Ihr erster Schlagzeuger Pete Best, der die Beatles nach Hamburg begleitete, blieb ihnen nicht erhalten und stellt einen der wenigen unrühmlichen Momente in der Anfangsphase der Beatles dar. Pete wurde von Paul eingeladen, um als Schlagzeuger vorzuspielen, weil sie dringend jemanden brauchten, der sie nach Hamburg begleitete. Im Gegensatz zu anderen Kandidaten war Pete als Einziger bereit, diese Reise anzutreten, und so heuerten sie ihn zwei Tage, bevor es losgehen sollte, an. Mona Best, Petes Mutter, übernahm eine Zeit lang die Managerrolle der Beatles. Ihr gehörte der Casbah Club in Liverpool, in dem auch die Beatles einen festen Platz im Spielplan hatten, und Petes Freund Neil begann eine Affäre mit Mona, aus der ein Kind hervorging, zu dem sich Neil aber erst viele Jahre später bekennen sollte. Trotz allem gelang es Pete leider nicht, sich in die Gruppe der anderen vier Beatles zu integrieren. Er blieb oft für sich allein und beteiligte sich nicht an den gemeinsamen Aktivitäten vor und nach den Auftritten. John kam ganz gut mit ihm aus, aber Paul und George waren skeptisch. Alle drei sagten später aus, dass es niemals geplant war, Pete langfristig zu behalten. Statt dessen wollten sie auf einen geeigneteren Charakter warten und Pete ersetzen, wenn der richtige Moment gekommen war. Zusätzlich hatte Pete wegen seines guten Aussehens eine enorme Wirkung auf das weibliche Publikum, was in den Köpfen der pubertierenden Rivalen innerhalb der Band bestimmt nicht zu einer Steigerung seiner Beliebtheit geführt hat, auch wenn sie dies später bestritten haben. Als es 1962 zu dem Vorspielen bei der EMI unter der Aufnahmeleitung von George Martin kam, wurde Pete von Martin für die Aufnahmen durch ein Studioschlagzeuger ersetzt, was für einen Produzenten der damaligen Zeit eine Selbstverständlichkeit war. Nach diesem Vorfall packten die Beatles die Gelegenheit beim Schopf und ließen Pete durch ihren Manager Brian Epstein mitteilen, dass er nicht mehr zur Band dazugehörte. Pete war sehr frustriert und wurde zeitweilig depressiv, weil er eine Ahnung hatte, dass er mit diesem Schritt die Möglichkeit für eine ganz große Karriere verspielt hatte. Unschön war, dass es keiner der Beatles für erforderlich hielt diese Angelegenheit mit Pete von Angesicht zu Angesicht zu klären. Obwohl er abserviert worden war überredete Pete seinen Freund Neil dazu, bei den Beatles zu bleiben, was Neil auch tat, aber er trennte sich von Petes Mutter Mona. Der neue Schlagzeuger wurde Ringo Starr, der als Mitglied der Band Rory Storm & the Hurricanes ebenfalls regelmäßig in Hamburg gastierte und der Pete für die Beatles bereits an einigen Abenden vertreten hatte, als dieser krank gewesen war. Kurioserweise wurde auch Ringo bei den Aufnahmen zu der ersten Beatles-Single love me do durch einen Studioschlagzeuger ersetzt. Da sich Ringo aber viel besser in die Gruppe einfügte, verteidigten ihn die anderen und sorgten dafür, dass er blieb. Für Pete rückten die Beatles in den nächsten Monaten in ungreifbare Entfernung, und es fand anders als für andere Weggefährten kein weiteres Zusammenkommen mehr statt. Die Beatles begannen ihren Siegeszug ohne ihn, aber zusammen mit den Weggefährten aus Hamburg und Liverpool, die ihnen wirklich wichtig und ans Herz gewachsen waren.
