Da wir „nur“ acht Wochen Reisezeit haben und unsere Wunschländer zum Teil weit auseinanderliegen, haben wir auf Empfehlung einige Flüge vorgebucht. In Südamerika fliegen nur die „Reichen“ und spontane länderübergreifende Flüge sind somit teuer. Außerdem kosten die Tickets für Ausländer mehr als für die Einheimischen. Für die Impfungen haben wir uns im Tropeninstitut beraten und auch immunisieren lassen. In einige Länder darf man angeblich ohne eine Gelbfieberimpfung nicht einreisen. Wir wurden am Ende zwar nie kontrolliert, als wichtig erachte ich diese dennoch – auch wenn das hier nur meine persönliche Empfehlung ist. Ausrüstung haben wir uns sehr wenig zugelegt, da wir uns sicher sind, auch ohne die teuren Outdoor-Markenprodukte und ohne Partnerlook gut voran zu kommen. Sogar auf Wanderstiefel verzichten wir. Die guten alten Turnschuhe tun es hoffentlich auch. Schließlich ist die Bevölkerung vor Ort auch nicht in Jack Wolfskin und Co unterwegs und überlebt trotzdem. Außerdem sehe ich irgendwie keinen Sinn darin Unmengen an Geld in diese Produkte zu investieren und dann auch noch auszusehen wie einer unter Tausenden anderer Touristen. Das meiste Geld haben wir für einen Reiserucksack für Dima ausgegeben, der am Ende jeden Cent wert ist. Während ich alles von oben in einen geliehenen Treckingrucksack stopfen muss, hat mein Liebster immer alles ordentlich gefaltet und ohne Fluchen parat. Es ist mein erster Rucksackurlaub und ich bin nervös, wie ich mit nur wenigen Sachen auskommen soll, da mein Kleiderschrank im wahren Leben doch eher einer Lagerhalle gleicht.
Nichtsdestotrotz nach etlichen Monaten des Wartens ist endlich der neunundzwanzigste November und wir können starten. Die Wohnung ist vermietet und Zeit das Konto etwas zu füllen, hatten wir auch. Das Packen ging Dank ein paar hilfreicher Bloggertipps relativ einfach von der Hand und unsere Rucksäcke wiegen wirklich nur zwölf bis vierzehn Kilogramm. Tatsächlich hat es nur das Nötigste in unser Gepäck geschafft. Die Bedenken alles auf meinem doch eher schmalen Rücken schleppen zu müssen waren größer als die Angst vor einer inkompletten Garderobe.
Über Paris geht es heute endlich nach Panama City. Dank Entertainmentprogramm im Flieger vergehen die zwölf Stunden relativ schnell. Endlich hat Dima die Chance alle Actionfilme zu schauen, die er in den letzten Jahren verpasst zu haben scheint. Wenn ich ihn so beobachte, wie er wild kaugummikauend auf den Bildschirm starrt, überlege ich mir ihn öfter mal übers Wochenende alleine zu lassen – fast ein bisschen apathisch mein Liebster. Nicht mal die ständigen Ansagen, die den Film jedes Mal unterbrechen, aufgrund von Turbulenzen, Duty-Free Verkäufen oder Fluginformationen, scheinen ihn zu stören. Gut, dass wir noch einen Rückflug haben – dann müsste er alle Filme geschafft haben. Ich hingegen verbringe die Zeit mit meinen Reiseführern, die ich aufgrund zu hohen Arbeitspensums vorher nicht lesen konnte. Dank diesen bin ich nun einiges an Paranoia reicher und weiß jetzt was wir in Südamerika alles NICHT machen und essen werden.
