Die Erklärungen aus den Lautsprechern sind weder auf Spanisch noch auf Englisch zu verstehen – egal, wir gucken einfach ein bisschen aus dem Bus. Am Endziel angekommen steigen wir aus und stehen nun direkt am berühmten Panamakanal an der Miraflores Schleuse, den wir nur aus dem Fernseher und aus Erzählungen kennen. Ich kann es kaum fassen, dass ich hier bin. Da der aber ziemlich klein aussieht, vergewissere ich mich mehrfach bei Dima, ob das auch wirklich DER Panamakanal ist. Ja, scheint der Fall zu sein. Wir schauen wie ein Schiff hinein fährt und ich muss zugeben, dass es schon beeindruckend ist, wie so ein riesiger Frachter in diese kleine Schleuse passt. Wenn ich an meine Parkkünste denke, scheint mir was ich dort sehe fast unmöglich. Doch es funktioniert, und mit Hilfe von Schleppern schafft es der Kapitän das Monstrum durch die winzige Öffnung zu bugsieren. Nachdem wir uns auch das dazugehörige Museum angeschaut haben, welches sehr interessant und lohnenswert ist, fahren wir mit dem roten Bus wieder ab. Im Zentrum angekommen, haben wir Hunger. Es startet eine Diskussion, die uns von nun an die nächsten Wochen begleiten wird. Was essen wir? Ich, paranoid und ständig auf die Gefahr vor Bakterien, Salmonellen und anderen Krankheiten lauernd und Dima, der alles essen will, was ihm über den Weg läuft. Wir entscheiden uns für die Calle Uruguay, die auch als Restaurant und Barmeile im Reiseführer angepriesen wird. Was wir aber vor Ort finden, sind jede Menge Burgerläden, Fast-Food-Ketten, Irish Pubs und American Diners. Alles weniger lateinamerikanisch. Da der Hunger jedoch größer ist, als die Lust sich auf die Suche nach etwas Authentischerem zu begeben, entscheiden wir uns für das am wenigsten touristisch aussehende Restaurant – ein Arabisches. Das Essen ist lecker, aber teuer. Ich schiebe alle rohen, salatähnlichen Sachen von meinem Teller, während Dima natürlich nichts liegen lässt. Ich bin gespannt, wie lange sein Bauch das aushält oder ich es schaffe meine Prinzipien auch bei ihm durchzusetzen. Wir essen Vorspeise, Hauptgericht, Nachspeise, trinken ordentlich Wein und beenden das Essen mit einem Espresso. Zum Schluss diskutieren wir, dass wir uns so ein Essen nicht täglich zwei Monate lang leisten können. Diese Diskussion hört sich ungefähr so an:
Jana: „Baby, das können wir uns aber nicht jeden Abend leisten. Dann sind wir nach zwei Wochen pleite.“
Dima: „Aber dafür haben wir doch fast das ganze Jahr gespart, dass wir es uns jetzt richtig gut gehen lassen können.“
Jana: „Ja, aber wir haben auch ein Budget aufgestellt, und ein tägliches Drei-Gänge-Menü ist darin nicht enthalten.
Dima: „Ja, aber dafür übernachten wir doch in günstigen Hostels.“
Jana: „Das haben wir auch so im Budget kalkuliert.“
Na das kann ja heiter werden – Berater argumentiert mit Finanzabteilung. Ich sehe uns schon Gläser spülen, irgendwo in Bolivien.
Erkenntnisse des Tages: Russischer Drill und deutsche Pünktlichkeit müssen definitiv abgelegt werden. Maulige, Partnerlook tragende Rentner gibt es überall. Salat ist böse, böser als roher Fisch in Limettensaft.
Tag Zwei - Oder auch: je kleiner die Schlitze desto größer die Wirkung
Unser zweiter Tag startet bereits um sieben Uhr morgens, was sehr ungewöhnlich für uns beide ist. Hierbei muss es sich wohl noch um den Jet Lag handeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Panama uns in kürzester Zeit zu Early Birds gemacht hat. Am zweiten Tag kann Dima nun aber nicht mehr an sich halten - das Sportprogramm startet – russischer Ehrgeiz trifft auf meine Müßigkeit. Ich gucke ihm bei Liegestütz, Sit-ups und irgendwelchem Gehopse zu und freue mich über meinen schönen Mann. Die Auswirkungen der Luftfeuchtigkeit auf den Frühsport möchte ich hier lieber nicht weiter ausführen. Nachdem er alles rausgeschwitzt hat was geht, begeben wir uns zum Frühstück und da ja heute gesportelt wurde, reicht nun auch die doppelte Portion für Dima nicht mehr. Das kann nur eines bedeuten: Die nächsten zwei Stunden ist schlechte Laune angesagt. Wenn es etwas gibt, was ihn aus der Ruhe bringt, dann ist es schlechtes oder zu wenig Essen. Wie oft schon konnte ich ihn nur mit einer leckeren, selbst gekochten Mahlzeit aufheitern. Wenn man mit Dima in ein Restaurant geht, wo das Essen nicht gut oder die Portionen zu klein sind, kann man den Rest des Abends eigentlich vergessen. Er redet dann nicht mehr und in der Mitte seiner Stirn bildet sich eine vertikal verlaufende tiefe Furche. Hier helfen dann auch keine beruhigenden Worte meinerseits, dass wir später noch was anderes Essen können oder witzige Sprüche, um die missliche Lage zu retten. Da ich mich mit dieser Situation ja schon auskenne, lasse ich ihn rummuffeln. Die nächste Essgelegenheit in Form von Supermarkt, Imbissbude, Céviche, Café, Restaurant kommt hoffentlich schnell.
