Als nur mehr ein halbes Dutzend der fliegenden Festungen ohne feste Formatierung ratlos umherschwirrte, befand sich der kleine Körper am Rande des Zusammenbruchs. Er fühlte sich wie ein Greis, leer und ausgelaugt. Beim wiederholten Versuch, sich auf die Bildschirme und den Feind zu konzentrieren, stockte er plötzlich.
Etwas störte ihn.
Irgendetwas fehlte.
Der Schock traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Die vielen kleinen scheibenförmigen Objekte fehlten. Die Raumschiffe seines Volkes waren fort.
Geflohen.
Zodiac empfand keinen Zorn. Ihm war bewusst, dass SIE niemals das Oberste Gebot brechen würden, auch nicht, um ihm zu helfen. Eher fänden sie gemeinsam den Tod. Niemand außer ihm wäre jemals auf den Gedanken gekommen, Gewalt mit Gewalt zu vergelten.
Er war ein Einzelgänger.
War er das nicht schon immer gewesen, tief in seinem Innersten?
Er war allein.
Allein mit sechs schweren Kampfschiffen seiner Todfeinde, die sich langsam aus ihrer Starre lösten und die Initiative ergriffen.
Logisch, dachte Zodiac; niemand ist mehr hier außer mir. Sie wissen nun, wem sie ihre Niederlage verdanken. Er spürte ihren Hass und den Wunsch nach grausamer Vergeltung.
Der Sieg lag schon in ihren Händen. Es hätte nur wenigen Aufwandes bedurft bis zur vollkommenen Ausrottung der Zargonier. Doch eine unbekannte Macht, die an Bord dieses kleinen Schiffes herrschte, hatte sie, die HERREN, niedergerungen.
Sie hatten verloren.
Zum ersten Mal.
Die Rache würde folgen.
Grausam.
Aber noch bevor einer von ihnen seinen Plan in die Tat umzusetzen vermochte, erstrahlten fünf gewaltige Energiesäulen in der Schwärze des Weltraums.
Für den letzten Gegner, ein gewaltiges Gebilde, welches einer Säule mit drei aufeinander gesteckten Speichenrädern glich, fehlte dem jungen Zargonier die Kraft. Er entfachte mehrere Explosionen im Innern des Giganten, doch sein ausgemergeltes Hirn versagte den Dienst.
Die zarte fünfgliedrige Hand näherte sich mühsam einer gelben Taste, die in einem grünen Sockel ruhte. Nur unter Aufbringung aller Kraftreserven gelang es ihm, sie zu betätigen. Der schlagartig folgende Andruck raubte ihm das Bewusstsein. Die Absorber benötigten wertvolle Sekunden, um den Druckausgleich herzustellen. Gierig sog Zodiac das schützende Dunkel in sich ein.
Er wollte schlafen ... schlafen ... schlafen.
Es wurde ihm nicht gewahr, wie das havarierte Schiff der Fremden die Verfolgung aufnahm.
Erstes Kapitel
1.
»Tom! Judy! Kommt endlich rein. Wir essen jetzt.«
Barbaras Ruf galt den zwei Kindern, die laut schreiend in dem großen Planschbecken tobten, das ihnen ihr Dad vor einigen Tagen gekauft hatte.
An diesen heißen Julitagen gab es für die beiden Kleinen nichts Schöneres, als ins kühle Wasser zu springen und sich gegenseitig nass zu spritzen.
Tom, elf Jahre, dunkelblond, eindrucksvolle braune Augen und schelmische Gesichtszüge, reagierte herzlich wenig auf den Ruf seiner Mutter. Judy, acht Jahre alt, lange goldblonde Haare, schüchtern dreinschauende himmelblaue Augen und von extrem hagerer Figur, litt ebenso an plötzlicher Gehörlosigkeit wie ihr Bruder. Die beiden Kinder hingen sehr aneinander. Jede Geste, jeder Blick, die Art wie sie bei kleinen Raufereien mit ihren Kräften haushielten, um dem anderen nicht wehzutun, anhand all jener fast unbemerkbaren Nebensächlichkeiten, wurde die geschwisterliche Liebe immer wieder deutlich spürbar. Sie bildeten ein unzertrennliches Team, in dem niemals ernsthafte Streitereien auftraten.
