nicht tief genug begraben wird (636); wenn man die
Leichen beraubt oder mit den Gebeinen Begrabener
Spott und Unfug treibt. Pflückt man von einem Grabe
eine Blume ab, so spukt es dort, wo die Blume
schließlich hingeworfen wird.
a.
Eine Verstorbene, der man aus Sparsamkeit nur einen
Aermel in das Totenhemd genäht hatte, ging allnächtlich
wieder, weil ihr nicht ihr Recht geschehen war.
Endlich reichte man einen Hemdärmel hin. Sie nahm
ihn an und verschwand auf immer (Hammelwarden).
– Eine Frau hatte bestimmt, sie wolle in dem
Hemde, das sie während der Krankheit getragen, begraben
werde. Die Verwandten kamen dem Wunsche
nicht nach. Seitdem ist die Verstorbene in jeder Nacht
zwischen 12 und 1 Uhr gekommen und hat sich weinend
vor den Leinenkoffer hingestellt. Schließlich
haben die Hausleute das Hemd, das die Frau als
Kranke getragen, auf den Koffer gelegt. Als in der folgenden
Nacht die weiße Gestalt wieder erscheint und
das Hemd sieht, hat sie es an sich genommen, gelacht,
und ist davongegangen und nie wieder gekommen
(Zwischenahn).
b.
Einst ging ein Verstorbener wieder und kam immer
näher, zuletzt so nahe, daß er sich auf die Eimer setzte,
woraus das Vieh trank. Da holte man katholische
Geistliche, um den Spuk zu bannen, aber sie richteten
nichts aus, bis endlich ein ganz junger Pastor kam.
Als der Geist wieder erschien, nahm der Pastor eine
Bibel unter den Arm, zog mit einem Stocke einen
Kreis auf dem Fußboden und sprach: »Bis hierher und
nicht weiter!« und der Geist stand still. Der Pastor
fragte: »Was willst du?« Der Geist erwiderte: »Sie
haben mir versprochen, mir das Leichentuch mitzugeben,
und haben es nicht getan.« Der Pastor ließ sich
das Leichentuch bringen und hielt es dem Geiste hin.
Dieser faßte es am Zipfel, der Zipfel riß ab, und der
Geist verschwand, ist auch nicht wiedergekommen.
Das Tuch ohne den Zipfel wurde noch lange aufbewahrt,
aber es war nicht möglich, einen Zipfel wieder
daran zu nähen, weil er stets sofort wieder abfiel.
(Westerstede.)
c.
Eine arme Frau zu Harrien bei Brake vertraute auf
ihrem Sterbebette einer andern Frau, daß in ihrem
Bettstroh fünfzehn Taler verborgen seien, wofür sie
anständig beerdigt werden wolle. Die Frau versprach
zwar, für die Beerdigung sorgen und das Geld dazu
verwenden zu wollen, aber nachdem die Kranke verstorben
war, nahm sie das Geld und behielt es für
sich. So wurde denn die Verstorbene von Armen
wegen in einem platten Sarge begraben. Seitdem erschien
sie allnächtlich wieder und sah nach dem
Gelde im Bettstroh, bis sie endlich von einem Pater
auf den Harrier Sand gebannt sein soll.
d.
In einem Dorfe unweit Hage in Ostfriesland verstarb
einst eine alte Frau, welche auf ihrem Sterbebette den
dringenden Wunsch ausgesprochen hatte, man möge
bei ihrem Grabe ein Kreuz eingraben. Die Angehörigen
hatten versprochen, den Wunsch zu erfüllen, aber
es verging ein Tag nach dem andern, ohne daß sie
dazu kamen. Da erschien der Geist der Verstorbenen
und bald fast jeden Abend und beunruhigte die Hinterbliebenen.
Endlich faßte die Tochter Mut und redete
eines Abends den Geist an: »Was ist dein Begehr,
daß du uns jeden abend in unsrer Ruhe störst?« Da
antwortete der Geist: »Nicht ich störe euch, sondern
ihr beraubt mich meiner süßen Grabesruhe, indem ihr
euer Versprechen nicht erfüllt und zögert, ein Kreuz
auf mein Grab zu setzen!« Nun beeilten sich die Angehörigen,
das Kreuz herzurichten, und seitdem ist
der Geist nicht wieder erschienen.
e.
