Nachfolgend finden sich Kernbotschaften. Es wird sich kaum ein zwischenmenschliches Aufeinandertreffen finden, in denen diese Sätze nicht als erste Schutzmaßnahme ausreichen, um mich zunächst selbst wieder zu finden, zu beruhigen sowie Zeit zu gewinnen - und mein Angsttraining voranzutreiben.
Das möchte ich nicht.
Das wünsche ich mir anders.
Ich möchte freundlich behandelt werden.
Ich möchte mich nicht weiter unterhalten.
Ich habe das noch nicht verstanden.
Ich kann dazu noch nichts sagen.
Ich beende jetzt das Gespräch.
Ich gehe jetzt.
Wenn Sie sich mit dem nachfolgenden Protokoll (siehe auch als PDF zum Ausdruck auf der Homepage www.friendly-pressure.com) regelmäßig mit Konfliktsituationen und den darin stattfindenden sprachlichen Auseinandersetzungen beschäftigen, werden Sie feststellen, wie weit unser Gehirn von solchen Aussagen zunächst entfernt ist. Die Arbeit mit einem Protokoll ist aus meiner Sicht unverzichtbar, um mehr über sich und die eigenen Sprachmuster zu lernen.
Es hilft, den tatsächlichen Ablauf von Auseinandersetzungen zu protokollieren, um so sehen zu können: Was habe ich gesagt und was habe ich tatsächlich bekommen oder nicht bekommen? Das ist der Einstieg, um mich zunächst am grünen Tisch damit auseinander zu setzen, wie eine Selbstbeschreibung hätte aussehen können. Damit begebe ich mich auf die ersten Schritte eines Trainings freundlicher Abgrenzung. Was ich dabei bewältige, ist die dazu gehörige Portion Angst und wahrscheinlich ein inneres Widerstreben. Aus meiner Erfahrung ist das Erleben solcher Gefühle auch ein wichtiges Kriterium dafür, ob etwas funktioniert hat – oder eben nicht. Ob ich im Anschluss an die Konfrontation mit meinem Gegenüber die Situation weitestgehend abschließen konnte. Wenn mich hingegen etwas weiter beschäftigt oder mich mein Gegenüber - im Geist oder in der Realität - nicht in Ruhe lässt, dann hat irgendetwas nicht richtig funktioniert.
Ich Botschaften - ein Protokoll
Was habe ich von der Person / Situation erwartet? Was habe ich bekommen?
Wie fühlte ich mich während und nach der Situation? Meine konkrete Körperwahrnehmung:
Was habe ich tatsächlich gesagt?
Ich formuliere Ich-Botschaften, in denen ich beschreibe, was ich mir in dieser Situation gewünscht habe und was nicht:
Habe ich erfahren, was sich die andere Person von mir gewünscht hat?
Wie hat sich die Situation/der Konflikt weiterentwickelt.
Habe ich zu einem späteren Zeitpunkt Ich-Botschaften genutzt?
Versuchen Sie nun die nachfolgende Szene mit Ich-Botschaften zu bewältigen. Ein Kollege kommt zu Ihnen ins Büro gestürmt, baut sich nahe an ihrem Schreibtisch auf und wirft Ihnen wütend einen Akten-Vorgang vor die Nase:
"Ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, dass wir das bis 11:00 Uhr erledigt haben müssen. Bist Du eigentlich bescheuert?“
Unser Kampfgehirn wird nun für uns typische Gegenattacken anbieten. Beispielsweise würden wir antworten:
„Was soll das denn jetzt? Du bist wohl SELBST bescheuert!“
Insbesondere, wenn wir tatsächlich einen Fehler begangen haben könnten, wird sich der hier von dem Kollegen begonnene Machtkampf weiter entwickeln, mit einem erneuten Angriff:
"Wer hat denn hier bitte den Mist gemacht, sei du mal jetzt ganz still! Und mach den Kram sofort zu Ende!"
Und kurzerhand hat sich für den Kollegen eine günstige Gelegenheit entwickelt, wütend "als Gewinner" aus dem Zimmer zu stampfen. Auch wenn sich in Ihrem realen Umfeld genau diese Konfrontation noch nicht zugetragen hat, werden Sie Wut und die Hilflosigkeit nachempfinden können, die sich schon mit dem ersten Satz entzündet. Und die sich jetzt, wo das Gegenüber den Raum wieder verlassen hat, noch stärker in uns aufbaut.
Versuchen Sie im Folgenden eine Ich-Botschaft als Schutz gegen die Attacke des Kollegen zu formulieren. Sie können hierzu nachfolgenden Beispielsätze ausprobieren:
Ein Kollege kommt zu Ihnen ins Büro gestürmt, baut sich recht nahe an ihrem Schreibtisch auf und schmeißt Ihnen einen Akten-Vorgang vor die Nase:
Ich-Botschaft:
„Ich möchte freundlich behandelt werden!“
Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der Kollege jetzt erneut so attackiert. Aber selbst in diesem Fall......:
"Wer hat denn hier bitte den Mist gemacht, Du bist jetzt bitte mal ganz still! Und mach mal den Kram sofort zu Ende!"
