Denkt sie wirklich,
's ist der erste Dolch,
der sich will in mich graben?
Sie ist 'ne größre Närrin,
als ich es hätt vermutet.
(Er dreht ihr den Arm auf den Rücken. Mit einem Klirren fällt der Dolch zu Boden.)
THEMIS. Ich elende Verdammte!
Jetzt bin fürwahr ich wohl verloren.
Oh Götter, hört mein Schwören:
Ich würd dem Kronos niemals helfen,
wollte nicht Partei ergreifen,
weder für die eine
noch für die andre Seite.
Doch jetzt wird er mich zwingen,
vielleicht wird er mich foltern,
bis er kriegt, was er verlangt.
Wisse, Welt,
dass ich mich hab verweigert,
so gut als ich's vermochte.
KRONOS. Macht sie sich etwa Hoffnung,
dass irgendwer sie wird erhören?
Hier ist doch niemand, der Euch helfen könnt.
Ihr seid mir schutzlos ausgeliefert,
so treten wir nun an zur Tat:
Sagt mir, ob der Ikas lebt,
ob die Athene,
Aphrodite
oder auch der Hades!
THEMIS. Nein, ich werd's nicht,
selbst wenn Ihr mich foltert.
KRONOS. Nun,
dann ist ihr Schicksal wohl entschieden.
(Er nickt dem Menoitios zu.)
MENOITIOS (hervortretend) .
Ich bitt dich, Tante,
halte ab von deinem Trotze,
sonst wirst du es noch arg bereun.
Wir möchten dich nicht zwingen,
doch wenn sie sich erwehrt,
so gibt es keine andre Wahl.
THEMIS (dem Menoitios ins Gesicht spuckend) .
Ich speie aus vor Ekel!
Komme er mir nicht auf seine sanfte Art.
Ich weiß genau, dass er nicht besser ist
als dieser krumme Uranide.
Du hast die Seite wohl gewählt,
mein guter Neffe,
nun trag dafür die Konsequenzen.
Wenn es not tut 'für zu quälen,
so finde er sich ab damit,
statt hier mit Freundlichkeit zu heucheln.
MENOITIOS (verärgert und sich den Speichel aus dem Gesicht wischend) .
So will ich selbst die Folter führen
für die eklig Missetat und ihren Zorn,
den sie mir ins Gesichte spie.
(An den Kronos gewandt:)
Womit habt Ihr vor,
ihr die Zukunft zu entlocken?
KRONOS. Sie im Becken zu ersäufen,
scheint mir fast der Qual zu wenig.
Sie soll auf Knien flehen,
uns die Zukunft aufzuzeigen,
so sehr müssen wir sie schinden.
(Er wirft das schwarze Tuch über dem Becken zur Seite und drückt das Gesicht der Themis über das Becken.)
Wie wär's:
So koste sie doch erst einmal,
bevor sie schon verlangt,
darin ertränkt zu werden.
Nur zu!
(Er drückt ihren Kopf unter Wasser.)
MENOITIOS. So fasse er sich kurz,
dass er sie nicht sofort ertränke.
KRONOS. Keine Sorge,
so lange sie noch zuckt,
wird sie uns nicht versterben.
(Er reißt die Themis aus dem Wasser.)
Nun,
was hat sie dort gesehen,
dort unten in der Tiefe?
Vielleicht doch schon ein Bild von dem,
was ich von ihr hier wissen will
und was das Leben ihr könnt retten?
Hoffe sie, nur schnell zu sehen,
was ich wissen will,
sonst ist's mit dieser erst vorbei
nach vielen langen Qualen.
THEMIS (nach Luft ringend) .
Oh ja, die Zukunft sah ich tief dort unten,
die Zukunft aller, die hier stehn:
Sie ist tiefschwarz und voller Finsternis
für jeden, der für Kronos ...
KRONOS (ihren Kopf unter Wasser drückend) .
Mir scheint,
sie hat noch längst nicht lang genug versucht,
die Zukunft uns zu zeigen.
Versuchen wir's gleich noch einmal,
die Nacht ist viel zu jung und schön,
um nicht für neu Erkenntnis hier
genutzt zu werden.
(Die Themis zuckt immer heftiger.)
(Sie wieder aus dem Wasser holend:)
Und?
Hat sie wen gesehen,
der sie aus ihrer Lage könnt erretten?