Später, während einer Tour durch Amerika, ergab es sich für die Beatles, dass sie einen ganz anderen Weggefährten treffen sollten. Einen, den sie zwar seit vielen Jahren gut kannten, den sie aber nie persönlich kennen gelernt hatten. Sie machten sich auf, um Elvis zu treffen. Wie es sich wohl anfühlt, auf dem Weg zu seinem Idol zu sein, während man gerade selbst zu einem Idol geworden ist? Zu dem damaligen Zeitpunkt vielleicht ein viel größeres als es der King of Rock & Roll noch war. Elvis sah die Beatles als Konkurrenten an und hatte Angst vor ihrem Erfolg. Der Besuch war ein Flop. Vielleicht wäre es besser gewesen, diese Idee nicht weiter verfolgt zu haben, aber das konnte man ja vorher nicht wissen. Die Beatles waren immerhin die erste Band, die in einem Stadion spielen musste, weil so viele Menschen sie sehen wollten. Das hatte Elvis bis dahin nicht geschafft. Ein Jahr nach dem Besuch, 1966, überholten die Beatles Elvis in den USA mit ihrer 21. goldenen Schallplatte, die sie für das Lied yellow submarine erhielten, und zu diesem Zeitpunkt stand die wahre musikalische Revolution, die die Beatles hervorbringen sollten, erst noch bevor. Interessanterweise haben die Beatles, trotz ihrer weiterhin bestehenden musikalischen Verehrung für Elvis, nicht ein einziges Lied des Kings auf einer ihrer Platten veröffentlicht.
John war temperamentvoll. Er hat den Erfolg schon als kleiner Junge gewollt. Er war entschlossen, alles zu tun, um erfolgreich zu sein und er hatte das künstlerische und intellektuelle Potential, das man dafür brauchte. Er war der freche Junge, der mit freiem Oberkörper auf dem Fahrrad durch die Straßen der Liverpooler Vorstadt fuhr und ab und zu einen herablassenden Spruch auf vorbeigehende Passanten ablud, nur um seinen Freunden später bei einer Tüte Fish & Chips und einem Bier von deren empörten Reaktionen zu berichten. Diese Menschen sahen in John nur einen Störenfried, einen rüpelhaften, ungezogenen Jungen. Wie sollten sie auch anders empfinden, denn er hatte sich ihnen ja von dieser Seite gezeigt. Von seiner neuen Seite, die Welt verbessern zu wollen und zu können, die er jedem von sich zeigen konnte, als er später berühmt war, hat er höchstens etwas geahnt. Die Kraft, den Erfolg zu wollen, hatte er schon. Das zeigt sich allein darin, dass er beschloss, für eine längere Zeit nach Hamburg zu gehen. Es war ihm mit der Musik wirklich ernst. Er war nicht derjenige, der im letzten Moment kniff und doch nicht ging. Er tat es. Und die anderen waren mit dabei. In einem kurzen Lebenslauf, den er in Hamburg 1961 für einen deutschen Journalisten verfasste, schloss er mit dem Satz, dass er und seine Band die Ambitionen hätten, reich zu werden. Und das taten sie auch, und zwar wie.
John war später nie so wie Elvis seinerzeit. Er hatte nie Angst vor einem potentiellen Rivalen, ob neu oder alt, und war grundsätzlich aufgeschlossen und interessiert an allem Neuen, auch neuen Künstlern gegenüber, die gerade am Anfang ihrer Karriere standen. Es kam zwar bedauerlicherweise vor, dass der unreife John sich anfänglich aufgrund seines chauvinistischen Charakters, einer rücksichtslosen Selbstverherrlichung und der damit einhergehenden Tatsache, dass er sich überhaupt keine Gedanken über die Konsequenzen dessen machte, was er sagte, auch abfällig gegenüber Musikerkollegen äußerte. Das hat zum Beispiel Ray Davis von den Kinks noch in Erinnerung, als diese 1964 im Vorprogramm für die Beatles spielten. Ein überheblicher John teilte der unerfahrenen Band mit, dass sie die Menge eh nur für die Beatles warm machen würden und ob sie ihnen ihre Programmliste borgen könnten, denn sie hätten die eigene verlegt. Die Kinks kamen allerdings beim Publikum gerade mit Songs wie you really got me , die sich deutlich von denen der Beatles abhoben, so gut an, dass der vorherigen Einschüchterung durch John eine gut tuende Selbstbestätigung folgte. Wenn man berücksichtigt, dass John später in seinem Lied god , in dem er aufzählt, an was er alles nicht mehr glaubt, auch die Kinks erwähnt, ist das ein Beweis dafür, dass er sie zumindest vor 1971 sehr geschätzt hat. Unbelegten Quellen zufolge war er ein großer Fan der Kinks-Single wonderboy und soll sich bei einer Feier einmal dafür eingesetzt haben, dass dieses Lied wieder und wieder gespielt wurde. Nachdem John seine frühe Überheblichkeit überwunden hatte, wollte er genauso wie die anderen Beatles der Nährboden für neue Kunst sein. Das war der Grund, warum die Beatles später ihr eigenes Unternehmen gründeten. Doch um dafür bereit zu sein, mussten sie zuerst den Gipfel erklimmen und die Beatlemania über sich ergehen lassen.
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