- findet sich eine abschließende Ich-Botschaft, die das Ziel hat, die Situation für mich sicher zu beenden:
„Ich habe hierzu alles gesagt, für mich ist das Gespräch beendet!"
Es liegt einzig und alleine an mir, diesen aggressiven Dialog genau an dieser Stelle zu beenden. Versuchen Sie sich diese Szene vorzustellen und sprechen Sie sie am besten laut nach. Dazu müssen Sie nicht die aggressiven Botschaften des Kollegen vortragen. Wenn sich jemand für ein solches Rollenspiel zur Verfügung stellt, umso besser. Sehr wirksam ist es, sich die Szene vorstellen und, bevor ich auf die Aggression antworte, ein kleines Zeitfenster zu öffnen.
Ich erlaube mir einen kleinen Moment zur Distanzierung, indem ich aufstehe. So gelingt es mir, auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers umzuschalten (Siehe hierzu die Schilderung meines Parkplatzunfalls), etwa durch die bewusste Wahrnehmung von Körpergewicht und Atmung. Dies ist die einfachste Form der Distanzierung in einem Machtkampf. Ich entziehe hierüber bereits der Attacke Wirkung und Macht, weil ich nicht mehr sofort auf die Attacke des Gegenübers reagiere, sondern Kontakt mit mir selbst herstelle.
Ich trete aus den drei biologisch vorgegebenen Verhaltensmustern:
1. Flucht
2. Unterwerfung und
3. Attacke
heraus.
Jemand, der mich nicht zu einer dieser drei Reaktionen veranlassen kann, hat auch keine Macht über mich. Das Wirksame ist hierbei, dass ich mir durch das Aufstehen die Besinnung auf mein Körpergewicht, meine Atmung und den daraus folgenden Zugriff auf eine Ich-Botschaft die Vergewisserung gestatte. Dass ich gar nicht in diesen Machtkampf einzutreten brauche. Ich erlebe, dass nichts passiert, wenn ich nicht sofort handle. Und ein in den meisten Situationen funktionierender Standardsatz ist:
„Ich möchte freundlich behandelt werden!"
Ich wähle hierbei nicht die drei oben beschriebenen Optionen, sondern nutze eine vierte:
Ich bleibe
Ich stehe (am Gartenzaun) und stelle Kontakt zu mir selbst her
Ich beschreibe mich selbst und
Ich hake nicht in die aufgezwungene Handlung meines Gegenübers ein
Ich befreie meinen Garten von Unerwünschtem
Bei chronisch verstrickten Konflikten wird dies nie sofort gelingen und auch die Effekte auf mein Gegenüber werden nicht unmittelbar sichtbar werden. Das Ziel der Übung ist, den Zugang zu der notwendigen eigenen Haltung zu trainieren und zu kultivieren. Die Auswirkungen auf mein Gegenüber werden unterschiedlich lange auf sich warten lassen. Diese sind technisch gesehen sogar Nebeneffekte der Arbeit an mir selbst, auch wenn mir diese Nebeneffekte zukünftig immer nützlicher werden. Das Entscheidende spielt sich jedoch in mir ab. Ich bringe das Gehirn meines Gegenübers unter Druck, weil ich die Trennung, auch von einer aggressiven Verstrickung wie im vorliegenden Fall, annehmen. Die meisten Rudeltiere mögen keine Trennung, sie macht ihnen Angst. Zumal, wenn sich das trennende Gegenüber nicht in die Flucht schlagen lässt, sondern nur eine emotionale Trennung herstellt und trotzdem eine deutlich abgekühlte Präsenz zeigt. Das kann ich auch nicht schauspielern, sondern muss diesen auch für mich selbst unangenehmen Moment emotional akzeptieren. In dem Film „Der Pferdeflüsterer“ wird dieses Heraustreten Robert Redfords aus einem Machtkampf mit einem Pferd nachvollziehbar. In dem Machtkampf zwischen zwei Säugetieren steigt der Pferdeflüsterer aus, er verfolgt das flüchtige Pferd nicht weiter, sondern zieht sich zurück und lässt es allein. Hierüber kommt es später zur Rückkehr und Wiederannäherung des Pferdes, weil es sich als Herdentier alleingelassen fühlt. Genau das Phänomen kann ich in jeder beliebigen sozialen Umgebung wiedererleben, wenn ich mich, aktiv und selbst gewählt, für die dazu gehörige Portion Trennungsangst entscheide. Die nächste Szene ist die bereits geschilderte Teambesprechung in einem großen Versicherungsunternehmen. Die bereits eingeführte Frau Schneider erlebt dort kontinuierlich entwertende Kommentare eines Vorgesetzten. Als für sie typisches Beispiel beschreibt Frau Schneider die Sequenz, in der ihr Vorgesetzter eine Konferenz mit den Worten einleitet:
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