THEMIS. Nichts seh ich und nichts will ich sehn.
Eher kratz ich mir die Augen aus,
als dass ich etwas blicken will,
das ich ihm könnt verraten.
KRONOS. Was ist sie nur so störrisch?
Ist sie noch immer durstig?
(Wieder drückt er den Kopf unter Wasser.)
Vielleicht ist dies das letzte Mal,
dass ich sie aus dem Wasser holte.
Was soll ich nur mit einer anfangen,
die sich so störrisch wehrt und bockt?
MENOITIOS. Was bringt es ihm, wenn er sie tötet?
So ist die Chance zu erfahren,
was er will, um einiges geringer.
KRONOS. Ob sie tot ist oder schweigt,
es kommt aufs Gleiche raus:
Wir erfahren nicht,
was wir so gerne wissen möchten.
Da kann ich ihr gleich den Gefallen tun
und sie brutal ersaufen.
Versuchen wir es noch einmal,
die Glieder scheinen zu erschlaffen.
Also:
(Er holt sie aus dem Wasser.)
Will sie das Orakel fragen,
ob unsre Feinde wohl noch leben?
THEMIS (mit geröteten, weit aufgerissenen Augen) .
(Sie schweigt.)
KRONOS. Dann tut's mir leid für sie.
So kost das Schweigen ihr das Leben.
Hat sie noch was zu sagen,
die sie hier so aus der Wäsche starrt,
dass einem könnt das Blut gefriern?
THEMIS (in die Leere starrend) .
(Sie schweigt.)
KRONOS. Leb wohl, oh Schwester,
dein Weg ist hier zu ...
GAIA tritt auf den Orakelplatz.
GAIA. Sie hat den eignen Tod gesehn,
daher die aufgerissnen Augen.
(Sie blickt jeden der Titanen an und macht eine ausladende Handbewegung.)
Was tut ihr hier und steht herum
und seht nur zu,
wie dieser eure Nichte tränkt?
Es gibt nichts zu erhaschen
auf der Seite eures Bruders oder Onkels.
KRONOS. Halte sie sich zurück,
will sie nicht sehn,
wie diese hier verstirbt durch meine Hand!
GAIA. Was willst du mir schon drohen,
du Niederer?
Du ertränkst sie sowieso,
egal was ich hier mache.
KRONOS. Vielleicht kann sie sie dazu bringen,
mir zu sagen,
was ich von ihr wissen will.
Immerhin war sie vor ihr
die Hüterin von Delphi.
GAIA. Das war ich,
doch auch ich würd lieber mich ermorden lassen,
als ihm zu sagen,
was er wissen will.
Darin machen diese da und ich
wohl keinen Unterschied.
Lass sie nur gehen,
ihr Tod bringt dich nicht weiter ...
(Sie wendet sich an die restlichen Titanen.)
... und euch alle auch nicht.
Wie kann es sein, dass ihr euch stellt
auf die Seite des Verräters?
Ich bin schon schwer enttäuscht von euch,
ich muss es wohl gestehen.
MENOITIOS. Sagt ausgerechnet die,
die Uranus so oft missbraucht
und Kronos selbst die Hippe schuf.
Wo hat sie ihn gelassen
oder reist sie neuerdings allein?
GAIA. Jawohl, ich bin allein,
ich steh euch ganz verlassen gegen...
URANUS kommt aus dem Dickicht gehumpelt.
URANUS. Spar sie sich die Lügen,
hier komm ich schon aus dem Busch gekrochen
und fleh ihn an, die Themis bitte zu verschonen.
Sie ist sein eigen Schwester,
hat er dies längst vergessen?
KRONOS. Was schert's mich?
Bist wohl auch mein Vater
und die Mutter rief mich an,
dich mit der Hippe zu entmannen.
Es ist schon eine toll Verwandtschaft,
die sich bekriegt und so verstümmelt.
Nein, mein Vater,
dies ist kein Grund,
die Themis zu verschonen.
Ich werd sie töten,
allen soll es Warnung sein,
sich gegen Kronos aufzulehnen.
Sagt Adieu, jetzt wird sie sterben!
(Er drückt den Kopf der Themis unter Wasser. Ihre Beine zucken im Todeskampf.)
GAIA (an den Uranus gewandt) .
Warum fällt er mir in den Rücken?
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