Mar’thain Kastir hat zwei der Botschafter bringen lassen in die Feste des Thain, auch Tenaro heißt sie freudig willkommen. Nicht wegen der Geschenke, die sie bringen, sondern wegen der Schriftrollen, die sie mit sich führen. Die Geschichte Beth’anus liegt im Dunkeln, seit die erste Feste Daikims verbrannt ist in dem Bruderkrieg vor mehr als dreihundert Jahren, vielleicht findet sich in den Rollen aus Tien’sa ein Hinweis darauf, wo er hergekommen ist, der Mann, der die drei Länder einst geschaffen hat. Und einer der Botschafter wird mit Mar’thain Mereno reisen nach Beth’narn, sein Bruder ist immer schon der Gelehrte genannt worden, weil er sich gern beschäftigt mit Schriftrollen und Büchern, wenn es einen Hinweis gibt, wird er ihn finden. Aber Mereno und Ginjen reisen nicht an zu seinem Geburtsfest, nur Selima und Danima treffen mit ihren Kindern ein am Tag vor der zweiten Tag- und Nachtgleiche. Aber Thain Tenaro versteht, was sie zurückhält, als Selima ihm berichtet, was sich zugetragen hat in Beth’narn.
Der Verlust der Tränen Melaks fügt sich ein in die Reihe der Ereignisse, die vorgehen in Beth’anu und Beth’narn. Ein asonischer Brunnen, der versiegt, Quellen, die unerträglich heiß werden, auch das Wasser im Badehaus der Feste des Thain ist wärmer geworden, aber man kann noch liegen darin, und manchmal scheint der Boden unter ihren Füßen zu zittern. Nicht heftig, kaum wahrnehmbar, mehr zu erahnen als zu fühlen, wie ein Mann zittert, der zu lange durch Regen und Wind geritten ist, oder ein Kranker, der mit Fieber in seinem Bett liegt. Und im neunten Mond, gerade als der Mar’thain von Beth’narn und der Marun von Beth’lai sich mit ihren Familien aufmachen wollen in die Feste nach Beth’anu, am ersten Tag des letzten Drittteils, damit sie rechtzeitig ankommen zu seinem Geburtsfest, kommt eine Nachricht aus der Wüste im Norden, die ihnen Anlass zu neuer Sorge gibt. Die Oasen, die sich hindurchziehen in einem leichten Bogen in nordwestlicher Richtung, sie sind verloren für Beth’narn.
Begonnen hat es auf der Oase des Pferdehändlers, sie ist die letzte am Ende der grünen Perlenschnur, und sie ist die größte gewesen, ihr Brunnen ein Teich, der fast zehn Längen durchmisst, und viel Grün darum. Der Pferdehändler hat die großen Schlachtrösser dort gezüchtet, die er zweimal im Jahr in den Süden gebracht und dort verkauft hat an den Heermeister und die Krieger in seinen Einheiten. Er hat Metú damals gesagt, er ist ein armer Mann, der die Plättchen nicht entbehren kann, die die weißen Schwestern verlangt haben, als Mirini es nicht geschafft hat, seiner Frau beizustehen bei der Geburt ihres Kindes, es ist eine Lüge gewesen. Die Reiter der Hundertschaft, die Tenaro in den Norden geschickt hat, um ihn zu bestrafen für das, was er ihr angetan hat, haben sie säckeweise gefunden in seinem Zelt, sie sind wie die übervollen Truhen aus dem Haus der weißen Schwestern auf der Oase in die Hände der Madrona gegeben worden, damit sie genug haben, ihre neuen Häuser einzurichten. Die Menschen in Narn’kalar haben ihre Hilfe dankbar angenommen, sie haben sich um die Frauen gekümmert, die ein Kind tragen, ihnen bei der Geburt beigestanden, und unter ihren Händen sind mehr Kranke gesundet als in denen der Heiler, die bisher ihr Unwesen getrieben haben im Land. Auch Thain Tenaro weiß eine Weise zu singen über ihre Heilkunst.
Tenaro hat als Nun’thain das Recht auf das Wasser damals weitergegeben an die Familie, die auf der zweiten Oase lebt, es ist die kleinste, die Familie größer geworden, es war ein wenig eng. Ein Teil der Familie ist umgezogen auf die Oase des Pferdehändlers, sie haben die Früchte der hohen kahlen Stämme mit den breiten Blättern geerntet, um die Pferde haben sie sich nicht kümmern müssen, die hat die Hundertschaft mitgenommen. Und sie gewarnt, der Pferdehändler ist mit einem Teil seiner Familie entkommen in die Wüste, aber auch die Männer der Oasen sind wehrhaft, sie werden dafür sorgen, dass sie nicht zurückkehren, sie haben nie wieder etwas gehört von ihnen. Nur manchmal, wenn sie auf der Oase der weißen Schwestern nachgesehen haben, hat es den Anschein gehabt, als ob getrunken worden ist aus ihrem Brunnen.
