1 ...7 8 9 11 12 13 ...25 Irgendwann klingelt sein Handy, und er sagt nur: „Okay, alles klar.“
Er wendet sich grinsend mir zu: „Komm Alter, wir beide gehen einen trinken.“
Ich will nicht, möchte ihm aber nichts ausschlagen. Er ist so bemüht, mich mit guter Laune zu überschütten, dass ich ihm seine nicht vermiesen möchte.
Wir gehen in die Innenstadt und Daniel scheint ein bestimmtes Lokal anzustreben, denn an unserer Kneipe gehen wir vorbei.
Mein Handy meldet sich und zeigt eine SMS an. Ich erstarre. Sie ist von Carolin.
Ich lese sie, während mein Herz zu einem Klumpen zu werden droht. „Hallo Erik, oder nennst du dich jetzt lieber Sabrina? Ich glaube, ich habe ein echt großes Problem mit dir. Lass Ellen und Daniel doch wenigstens zusammen sein. Bloß weil du keine Beziehung eingehen kannst, heißt das nicht, dass auch andere keine haben dürfen, oder?“
Ich bleibe verdattert stehen.
Daniel sieht mich beunruhigt an. „Was ist?“, fragt er.
„Nichts!“, murmele ich nur und versuche in meinem Kopf ihre Worte richtig zu verstehen. Sie weiß also Bescheid. Aber sie beschimpft mich nicht und sie hat ein Problem mit mir. Wieder etwas, was sie sich von mir angeeignet hat. Ich hatte diese Problemnummer immer vorgeschoben, um mich weiter mit ihr auseinandersetzen zu können. Dazu diese Bitte, wenigstens Daniels und Ellens Beziehung nicht auch noch zu zerstören. Ist das alles an Vorwürfe, die sie mir machen will?
Ich beschließe ihr zurückzuschreiben, wenn ich gleich mit meinem Bier irgendwo sitze und in Ruhe schreiben kann. So sehe ich mich nicht in der Lage dazu.
Ich werde von Daniel in eine Seitenstraße gezogen, die zum Sonnendeck führt. Ich war früher schon mal Stammgast in der Scene-Bar, in der viele Studenten und Schüler sich ein Stelldichein geben.
Daniel hält mir die Tür auf und ich sehe ihn verunsichert an. Was will er hier?
Keine zwei Minuten später weiß ich es, als ich Ellen an der Theke mit einigen alten Schulfreunden sprechen sehe.
„Erik, dass es dich noch gibt! Ich dachte, die lassen dich gar nicht wieder raus“, ruft Rene, den ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen habe. Ich dachte, er studiert in Hannover.
Langsam dreht sich der Hocker neben Ellen in meine Richtung und ich sehe in Carolins verdatterte Augen. Ich bin nicht weniger überrascht sie zu sehen und nur meine Drogen lassen mich cool bleiben.
Ich stelle mich zu der kleinen Gruppe von alten Mitschülern, die vorher noch mit Ellen gesprochen hatten. Meine Schwester sieht mich nur durchdringend an, als wolle sie mir direkt in mein Gehirn sehen.
Der Barkeeper nimmt mit mürrischer Miene Carolins Hand in seine, mit dem sie das Glas hält und putzt unter ihrem Glas die Theke sauber. Was war passiert?
Sie wirft mir einen schnellen Blick zu und ich sehe sie nur fragend an. Ist sie wütend auf mich? Ich kann es ihrem Blick nicht entnehmen.
Aber sie dreht sich wieder zur Theke um und starrt in ihr Glas.
Daniel und Ellen begrüßen sich, als hätten sie sich tagelang nicht gesehen. Das lässt die anderen stutzig werden. Einige wissen vielleicht noch, dass Ellen damals mit Alex zusammen gewesen war. Ihren Neuen kennt keiner von ihnen.
Carolin wirft Ellen einen bösen Blick zu, der mir nicht entgeht. Mir schiebt sich ein Gedanke in den Kopf, der sie auch wohl gerade überkommt. Haben Daniel und Ellen das Ganze hier arrangiert?
Ich sehe Daniel fragend ins Gesicht und er zwinkert mir zu. Damit habe ich die Gewissheit.
Eigentlich sollte ich jetzt wütend auf ihn sein. Aber ich bin es nicht.
Ich schiebe mich an Rene und David vorbei, die mich verunsichert mustern, und beuge mich zu Carolin hinüber, die hinter ihnen sitzt. Mir ist klar, dass dies hier eine Chance für mich ist, Carolins Gemütszustand auszuloten und mich bei ihr wieder ins Spiel zu bringen. Dass sie mich in der SMS nicht böse zusammenstauchte und Daniel und Ellen dieses Treffen guten Gewissens zulassen, lässt mich hoffen, dass unser Spiel noch nicht vorbei ist.
