MARIA: Was schauen Sie mich so an?
COOPER: Na, Sie wussten doch auch, wie oft die Ermordete auf der Toilette war. Ich nehme also an, dass Sie ganz gut auf dem Laufenden sind, wer sich wann wo befunden hat?
MARIA: Ich habe geschlafen. Und ich habe niemanden hin und her laufen sehen.
COOPER: Sonst jemand?
(Einhelliges Kopfschütteln)
COOPER: Also niemand hat jemanden in der Dunkelheit durch die Maschine schleichen sehen?
JOSEF: Worauf wollen Sie hinaus, Mann?
COOPER: Dass der Mörder möglicherweise ein großes Risiko eingegangen ist. Je weiter hinten er saß, umso riskanter war es.
JOSEF: Warum?
COOPER: Weil er ja nicht wissen konnte, ob seine Mitreisenden oder sein Opfer auch wirklich schliefen. (geht nach hinten, um es zu demonstrieren) Wenn er hinten saß, konnte er das nur annehmen, weil er ja die Gesichter seiner Mitreisenden nicht sehen konnte.
JOSEF: Aha.
COOPER: Aber das gilt nicht nur für die Mitreisenden, sondern auch für das Opfer selbst. Wissen Sie, wie peinlich es gewesen wäre, wenn er mit dem Messer vor Frau Wunder aufgetaucht wäre und die ihn oder sie angeschrieen hätte?!
JOSEF: Sehr peinlich! (rülpst) Ups, Tschuldigung!
COOPER: Das bedeutet, unser Mörder ist entweder ein sehr großes Risiko eingegangen, als er zur Tat geschritten ist... oder aber, er hat gewusst, dass alle anderen Passagiere geschlafen haben!
JOSEF: Ich glaube, er hat es gewusst.
DR. S: Dem schließe ich mich an.
MARIA: Ich bin auch dafür.
COOPER: Das ist keine Abstimmung. Es ist lediglich eine Theorie. (denkt nach) Vielleicht sollten wir alle was trinken?
JOSEF: (springt auf) Gute Idee! Wo ist der Stoff?
COOPER: In der Bordküche.
JOSEF: (will losgehen)
COOPER: Ich mach das schon! (es dauert nicht lange und er kommt mit einer Flasche Weißwein und 6 Gläsern zurück. Er reicht jedem ein Glas.)
JOSEF: (enttäuscht) Wein?
COOPER: Nur, um die Nerven zu beruhigen.
JOSEF: (nimmt missmutig einen Schluck)
DR. S: (nippt nervös an seinem Glas)
MARIA: (würdigt ihren Drink keines Blickes)
WALTHER: (verzieht nach einem kurzen Schluck das Gesicht
LAMOUR: (kippt ihr Getränk in einem Zug herunter)
COOPER: Die Frage ist also, wer hatte ein Motiv und wer hatte die Möglichkeit? (zum Publikum) Na, was meinen Sie denn?
(An dieser Stelle hat das Publikum die Möglichkeit, eigene Theorien zu dem Fall aufzustellen und zu sagen, wen es für den Mörder hält.)
sechste Szene
COOPER: (zum Publikum) Und nun...
(alle Blicke richten sich auf das Comedy-Luder)
MARIA: ...kommen wir zur Auflösung! Sie hat ganz weit vorne gesessen! (zeigt mit dem Finger auf LAMOUR) Sie ist die einzige, die alle anderen Passagiere im Auge behalten konnte. Nur sie konnte sicher sein, dass wir alle geschlafen haben!
LAMOUR: (fährt erschrocken zurück)
MARIA: Und da ist noch etwas. (baut sich vor den anderen Passagieren auf) Ich habe Ihre Unterhaltung verfolgt. Die Ermordete (deutet auf Gloria Wunder) hat ihr während des Fluges ihre... sie hat ihr das angetan! (zeigt nun auf LAMOURS entstellte Oberweite) Es ist nicht so, dass die Implantate schlecht waren. (sieht zu DR. SEBRETZKI hinüber) Nein, Gloria Wunder hat ihr während der Nacht die Dinger verschoben, um ihr zu zeigen, wie schlecht Schönheitsoperationen sind. Und dafür, dass man sie so zugerichtet hat, hat sich Frau Steffi LaMour gerächt und Gloria Wunder ermordet!
LAMOUR: Aber ich...
MARIA: Und dann hat sie rumgeschrieen um von ihrer eigenen Tat abzulenken und um sich so ein Alibi zu verschaffen!
COOPER: Das reicht! (nimmt die Flasche Wein in die eine und STEFFI LAMOUR bei der anderen Hand) Wir gehen jetzt ins Cockpit, damit ich ein Auge auf Sie haben kann.