Wir landen nach Mitternacht in Panama City – IM DUNKELN. Gerade habe ich noch gelesen, dass in Panama City im Dunkeln überhaupt nicht gut Munkeln ist. Das fängt ja gut an. Das Gepäck ist da und nachdem wir von den unfreundlichen Zollbeamten unsere Stempel bekommen haben, dürfen wir auch Einreisen. Wir satteln die Rucksäcke und machen uns auf die Suche nach unserem Taxifahrer, den uns das Hostel schicken wollte. Nach Verlassen des Flughafengebäudes kommt es uns vor, als wären wir im Berliner Tropenhaus gelandet. Hitze und Luftfeuchtigkeit sind enorm und verwandeln unsere Shirts binnen Minuten in nasse Lappen – Hitzeschock extrem. Wir drehen diverse Runden sowohl in der Ankunftshalle als auch am Taxi- und Busterminal, um dann fünfundvierzig Minuten später festzustellen, dass der Shuttle Service wohl nicht funktioniert hat. Nach einer kurzen Verhandlung mit einem anderen Fahrer machen wir uns selbst auf den Weg. Endlich im Panama Hat Hostel angekommen unterziehen wir uns einer langwierigen Anmeldeprozedur, die von Anil geleitet wird. Anil ist ein kleiner, etwas fülliger, freundlich grinsender Panamaer. Er sitzt an der Rezeption des Hostels und begrüßt uns sehr freudig. Es scheint als hätte er heute noch nicht allzu viele Menschen getroffen, da er munter in einem schnellen Spanisch drauf los erzählt. Hierbei merke ich, dass mein Spanisch doch etwas eingerosteter ist als gedacht. Ich lächele und nicke mehr, als dass ich antworten kann. Anil beginnt das Einchecken - mit dem Ein-Finger-Tipp-System. Alles ganz langsam und gewissenhaft. Müsste ich wetten, würde ich sagen, es ist sein erster Tag heute. Immer wieder fragt er dieselben Fragen und das Anmeldeformular in seinem Computer scheint endlos lang zu sein. Ich wiederhole meine Passnummer, dann Dimas, dann wieder meine, dann nochmal buchstabieren, dann eine Kopie vom Ausweis und unsere Adressen – und so weiter und so fort. Der Flug, das Wetter und der Gedanke, dass ich ab jetzt zwei Monate frei habe, machen mich gleichgültig und überaschenderweise geduldig. Ich bin ganz entspannt und schaue voller Vorfreude auf das, was kommen mag. Von meiner Reisebegleitung neben mir kann man das nicht gerade behaupten. Ich spüre förmlich das Blut in seinem Körper rauschen. Mit jedem weiteren Buchstaben, den Anil mit dem Zeigefinger in den Computer drückt, stöhnt er lauter. Ich säusele ihm ein paar beruhigende Worte ins Ohr und hoffe, dass das Prozedere bald vorbei ist. Nach einer gefühlten Unendlichkeit ist es geschafft und wir bekommen die Zimmerschlüssel. Jetzt ist es also soweit - der hotelverwöhnte Dima betritt das Hostelzimmer: Weiße Fliesen, ein Metallschrank und Neonröhren. Nicht sonderlich gemütlich, aber sauber mit bequemen Betten. Er wirkt nun entspannter und auch ein wenig erleichtert. Ich glaube, er hat sich sein erstes Hostel schlimmer vorgestellt.
Obwohl es schon mitten in der Nacht ist, will er nochmal raus, weil er natürlich Hunger hat – es gab ja schließlich nur zwei Mahlzeiten und ein paar Snacks im Flieger. Ich bin unsicher und versuche ihn mit meinem neuerlernten Wissen zu überzeugen, dass wir im Dunkeln nicht mehr rausgehen und auch nicht alles essen sollten. Ich will nicht. Nach dem was ich gelesen habe, wartet hinter jeder Ecke ein fieser Gangster, der uns ausrauben will. Ich fühle mich ungewohnt fremd, die ganzen Warnungen haben mich unruhig und paranoid gemacht. Im Nachhinein weiß ich wie dämlich das war, aber zu diesem Zeitpunkt bin ich hysterisch und eine ziemlich nervige Reisebegleitung. Da ich aber auch nicht alleine im Zimmer bleiben will, machen wir uns doch auf und gehen eine Runde um den Block – mein mutiger Russe mit suchendem Blick nach etwas Essbaren und ich, mit suchendem Blick nach hinten um Verfolger rechtzeitig zu erkennen. Unsere beiden Augen erspähen nicht das Gesuchte. Anscheinend ist es sowohl für Verbrecher als auch für Essen schon zu spät. Tatsächlich haben wir nicht einen Menschen gesehen, auch keine Banditen, Fieslinge oder andere Halunken. Nach der Rückkehr in unser Zimmer, fallen wir dennoch in einen Tiefschlaf, ich erleichtert und Dima hungrig.
Erkenntnisse des Tages: Wir müssen irgendwie ganz schnell mehrere Gänge zurückschalten. Mein Spanisch ist blöderweise doch nicht so gut, wie ich dachte. Auch mit Ein-Finger-Tipp-System kann man sehr gut klarkommen.
Tag Eins - Oder auch: Kennt Ihr jemanden, der jemanden kennt, der in einem roten Hop-on-Hop-off-Bus entführt worden ist?
Frisch und ausgeruht starten wir in den Tag. Mein immer noch hungriger Liebster drängt sofort zum Frühstück. Dort erwartet uns schon ein mürrisches Gesicht aus der offenen Küche und fragt, was wir essen wollen. Es gibt entweder Rührei oder Cornflakes. Es kommt zum ersten Problem des Tages: Dima möchte Beides! Nachdem die Köchin eingesehen hat, dass mit einem russischen Hüngerchen nicht zu spaßen ist, bekommt er seine doppelte Frühstücksportion. Derweil bin ich gespannt, wie es hier die nächsten drei Tage weitergehen wird mit dem Frühstücksproblem.
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