Ich nehme das Glas von Carolin in die Hand und rieche daran. „So, das geht also wieder? Nicht zu fassen!“, spiele ich den Aufgebrachten und füge leise hinzu, auf ihre SMS anspielend: „Nenn mich weiter Erik.“
Sie sieht mich an und schüttelt ungläubig den Kopf.
Ich weiß nicht, wie sie damit umgehen wird, dass ich dazu stehe, dass ich Marcel das mit der Sabrina reindrückte. Aber sie stand schon immer auf meine ehrliche Art und das Speed macht mich draufgängerisch.
Rene zieht mich wieder in ihren Kreis und legt seinen Arm freundschaftlich um meine Schulter. Dabei macht er einen angedeuteten Faustschlag in meinen Bauch. „Hey, Alter! Komm, erzähl mal! Was ist damals passiert? Wir haben uns völlig aus den Augen verloren.“ Scheinbar freut er sich darüber, mich wiederzusehen. Wir waren früher mal so was wie Freunde.
Er und David ziehen mich an einen der Tische und wir setzen uns.
Daniel kommt zu uns und stellt mir ein Bierglas vor die Nase. Dann kehrt er zu Ellen zurück.
In weiser Voraussicht hatte ich mich so hingesetzt, dass ich die Theke im Auge behalten kann und sehe, wie Carolin mich mustert, als hätte sie mich noch nie gesehen.
Erneut versuche ich Wut in diesem Blick auszumachen. Aber da ist nichts. Das verwirrt mich völlig. Da können die Drogen nicht mal etwas gegen ausrichten.
Langsam dreht sie sich wieder zur Theke und nippt an ihrem Glas.
Ich stehe weiter Rene und David Rede und Antwort. Ich war damals mit ihnen in der elften Klasse. Bei einer Schlägerei, die für den Typ, der mich blöd angemacht hatte, nicht gut ausging, wurde ich sofort eingeknastet. Da ich bis dahin schon einiges angestellt hatte, blieb ich bis zur Verhandlung in Untersuchungshaft und bekam für ein halbes Jahr Jugendarrest aufgebrummt. Danach musste ich auf eine andere Schule wechseln, weil ich in der Eliteschule kein gern gesehener Schüler mehr war. Rene und David hatten davon zwar gehört, bekamen aber nun die Gewissheit.
Rene raunt nach meiner Erzählung aufgebracht: „Mensch Erik! Ich wollte das damals gar nicht glauben. Aber als du dann nicht mehr aufgetaucht bist, wussten wir, dass etwas an der Geschichte dran sein musste.“
David fügt hinzu: „Das war echt der Hammer! Wir waren vollkommen platt. Und unser Lehrer meinte damals, dass du nicht in die Klasse zurückkehren wirst.“
Ich nicke nur. Ja, das waren wilde Zeiten.
Mein Blick läuft zur Theke, aber Carolin ist weg. Ich sehe mich um, kann sie aber nirgends ausmachen. Dafür steuert Ellen meinen Tisch an und sagt seltsam freundlich: „Daniel und ich gehen ein wenig tanzen.“
Hä? Warum erzählt sie mir das? Ich sehe ihr hinterher. Ellen ist echt komisch. Aber zumindest tobt sie nicht wieder herum und schnauzt mich an.
Rene und David sehen ihr hinterher. „Die Kleine hat sich ganz schön gemacht“, meint David schmunzelnd. „Und dass ihr jetzt miteinander loszieht … Damals wart ihr wie Hund und Katz.“
Carolin kommt wieder und sieht sich an der Theke um, als suche sie etwas.
Ich atme erleichtert auf. Fast hatte ich schon gedacht, sie wäre gegangen. Rene erzählt gerade von seinem Studium, und das er eine Verlobte hat, die er nächstes Frühjahr heiraten wird, als Carolin plötzlich auf uns zusteuert.
Mir stockt der Atem. Ist es jetzt soweit? Will sie mich jetzt zur Rede stellen?
Aber sie bückt sich nur und greift direkt neben meinem Bein nach etwas. Mit ihrer Tasche geht sie wieder, ohne ein Wort oder einen weiteren Blick.
Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ihre Tasche in meiner Obhut war. Die muss Ellen dort platziert haben.
Ich starre ihr hinterher, was Rene und David grinsen lässt. Sie winkt Daniel und Ellen auf der Tanzfläche kurz zu und geht zur Tür.
Rene lacht: „Was war das denn? Deine persönliche göttliche Erscheinung?“
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