Babs, die am Türrahmen lehnte und die beiden schmunzelnd beobachte, erinnerte sich in jenem Moment an den Tag zurück, an dem Mrs. Baxter, die Nachbarin, in ihre Wohnung stürmte und laut zeternd von ihr forderte, Tom in ein Erziehungsheim zu stecken. Der ganze Grund für diese Aufregung bestand darin, dass Mrs. Baxters Sohn Billy, das liebe Billielein, von Tom eine ordentliche Tracht Prügel kassierte, da dieser Judys Puppe aus reiner Bosheit sämtliche Gliedmaßen ausriss. Es kostete Babs fast eine Stunde, der aufgelösten Frau klarzumachen, dass ihr Sohn die blutende Nase mit Sicherheit überleben würde.
Dieser Tommy. Wie sie ihn doch liebte. Er war der ganze Stolz seines Vaters, schon allein deshalb, weil sie beide aus demselben Holz geschnitzt schienen. Judy hingegen gab das genaue Gegenteil ihres Bruders ab. Sie wirkte stets in sich zurückgezogen und sprach nicht viel. Ihre Figur wirkte zerbrechlich, und manchmal erschien es wie ein Wunder, dass die dürren Beinchen den kleinen Körper zu tragen vermochten. Babs und Dan sorgten sich um sie wie um ein besonders wertvolles Stück, auf das man acht gibt, damit ihm auch ja nichts geschieht.
»Wenn die Herrschaften keinen Hunger haben, dann esse ich eben alles alleine, was meint ihr?«
Barbara grinste, als die triefenden Gestalten ihr entgegen trotteten und frech ins Gesicht lachten. Sie waren glücklich, die beiden, man sah es ihnen an. Während Tom über alle Backen strahlte, so als wäre das Leben eine einzige riesige Zuckerstange, lächelte seine Schwester in ihrer üblich hintergründig wirkenden Art.
»Kommt Daddy nicht zum Essen?«, wollte Tom wissen.
»Nein, Mister Wilder, dein Vater hat heute sehr viel zu tun«, erwiderte ihm Babs. »Wir heben ihm etwas auf, ja?«
»Ist gut«, meinte Tom und trollte sich in Richtung Küche, seine Schwester mit sich ziehend.
»Halt ihr zwei, erst ins Bad und abgetrocknet bevor ihr alles hier überschwemmt«, rief ihnen Babs zu.
»Ja, ja«, murrten die beiden im Chor und zogen ab. Als sie dann zu dritt am Essenstisch saßen und die Kinder sich heißhungrig auf ihre Burger mit Pommes und Barbecuesauce stürzten, wurde sich die etwas rundliche, aber durchaus gutaussehende Frau mit den langen brünetten Haaren, erneut bewusst, wie glücklich und zufrieden sie hier doch waren. Hier in Tretmond gefiel es ihr besser als in London. Man verfiel einer inneren Ruhe, konnte getrost ausspannen, ohne von dem Gebimmel einer Straßenbahn daran gehindert zu werden. Kein Lärm, keine Hektik, keine grünhaarigen Halbstarken, die alten Müttern die Handtasche grabschten.
Sie konnten von Glück sprechen, dass Dan dieses Haus von seinem Großvater geerbt hatte. Nie hatte sie gewagt zu glauben, sich einmal hier in Georgia, vierzig Meilen von der Metropole Atlanta entfernt, niederzulassen und sich auf Anhieb wohlzufühlen. So klein und abgeschieden Tretmond mit seinen knapp zweitausend Einwohnern auf einen Stadtmenschen wirken mochte, sie und Dan fühlten sich von Anfang an wohl, und das nun schon seit fast fünf Jahren.
Dans sprichwörtlichem Glück war es ebenso zu verdanken, dass er auf Anhieb einen Job bekam. Er arbeitete in einer kleinen Reparaturwerkstätte am Rande der Ortschaft. Der Verdienst war nicht umwerfend und lange nicht so gut bezahlt wie in London, aber es genügte zum Leben.
Sieben Jahre waren sie jetzt glücklich verheiratet und hatten in dieser Zeit gute und schlechte Zeiten zusammen durchlebt. Sie kannten alle Höhen und Tiefen, wobei ihre Zuneigung und Achtung voreinander nie Schaden trug. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie sich in einem Tanzlokal namens Blue Oyster zum ersten Mal begegneten, damals vor neun Jahren. Dan gab einen hervorragenden Tänzer ab, und wie sich herausstellte einen noch besseren Ehemann.
Wie schnell diese Jahre vergingen, überlegte sie. Dan ist mittlerweile sechsunddreißig, drei Jahre älter als sie, Babs. Hatten sie sich verändert in all dieser Zeit? Nein, sie sind stets dieselben geblieben, und das war gut so. Nie ließen sie sich unterkriegen, was auch geschah. Ja, sie war zufrieden mit sich und der Welt. Die Wilders waren eine glückliche Familie, und Babs vermochte sich nicht vorzustellen, dass sich daran etwas änderte.
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