Matthäus und Lukas hielten sich an das Markusevangelium, wobei sie es aus einer nicht mehr erhaltenen sogenannten „Logienquelle“ mit Aussprüchen und Gleichnissen Jesu ergänzten. Da diese drei Schriften im Wesentlichen ähnlich aufgebaut sind, werden sie auch als synoptische Evangelien (Zusammenschau) bezeichnet.
Das Johannesevangelium, das jüngste der vier, ist demgegenüber sehr eigenständig, sowohl was den Handlungsablauf als auch Aussagen Jesu betrifft. In der Bibelwissenschaft ist man sich weitgehend einig, dass es nicht den historischen Jesus beschreibt. Vielmehr hat diese Schrift zum Ziel, die unter den damaligen Christen umstrittene Lehre der Gottessohnschaft Jesu zu verteidigen und zu verbreiten.
Adressaten der Evangelien waren für Markus vor allem Heidenchristen, für Matthäus vorrangig Judenchristen mit guter Kenntnis der jüdischen Schriften. Lukas wendete sich an gebildete Heidenchristen und der Johannesevangelist an Christen allgemein, deren Glaube an die Gottessohnschaft Jesu vertieft werden sollte.
Das Wort Evangelium bedeutete in der damaligen Zeit eine „gute Nachricht“ von Seiten eines Herrschers, beispielsweise des römischen Kaisers. Bei Markus heißt es daher gleich zu Beginn:
Nachdem aber Johannes überantwortet worden war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium vom Reiche Gottes … . 13
Die Naherwartung des Reiches Gottes, auch Parusie genannt (Gegenwärtigsein Gottes), ist die zentrale Botschaft der Evangelien. Die Klärung, was Jesus mit dieser Botschaft gemeint haben könnte, wird in diesem Buch noch einen breiten Raum einnehmen.
Apostelgeschichte
Sowohl das Lukasevangelium als auch die Apostelgeschichte sind nach allgemeiner Auffassung von Lukas verfasst. Die Entstehungszeit der Apostelgeschichte wird kurz nach dem Lukasevangelium, etwa um 80–90 n. Chr. datiert. Sie beginnt mit der Zeit nach Jesu Auferstehung und beschreibt das Leben der ersten Christen und die Taten der Apostel. Einen großen Raum nehmen hierbei die Bekehrung und Reisen des Paulus ein. Man nimmt heute aber nicht mehr wie früher, an, dass Lukas ein Begleiter des Paulus war, da zentrale Themen paulinischer Theologie fehlen und Einzelheiten dessen Missionstätigkeit ungenau oder falsch wiedergegeben sind.
Apostelbriefe
Ursprünglich wurden von der Kirche 21 Apostelbriefe kanonisiert, d.h. als für die Gläubigen verbindliche Schriften in das Neue Testament aufgenommen. Davon wurden 14 Paulus zugeschrieben, jeweils einer den Brüdern Jesu, Jakobus und Judas sowie zwei dem Apostel Petrus und drei dem Johannes. Allerdings sind nach neuerer Forschung nur 7 Briefe des Paulus tatsächlich diesem zuzurechnen.
Die Urheberschaft der Übrigen ist weitgehend unbekannt und in der Bibelwissenschaft umstritten.
Die Paulusbriefe sind die ältesten Zeugnisse über Jesus. Sie sind wesentlich älter als die Evangelien und entstanden etwa ab dem Jahre 49, also 20 Jahre nach Jesu Kreuzigung.
Apokryphe Evangelien
Über diese von der Kirche kanonisierten Schriften hinaus gibt es noch weitere, die sogenannten Apokryphen, die als häretisch – von der offiziellen Kirchenlehre abweichend – angesehen wurden. Die Bezeichnung apokryph kommt aus dem Griechischen und bedeutet verborgen oder geheim. In der ersten Zeit des Christentums, vor Erstellung des Bibelkanons (um 400) standen viele dieser Schriften gleichberechtigt neben den Evangelien und Apostelbriefen. Sie wurden in den Gottesdiensten der christlichen Gemeinden gelesen, je nachdem welcher Glaubensrichtung die Gemeinde angehörte. Der Sieg der römisch-katholischen Sichtweise im vierten Jahrhundert unter Kaiser Konstantin – wie später im Kapitel Frühe Kirche beschrieben – vereinheitlichte die zuvor vorhandenen mannigfaltigen Glaubensrichtungen mit der Folge, dass abweichende, häretische Schriften verboten und vernichtet wurden.