DR. S: Warum kümmern wir uns nicht um sie?
COOPER: Weil ich nicht will, dass hier irgendjemand auf meinem Flug gelyncht wird. Setzen Sie sich jetzt alle auf Ihre Plätze und schnallen Sie sich an. (zieht LAMOUR ins Cockpit und bugsierte sie auf den Sitz des Copiloten)
LAMOUR: Aber... ich...
COOPER: Ja, ich weiß. (schließt die Tür zum Cockpit) Ich weiß. (nimmt ihr das Glas aus der Hand, füllt es mit Wein und lässt noch etwas aus einem kleinen Fläschchen hineintropfen. Dann reicht er es ihr.)
LAMOUR: (trinkt das Glas in einem Zug aus) Was... was ist das? (sie greift sich an den Hals) Oh mein... (sie schreit schrill, sackt dann in sich zusammen)
COOPER: (wirft ihr schnell das Fläschchen in ihren Schoß)
MARIA: (reißt die Tür zum Cockpit auf) Was ist passiert?
COOPER: Sie... sie hat etwas genommen. Was... was ist das da?
MARIA: (beugt sich vor, sieht sich das Flaschchen an) Meine Güte, das ist Gift!
COOPER: Sie hat gesagt, sie könnte mit dieser Schuld nicht leben und hat sich das Leben genommen. Ich konnte es nicht verhindern!
MARIA: Können wir denn nichts für sie tun?
COOPER: Nein. Ich glaube, bis wir gelandet sind, wird sie tot sein. Bitte setzen Sie sich wieder, wir... wir müssen jetzt mit dem Landeanflug beginnen!
MARIA: (geht langsam zu ihrem Platz zurück)
COOPER: (schließt leise die Tür des Cockpits und setzt sich auf den Pilotensessel) Oh Mann! Was für ein Flug. Ein Mordopfer, ein Sündenbock und der Sündenbock ist gestorben, bevor er seine Unschuld beteuern konnte. Mit anderen Worten: (zum Publikum) Alles ist wirklich super gelaufen.
Also hoffen wir mal, dass niemand darauf kommt, dass noch jemand einen guten Überblick über die Passagiere gehabt hat – nämlich ich. Weil die Tür zum Cockpit während der Nacht nur angelehnt war. Was niemand gemerkt hätte, hätte das Licht nicht diesen blöden Stoffpudel angestrahlt... aber der wird mich bestimmt nicht verraten, oder? Ach, wer hätte gedacht, dass es so einfach sein würde, eine alte Rechnung zu begleichen? (sieht zu LAMOUR) Und ein bisschen Schwund ist immer!
(zum Publikum) Ich darf Sie bitten, sich nun anzuschnallen, das Rauchen einzustellen und Ihre Sitze in eine aufrechte Position zu bringen, wir werden in wenigen Minuten landen! (lächelt) Keine Sorge, Sie können mir vertrauen! Oder... haben Sie Angst vorm Fliegen?
ENDE
Enthält die Kurzstücke:
Mord einer alten Dame
Der schüchterne Mörder
Eingeschlossene Gesellschaft
Ein mörderisches Quiz
Mord im Schlafrock
Genau genommen war die erste Geschichte dieser Stückesammlung 2013 als Drehbuch gedacht, wurde dann aber für die Bühne adaptiert und erweitert. Die zweite Szene stammt aus der Jugend des Autors, etwa um 1992 herum und wurde ein wenig überarbeitet und erweitert.
Artie und Robert sowie ihre gesamte Situation waren in etwas abgewandelter Form Teil einer Langfassung von „Alles Liebe – oder nicht?“, da der Autor das Stück dann aber um rund die Hälfte kürzte, blieben sie ersteinmal zurück… bis sie hier ihr eigenes Kurzstück bekamen.
Eine Mordaufklärung als Quizshow zu gestalten ging mir schon länger im Kopf herum, für diese Sammlung ergab sich dann die Gelegenheit, das in einem angemessenen Rahmen und einer angemessenen Länge umzusetzen.
Die letzte Szene entstand aus einer Idee, die für die erste Szene angedacht war, sich dann aber als zuviel für diese Geschichte erwies und damit eine eigene bekam. Zudem wird die Möglichkeit genutzt, auf fast alle anderen vorhergegangenen Geschichten zu verweisen und damit nicht nur den Kreis zu schließen, sondern dem Ganzen auch noch eine Art inneren Zusammenhalt zu verleihen.
Eine kleine Wohnung, die aussieht wie die Wohnung einer alten Dame. Es klingelt. Die alte Dame geht zur Tür und öffnet sie. Vor der Tür stehen Hans und Karl, zwei junge Typen, die nichts Gutes im Schilde führen. Sie sieht die beiden fragend an.
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