Ein Mann hatte bestimmt, daß aus einem von ihm
ausgewählten Eichbaum seines Gehölzes nach seinem
Tode sein Sarg angefertigt werde. Es kam aber nicht
dazu, der Baum blieb stehen, sei es, weil man auf den
Wunsch des Verstorbenen nichts gab oder weil der
Wunsch in Vergessenheit geraten war. Seitdem hatte
der Mann keine Ruhe im Grabe. Des Abends stieß er
die obere Haustür offen und zur selben Zeit hörte man
im Gehölz, wo der Eichbaum stand, ein Klopfen, als
wenn Holz geschlagen werde. Später ließ der Erbe
das Gehölz abschlagen, damit hörte das Klopfen auf.
Die Haustür flog noch eine zeitlang offen, dann hörte
auch dies auf. (Zwischenahn.)
f.
Eines Pastoren Frau wurde sehr krank an einem
Beine, und alle ärztliche Hilfe war vergebens. Da ließ
der Pastor einen Wunderdoktor kommen und gab diesem
die Frau in Behandlung. Dieser erklärte, die Frau
könne wohl gesund werden, aber dann müsse ihr das
Bein abgenommen und dafür ein goldenes angesetzt
werden. Der Pastor ließ schnell ein goldenes Bein machen
und der Wunderdoktor setzte es an die Stelle des
kranken. Nun wurde die Frau gesund. Nach längerer
Zeit jedoch wurde die Frau abermals krank und starb,
und als sie begraben wurde, legte ihr der Pastor das
goldene Bein mit in den Sarg. Die Magd aber, die das
goldene Bein bei Lebzeiten oft gesehen und nun auch
gesehen hatte, daß es mit in das Grab gekommen war,
ging des Abends heimlich zum Grabe und holte das
Bein wieder heraus, nahm es mit nach Hause und verschloß
es in ihre Kiste. Als sie am nächsten Abend
sich auskleidete, hörte sie vor ihrem Kammerfenster
eine Stimme, die rief: »Min golden Been, min golden
Been!« Die Magd fürchtete sich und ging schnell zu
Bette. Am andern Morgen erzählte sie dem Pastoren,
was sie gehört, sagte aber nicht, daß sie das goldene
Bein genommen habe. Der Pastor antwortete: »Wenn
du die Stimme wieder hörst, so frage: Wär hett din
golden Been?« Als nun am Abend die Stimme wieder
rief: »Min golden Been, min golden Been!« fragte die
Magd: »Wär hett din golden Been?« Da rief die Stimme:
»Du hest min golden Been!« Die Fenster wurden
zertrümmert, eine weiße Gestalt stand vor der Magd
und gab ihr einen Schlag, daß sie tot zu Boden sank,
dann nahm der Geist das goldene Bein aus der Kiste
und verschwand. (Jeverld.)
g.
Aus der Begräbniskapelle zu Oldenburg waren einst
mehrere wertvolle Sachen gestohlen, daher stellte man
nachts Schildwachen dort auf. Es war ein schlechter
Posten, und mancher Soldat hat ihn verlaufen, weil er
die vorspukenden Leichenzüge und andere Spukereien
nicht hat sehen mögen. Einmal erscheint dem Posten
auch eine weiße Gestalt und winkt ihn heran. Der Soldat
flieht und macht dem Offizier der Wache Anzeige.
Der kommt sofort und sieht auch die weiße Gestalt,
geht aber nicht hin. Andern Tags liegt auf der Stelle,
wo der Geist gestanden, ein goldener Ring, einer der
gestohlenen Ringe.
h.
»Einmal hatte ich die Leiche einer Frau anzukleiden.
Die Verstorbene trug an der Hand zwei Ringe, und
eine Verwandte, welche die Sachen im Hause besorgte,
gab mir auf, die Ringe herunterzuziehen. Die
Ringe saßen aber sehr fest, und ich mußte mich ordentlich
dabei abquälen, bis ich endlich nach vielem
Ziehen die Ringe von den Fingern herabkrigte. In den
folgenden Nächten aber verspürte ich in meinen eigenen
Fingern ein Ziehen und Strecken, das sehr
schmerzhaft war, und ich hatte eine Empfindung, als
wenn eine kalte Totenhand sich an meine Hand lege.
Das kam mehrere Nächte wieder, sodaß ich zuletzt
ganz krank davon wurde. Endlich ging ich zu jener
Verwandten und klagte ihr meine Not, und sie war so
Читать дальше