Wie schon die Evangelien und Apostelbriefe wurden sie unter Benutzung des Namens eines Apostels verfasst – Pseudepigrafen genannt –, um Glaubensansichten einzelner christlicher Gruppierungen zu verbreiten und zu verteidigen.
Viele der über 100 Apokryphen sind nur bruchstückhaft erhalten und lange nach Abfassung der Evangelien entstanden. Normalerweise sind sie leicht als reine Legenden zu erkennen.
So wird zum Beispiel in einer Kindheitsgeschichte erzählt, Jesus hätte schon als Baby Drachen bezwungen, die ihm und seinen Eltern den Weg versperrten. Im Kindheitsevangelium nach Thomas protzt Jesus mit seinen magischen Kräften, indem er Spatzen aus Ton formt und zum Leben erweckt. In einem Wutanfall lässt er einen Jungen wie einen Baum verdorren, weil dieser ihn beim Spielen stört. Ein anderer Junge fällt tot um, als dieser ihn anrempelt. Bei den Leuten, die ihm daraufhin Vorwürfe machen, bewirkt er, dass sie erblinden. Mit der Zeit wird er jedoch humaner und heilt mehr, als er Schaden macht.
Insbesondere Schriften der Gnosis, eine eher mystische Bewegung, die die Erleuchtung und Erlösung im eigenen Inneren mittels eigenen Bemühens suchte, wurden unterdrückt. So fanden im Dezember 1945 ägyptische Bauern in der Nähe des Ortes Nag Hammadi einen vergrabenen großen Tonkrug. Er enthielt 13 Papyrus-Bände mit hauptsächlich gnostischen Texten. Ein Teil davon wurde von der Mutter des Bauern, der sie mit nachhause nahm, zum Anzünden des Ofens verwendet. Der größte Teil kam jedoch, nachdem die Bedeutung des Fundes erkannt worden war, in den Besitz des ägyptischen Staates.
Die meisten dieser Schriften waren bis dahin gar nicht oder nur fragmentarisch bekannt. Die bedeutendste darin ist das Thomasevangelium , eine Sammlung von Aussprüchen Jesu. Etwa die Hälfte dieser „Herrenworte“ wird auch in den drei synoptischen Evangelien wiedergegeben.
Dieses Evangelium, das nur Worte Jesu wiedergibt, lehrt, jeder Mensch könne durch eigene Bemühungen Erlösung erlangen. Im Gegensatz zum Johannesevangelium, das darauf besteht, dass dies nur durch den Glauben an Jesus Christus möglich sei.
Über den Zeitpunkt der Entstehung der Urversion gibt es verschiedene Ansichten. Es gibt aber gute Gründe, davon auszugehen, dass es eine Zusammenfassung verschiedener Spruchsammlungen ist, die schon kurz nach Jesu Tod entstanden ist, später jedoch noch redaktionell überarbeitet wurde. Es könnte den vier Evangelien teilweise als Vorlage gedient haben.
Weitere bemerkenswerte gnostische Apokryphen sind das etwa 160 n. Chr. geschriebene und 1896 entdeckte Evangelium der Maria (Magdalena), in dem diese als enge (spirituell) Vertraute Jesu geschildert wird.
Im 1976 wiederentdeckten Evangelium des Judas wird dieser als der beste Freund Jesu geschildert, den dieser beauftragt habe, ihn zu verraten um des Heiles willen. Es entstand etwa 160 n. Chr.
Die Pistis Sophia (Glaube und Weisheit) – entstanden im 2. oder 3. Jahrhundert – schildert, dass Jesus noch elf Jahre nach der Auferstehung auf Erden gewirkt und seine Jünger dabei die erste Stufe der Mysterien gelehrt habe.
Im Friedensevangelium der Essener , das vor über 60 Jahren in der Vatikanbibliothek entdeckt wurde, treibt Jesus den krankheitsverursachenden „Satan“ mit Fasten, Einläufen und vegetarischer Rohkost aus.
Es finden sich unter den Apokryphen, vor allem unter den gnostischen Texten, einzelne tief spirituelle, oft schwer verständliche Schriften. Sie öffnen den Blick auf das Denken und die Geschehnisse der damaligen Zeit und lassen Rückschlüsse auf die Evangelien zu, inwieweit diese historisch oder legendenhaft sind. Viele wurden damals von den Menschen als Geheimlehren angesehen, während sie uns heute eher wie verschrobene Ideen vorkommen.
Sonstige Zeugnisse über Jesus
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