Und dort, auf der letzten Bastion gegen die Ödnis der Wüste, hat es begonnen vor zwei Monden. Sie haben sich zur Ruhe gelegt für die Nacht, und am anderen Morgen ist ihr Brunnen leer gewesen. Sie haben nur noch ein Loch gefunden, wo am Abend vorher Wasser geschimmert hat im Licht des Vollmonds, sie haben es rauschen hören in der Tiefe, aber es war nicht mehr zu erreichen für sie. Bis es zurückgekommen ist. Sie haben es wieder steigen sehen in dem Loch, und sie haben geseufzt, Melak sei Dank, sie werden keinen Durst leiden. Aber als ihr Brunnen wieder voll gewesen ist, ist es immer weiter gestiegen, bis er übergelaufen ist, das Wasser nur so herausgequollen aus ihm, immer mehr, bis es das Gras überschwemmt hat, ihre Zelte, den Hain der hohen kahlen Stämme, bis es hinausgelaufen ist selbst auf den Sand, der die Oase umgibt, und dort versickert. Und es hat nicht mehr aufgehört, bis sie keinen Boden mehr unter den Füßen gehabt haben, nur noch Morast, da haben sie die Oase aufgegeben. Ihre Sachen gepackt, ihre Zelte abgebrochen, ihre Kinder auf die Pferde gehoben, und sich aufgemacht auf den Zweitagesritt zur nächsten Oase. Aber dort ist es genauso gewesen, und auch auf der nächsten, sie sind immer weiter gezogen, ihre Schar immer größer geworden, bis sie angekommen sind in dem Dorf am Rand der Wüste mit der Handelsstation, in der sie früher ihre Früchte getauscht haben gegen das, was sie nicht selbst haben anbauen können. Und das Wasser ist ihnen gefolgt.
Mar’thain Mereno hat es erst nicht glauben wollen, es sind asonische Brunnen, sie sinken nicht ab. Und sie laufen nicht über, ihr Wasserstand ist immer gleich, er reitet mit Ginjen in das Dorf, um es mit eigenen Augen zu sehen. Und sie sehen es schon von weitem, Wasser, das herausläuft aus der Wüste. Kaum knöchelhoch, Kinder planschen darin, Hunde trinken von ihm, aber es fließt immer weiter, in Richtung auf den See, er liegt nur einen Tagesritt entfernt. Das Gelände wirkt flach für die Augen, ein Geröllfeld, es liegen kleine und große Steine darauf, aber es muss fallen, das Wasser bleibt nicht stehen, und wo es versickert am Rand, wird es sogleich wieder aufgefüllt, er nimmt kein Ende, der glitzernde Strom. Sie reiten an ihm entlang, bis sie auf das Ufer des Sees treffen, und das Wasser, das sich ausbreitet vor ihnen, ist heller als sie es kennen, es schimmert nicht grünlich im Sonnenlicht. Mereno hat den Bericht des Mannes gelesen, der es einmal auf sich genommen hat, das nördliche Ende des Sees zu erkunden, er hat geschrieben von einer Stelle an seinem nordwestlichen Ufer, an der das Wasser heller ist als im Rest des Sees, anders schmeckt, und keine großen Echsen dort zu finden sind. Aber sie sind noch weit entfernt vom Nordufer des Sees, die Stelle, über die er geschrieben hat, muss noch fern von ihnen liegen. Mereno nimmt einen Schluck davon, es ist nicht ungefährlich, das Wasser des Sees macht Krämpfe, aber hier schmeckt es nicht, als ob man auf einem Schwertheft kaut, es ist frisch und riecht sauber, und selbst sein Planschen lockt keine große Echse an, die Schnur aus Luftblasen, die ihr Kommen ankündigt, erscheint nicht.
Thain Tenaro versteht seinen Bruder und Ginjen, es ist wichtiger, sich um die Menschen der Oasen zu kümmern, die ihre Heimstatt verloren haben, als neben ihm zu stehen und zu schauen auf das Feuerwerk zu seinen Ehren. Er war der erste Nun’thain von Beth’narn, als es zu einer Provinz von Beth’anu geworden ist und Thain Deramo es umbenannt hat in Narn‘kalar, die Menschen, die darin wohnen, liegen ihm immer noch am Herzen. Aber auch er versteht nicht, wie es möglich ist, sein Lehrer hat es ihm seinerzeit gesagt, es sind asonische Brunnen, sie sinken nicht ab. Und sie laufen nicht über, höchstens schwappt einmal ein wenig Wasser über ihren Rand, wie aus einem vollen Eimer, der getragen wird. Aber es sind stehende Teiche, sie fließen nicht, und schon gar nicht über. Und noch weniger kann er sich erklären, was der Nun’thain aus Beth’draket, dem geteilten Land, ihm berichtet auf der Ratssitzung drei Tage nach seinem Geburtsfest. Die Wüste blüht.
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