Sieht er, was er angerichtet?
URANUS. Was bringt's,
mich im Gebüsch zu unterschlagen,
wo sie so schwach und ganz allein?
Hat sie gedacht,
der Kronos würd sie schonen,
wenn sie so ganz alleine kommt?
GAIA. Ich hab's gehofft.
(Sie zeigt auf die zuckende Themis.)
Was machen wir? Die Zeit verrinnt,
wo wir hier lustig schwätzen.
URANUS. Uns hilft jetzt nur noch eins:
(Er wendet sich an den Kronos.)
Hör zu, du mein Titanensohn!
Ich schlage dir 'nen Handel vor,
wenn du die Themis leben lässt.
KRONOS. So sag er schnell: Was springt heraus,
eh diese hier verrecket?
URANUS. Er soll erfahren, was er wissen will.
Ich schwör's, so wahr ich atme.
KRONOS. Das klingt schon ganz famos,
doch kann ich ihm wohl trauen?
URANUS. Lass Themis leben
und du wirst es bald erfahren.
Ich weiß wen, der's dir sagen kann.
KRONOS. Wer soll dies sein?
So will er selbst die Themis foltern,
dass sie sagt, was ich erfahren will?
URANUS. Ich lege keine Hand an sie
und doch wirst du erfahren,
was du zu wissen so begehrst.
KRONOS. Schwöre!
URANUS (die Hand hebend) .
Ich schwöre.
KRONOS (ihn eine Weile musternd) .
(Er schweigt.)
GAIA. Doch beeile er sich,
die Beine stellen schon das Zucken ein.
KRONOS (den Uranus noch immer musternd) .
(Er holt die Themis aus dem Wasser und lässt sie los. Prustend sinkt sie zu Boden.)
Nun gut.
Doch wenn er mich zum Narren hält,
solln beide es bereuen.
(Er nickt in Richtung der anderen Titanen.)
Sie sind hier in der Unterzahl,
wie sie wohl recht bemerken.
URANUS. Hab Dank.
Ich bin unendlich froh,
die Tochter lebend zu erblicken.
THEMIS (prustend und Wasser spuckend und ihn ansehend) .
(Sie schweigt.)
MENOITIOS. So giftig wie sie ihn betrachtet,
hätt er sie besser sterben lassen.
GAIA. Schweig, famoser Tor!
Was versprichst du dir davon,
in Kronos' Reihen dich zu halten?
Ich will es nicht begreifen.
MENOITIOS. Es ist der schlimme Vater,
der uns in die Reihe trieb.
Es soll herrschen nun der Kronos,
und wir alle gleich mit ihm.
GAIA (auflachend) .
Ihr alle gleich mit ihm?
Das Lachen raubt mir fast den Atem.
Er wird euch allesamt verraten,
sobald er hat erreicht,
was er erreichen wollt.
Wart's nur ab.
(Kopfschüttelnd zu sich selbst:)
Wie kann man so naiv nur sein?
KRONOS (an den Uranus gewandt) .
So siehst du hier die Themis unversehrt.
Es folgt dein Teil des Handels:
Wie willst du uns verschaffen,
was wir vom Orakel wissen wollen?
URANUS. Es gibt hier noch jemanden,
der vor der Themis war
und das Orakel einst behütet hat.
GAIA (aufhorchend) .
Er wird doch nicht etwa ...
URANUS. Die Gaia wird es sein,
die vom Orakel hier beschafft
die schlimm begehrt Information.
Du siehst, ich halte stets mein Wort,
egal wie schlimm ich einstmals war.
GAIA (vor Zorn auffahrend) .
Das kann nicht sein Ernst sein!
Will er uns völlig ruinieren
und unsren Feinden assistieren,
wo sie unsre Vernichtung planen?
URANUS. Meine Liebe ...
GAIA (noch wütender) .
Nenne er mich nicht so!
URANUS ... wir stehen hier in einem Patt.
Wir wollen doch das Gleiche wissen
und ermitteln,
ob's noch Hoffnung gibt.
MENOITIOS. So so, sie wissen's selber nicht!
Dann sind sie also schon mal nicht bei euch.
URANUS. So viel sei hier nun zugegeben,
doch viel mehr wissen wir auch nicht.
GAIA. Das werde ich ihm nie verzeihen.
