1 ...6 7 8 10 11 12 ...25 Ich hatte heute ernsthaft versucht, Daniel vor ihr schlecht zu machen. Diese billige Aktion zeigt mir zu genau, wie tief ich schon gesunken bin und Daniels Rache war begründet. Er hatte mich gewarnt, dass ich es bereuen werde, sollte ich ihn und Ellen jemals versuchen auseinanderzubringen. Nun weiß Ellen, dass ich Sabrina war und dass Marcel nichts verbrochen hat. Sie wird das Carolin stecken und das wars.
Ich kann nicht umhin, mir klar zu machen, dass es völlig verständlich ist, dass alle sich von mir abwenden, wenn ich ihnen gegenüber so zum Schwein werde. Das wird sogar mir in solch lichten Momenten wie diesem klar.
Mein Vater kommt mir im Flur der Villa entgegen. „Erik, schön das wenigstens einer von euch hier heute mal vorbeischaut. Das Haus steht noch, sehe ich.“
„Was habt ihr denn gedacht“, brumme ich nur und gehe die Treppe hoch. Mein Vater wird mir nicht folgen. Da oben ist unser Reich und er würde sich niemals dazu herablassen, das zu betreten.
Ich will nur noch Duschen und diesen scheiß Tag abhaken.
Am nächsten Morgen treffe ich Daniel vor der Uni. Er sieht mir schon entgegen, eine Zigarette in der Hand und ich atme tief durch. Als ich auf seiner Höhe bin, ist sein Blick immer noch nachdenklich auf mein Gesicht gerichtet. Ich weiß, dass Daniel sich fragt, was in meinem kranken Hirn abgeht, dass ich die letzten zwei Tage so quergeschossen habe.
Ich bleibe vor ihm stehen und sehe mich um. Da niemand von unseren Leuten in der Nähe ist, nehme ich auch eine Zigarette, zünde sie an und raune: „Wegen gestern … tut mir leid.“
„Das sollte es auch. Das war echt eine scheiß Aktion!“
Ich nicke nur.
„Erik, erklär mir was los ist? Du drehst in letzter Zeit nur noch über. Wir wissen gar nicht, was wir noch mit dir machen sollen! Erst tyrannisierst du Ellens Freundin, dann sperrst du dich tagelang ein und bringst dich fast ins Grab und jetzt das. Ellen war gestern total fertig, weil du dich wieder so verändert hast. Ich sage dir …“, knurrt er ernst und mit durchdringendem Blick, „… du warst echt einige Zeit gut zu ertragen und wir dachten wirklich, dass du und Carolin …“
„Es gibt kein ich und Carolin. Du hast Ellen gestern gesagt, dass ich daran schuld bin, dass sie mit Marcel Schluss gemacht hat. Was meinst du wohl?“, brumme ich aufgebracht.
Daniel sieht zu Boden. „Ich war sauer, weil du Ellen versucht hast einzureden, dass ich auf Carolin stehe.“ Sein Blick wandert wieder in mein Gesicht. „Du bist völlig abgedreht deswegen. Dabei dachte ich, dir ist Carolin scheißegal!“
Ich schlucke. Drei Stunden Muckibude hatten mir einige Weisheiten beschert und eine ist, dass Carolin mir nicht egal ist. Wenn sie doch bloß diese männerfreie Scheiße nicht durchziehen wollte, bis dieser Tim wieder da ist. Zwei Monate hatte sie gesagt. Das ist genau die Zeitspanne, bis er hier wieder aufläuft. Und jetzt wird sie auch noch erfahren, dass ich Sabrina bin. Es ist gelaufen. Sie wird mich hassen.
Wo das jetzt so klar ist, packt mich die Verzweiflung darüber. Sie wirklich für immer verloren zu haben, rührt mir meine Innereien um, wie in einem Zementmischer, was mich völlig fassungslos macht. Warum können meine Gedanken nicht einmal präzise eine Richtung nehmen, damit ich weiß, was in mir vor sich geht? Machen mich die Drogen schon so kaputt oder was ist los? Ich kenne mich nicht mehr aus.
„Lassen wir das. Die Sache ist durch. Ich habe die letzten Tage viel Mist gemacht und ich wäre froh, wenn wir das vergessen können“, raune ich resigniert und Daniels Blick verliert seinen mürrischen Ausdruck. Aber er sagt nichts. Sein Nicken beruhigt mich allerdings ein wenig. Wenn er sich auch noch gegen mich gewandt hätte … Aber Daniel wäre nicht Daniel, wenn er mich so schnell fallen lassen würde.