Erstmal aber wieder in den roten Bus. Das noch gültige vierundzwanzig Stunden Hop-on-Hop-off Ticket führt uns nach Panama Viejo, die ursprüngliche Stadt, die von Piraten zerstört wurde. Es besteht aus Ruinen und liegt im Armenviertel von Panama City. Dieses Mal haben wir Wasser mit, aber dennoch ist das extrem warme Klima drückend. Vor zwei Tagen hatten wir schließlich noch deutschen Winter. Heiß, heißer, unglaublich heiß. Wir schleppen uns über große Steine, klettern auf einen Aussichtsturm und überschauen das alte Panama, von dem nicht wirklich viel übergeblieben ist. Der Ausblick ist aber dennoch absolut fabelhaft und die nicht allzu vielen Stufen auf den einzigen Turm in der Gegend lohnen sich. Ein Bimmelbähnchen bringt uns zum Ausgangspunkt zurück. Wo war das eigentlich auf der Hinfahrt? Zur Abkühlung gehen wir in das angrenzende Museum um etwas mehr über das alte Panama zu erfahren. Ein naheliegender Souvenirmarkt mit allerlei Kunsthandwerk darf natürlich auch nicht fehlen. Es gibt ein paar interessante und ausgefallene Sachen, die allerdings nicht in einen Backpacker Rucksack passen. Von Hüten, Kunsthandwerk, Schmuck und Geschirr ist alles dabei.
Anschließend warten wir wieder auf den roten Bus, der nach einer Stunde Verspätung dann auch kommt. Das Geld für diesen Bus wäre definitiv besser in Mojitos investiert gewesen. Ich würde beim nächsten Mal auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen oder auf ein Taxi – da kommt man auf jeden Fall günstiger und auch schneller voran. Langes Warten in der Hitze ist definitiv etwas, worauf wir verzichten können. Vielleicht sind wir hier aber auch zu pingelig – in Berlin und Moskau beschweren sich die Leute, inklusive uns, schon wenn sie vier Minuten auf eine U-Bahn oder auf den Bus warten müssen.
Auf dem Rückweg halten wir an einem Supermarkt an und endlich kann Dima sich aussuchen was er möchte. Er packt sich den Wagen voll: Obstsalat, Thunfisch, Joghurt, Wein, Käse, Wurst, Oliven, Brot (das ist nur das woran ich mich erinnern kann). Auf meine Frage, wann er das alles essen will, meint er nur „man kann ja nie wissen“. Während mein hungriger Freund den Laden leer räumt, habe ich Zeit mich umzusehen und finde meinen Lieblingswein aus Argentinien im Regal. Ich stelle jedoch fest, dass dieser hier, obwohl er auf demselben Kontinent geblieben ist, viel teurer ist als bei uns in Deutschland. Globalisierung lässt grüßen.
Es ist schon dunkel und wir wollen noch einmal zur Uferpromenade spazieren. Vielleicht treffen wir dieses Mal auf Menschen. Das Erste, was uns bei Nacht auffällt sind die alten amerikanischen Schulbusse, die hier überall herumfahren. Sie leuchten im Dunkeln kunterbunt und blinken in allen Farben. Musik dröhnt aus ihnen heraus und je „cooler“ der Busfahrer, desto kleiner ist der Fensterschlitz an der Frontscheibe, welcher übrigens die einzige Möglichkeit darstellt für den Fahrer die Straße zu sehen. Manchmal sind es nicht mal zehn Zentimeter, die den Durchblick erlauben – aber Hauptsache der eigene Bus ist verrückter als das Gefährt auf der Nebenspur. Es scheint ein Wettkampf zu sein, den die panamaischen Busfahrer unter sich austragen. Immer wenn wir denken der Schlitz könnte schmaler nicht mehr sein, sehen wir einen anderen Bus mit noch kleinerem Guckloch. Es macht Spaß sich das anzuschauen und es macht gute Laune zu den lateinamerikanischen Bässen die Straße entlang zu spazieren.
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