KRONOS (lachend) .
Mache sie sich lieber an die Arbeit,
als hier ewig rumzuschmollen.
Mit ihrem Riesenranzen
liegt sie besser tief im Tartarus,
als hier auf Erden rumzuwandeln.
(Er macht eine kurze Bewegung mit der Hand. Das Gebrüll der Hekatoncheiren und Kyklopen hebt im Bauch der Gaia an.)
GAIA (das Gesicht vor Schmerz verziehend und sich den Bauch haltend) .
Du Schuft!
Du quälend Monstrum!
Das hast du nicht umsonst getan,
ich schwöre es!
(Das Geschrei wird lauter, sie sinkt zu Boden.)
(Die Hand nach Uranus ausstreckend:)
Hilf mir!
URANUS (sie mit mitleidigem Blick betrachtend) .
(Er schweigt.)
KRONOS (auflachend) .
Er kann dir hier nicht helfen, Mutter,
bist mir wohl schutzlos ausgeliefert.
Ich kann es treiben, wie ich will,
nach Laune und Gefallen.
Doch will ich dich nicht weiter quälen ...
(Er macht eine erneute Handbewegung.)
... ich lass den Ranzen schweigen.
(Das Gebrüll ebbt wieder ab.)
URANUS. Ich danke dir.
GAIA. Ja ja, und ich dir ebenso.
Bist schon ein rechter Schuft
und übel mir missraten.
(Sie versucht sich aufzusetzen.)
So helft mir schließlich hoch!
URANUS (ihr zur Hand gehend) .
Komm nur, meine Liebe,
sollst sogleich wieder auf Füßen stehen.
GAIA (wieder stehend und seine Hände wegschlagend) .
Nimm sie bloß nur weg von mir,
auch mit dir bin ich nicht fertig.
Dann will ich zur Tat schreiten,
ehe ich's mir anders überleg
und mich doch lieber foltern lasse.
(Sie hinkt am Kronos vorbei auf das Becken zu.)
Zur Seite, Jungspund!
So blick ich denn seit Langem wieder
hier in dieses Becken wie zur Zeit,
als ich die Hüt'rin war.
So hilft hier alles Flehen, Betteln nichts,
das Orakel muss verrichtet werden.
(Sie streckt eine Hand in das Wasser und beginnt darin zu rühren.)
Auf du finstres Wässerchen,
zeig uns, wer noch lebt
vom Ikas,
von Athene,
Aphrodite
und von Hades.
(Das Wasser beginnt zu brodeln und zu leuchten.)
MENOITIOS (an das Becken herantretend) .
Beim letzten Mal war's weniger Spektakel.
(Erstaunend:)
Oh, seht nur:
Es formen sich schon erste Bilder,
was geht's bei dieser schnell und zackig.
(Alle treten näher an das Becken heran.)
KREIOS (in das Wasser starrend, das Leuchten erhellt sein Gesicht) .
Das muss der Bestienmann wohl sein,
der dort im großen Saale kniet.
Was könnt es wohl bedeuten?
(Das Bild brodelt noch eine Weile vor sich hin, dann bildet sich ein neues.)
ATLAS (in das Wasser starrend, das Leuchten erhellt sein Gesicht) .
Ist das dort der Hades,
der dort kauert hinter Büschen,
die mir irgendwie so wohlbekannt?
KREIOS. Jetzt erhebt er sich.
(Er beugt sich noch etwas weiter vor.)
Sind das etwa wir, die dort im Kreise stehn?
HADES betritt den Orakelplatz. Die Titanen, Gaia und Uranus fahren herum.
HADES. So ist's wohl mit der Tarnung aus.
Wo sie mich eh gefunden haben,
kann ich mich gleich dazugesellen.
(Er stellt sich zu den anderen an das Becken.)
KRONOS (sich das Kinn reibend) .
So lebt der Hades also auch.
HADES (ohne ihn anzusehen) .
Ihr klingt nicht grade hoch erfreut.
Doch kann auch ich die Freude kaum erwidern.
(Das Bild im Wasser ändert sich erneut.)
MENOITIOS (in das Wasser starrend, das Leuchten erhellt sein Gesicht) .
Wen seh ich da, ist das Athene?
Sie ist ja noch gewaltiger,
als ich sie in Erinnrung hatte.
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