Als wir uns auf den Weg in die Schulungsräume machen, brummt er aber leise: „Versuche niemals wieder, mich und Ellen auseinanderzubringen. Dann ist echt der Teufel los! Das verspreche ich dir!“
Seine Worte gehen mir an die Nieren. Sie zeigen, wie wichtig ihm Ellen ist und dass er sich eventuell gegen mich entscheiden würde.
Ich nicke nur. Ich werde damit leben müssen, dass ich auch bei ihm nur noch zweite Wahl bin, wie überall.
Am Nachmittag fahre ich zu Sam. Er hatte mich angerufen und ich soll mit ihm für Walters Bar einige neue Hocker holen. Als wir in dem kleinen Transporter zu dem Möbelgeschäft fahren, wo Walter die Hocker bestellt hat, fragt Sam mich erneut, ob ich Probleme habe.
Mir ist klar, er hätte Walters Bestellung auch allein abholen können, aber er will einfach wissen, ob ich etwas bereden möchte. Da das überhaupt nicht seine Art ist, bin ich mir gar nicht sicher, ob er mich nicht auch nur aushorchen will. Vielleicht glaubt er, dass ich die Drogen an ihnen vorbei verticke und nun mit einem schlechten Gewissen kämpfe.
Aber er ist immer noch nicht der Gesprächspartner, der mich auch nur im Entferntesten verstehen kann. Das kann keiner aus diesem Milieu.
So holen wir nur die Hocker und ich bin froh, als ich wieder gehen kann.
Ich fahre bei Daniel vorbei und habe mir vorgenommen, mit Ellen zu sprechen - sollte sie mich zu Wort kommen lassen. Vielleicht hat sie Carolin noch nichts gesagt.
Eine winzige Hoffnung beschleicht mich und ich wäre bereit, mich dafür sogar zu etwas hinreißen zu lassen, was ich eigentlich kaum über mich bringe und doch in den letzten Wochen tatsächlich schon mehrmals gemacht habe – nämlich mich bei jemandem wie Ellen entschuldigen.
Aber bei Daniel ist niemand zu Hause und es geht auch niemand ans Handy. So setze ich mich in meinen Mustang und fahre nur ziellos durch die Gegend.
Ein seltsames Gefühl beschleicht mich immer mehr. Das Gefühl eines nicht leicht wegzusteckenden Verlustes. Carolin fehlt mir. Ich hatte eine Aufgabe, als ich mich in ihr Leben stahl und über sie wachte. Jedes Gespräch, jede SMS, jede gemeinsam verbrachte Minute hatte irgendwie mein Leben bereichert.
Mein Handy klingelt und ich gehe ran.
„Magst du vorbeikommen? Ich habe was zum Probieren“, sagt Daniel und klingt wieder etwas besser gelaunt. Er verzeiht mir wenigstens meine durchgeknallten Aktionen der letzten Tage.
„In fünfzehn Minuten“, raune ich und steuere die nächste Abfahrt an, um wieder zurück nach Osnabrück zu fahren.
Es ist kurz vor sechs, als Daniel mir die Tür seiner Wohnung öffnet. Ich hatte etwas darauf gehofft, dass Ellen auch da ist und dass ich so erfahre, ob sie mich bei Carolin schon an den Pranger gestellt hat. Aber sie ist nicht da und ich mag nicht nach ihr fragen.
Daniel wirft sich grinsend auf einen seiner Küchenstühle und legt eine kleine Tüte auf den Tisch.
Ich sehe ihn verwirrt an. Er nimmt eigentlich nur ausgesprochen ungern in der Woche Drogen. Aber heute scheint ein Ausnahmefall zu sein.
„Das Zeug habe ich von Teddy. Es soll besonders gut sein“, sagt er und ich frage mich, wie er dazu kommt, extra zu Teddy zu fahren, um Speed zu holen. Er ist mit dem, was er bei unseren Deals bekommt, schon sehr geizig. Dass er losfährt und etwas für sich holt, ist nicht seine Art.
Mit seiner Kreditkarte schiebt er wenig später das weiße Pulver in zwei Teile und jeden Haufen in zwei Linien.
„Eine für dich und eine für mich“, raunt er und zieht sich erst die eine Hälfte in ein Nasenloch und schnell die zweite in das andere. Er lässt sich auf dem Stuhl nach hinten fallen und hält sich die Nase zu, die Augen schließend.
Ich höre auf zu grübeln und zu analysieren und lasse mich nicht lange bitten.
Zwei Stunden später sitzen wir immer noch auf seinem Sofa und faxen herum. Es ist wie in alten Zeiten und Daniel frischt schon seit einer Stunde alte Geschichten auf. Mir ist eher nach traurig vor mich hin sinnieren. Aber er lässt mich nicht.
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