag war ein Tag wie jeder andere. Eine Nachbarin kam vorbei und fragte, ob sie meine Tageszeitung haben könnte. Da sei ein Artikel über Bewerbungen drin. Ihr Sohn wolle sich bewerben. Würde auch Zeit. Jetzt so mit 29. Aber in Italien kenne man das ja. Hotel Mama. Wär ja auch bequem, für sie. Sei sie nicht so alleine...
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