1 ...8 9 10 12 13 14 ...28 Die jüdische Seite Jesu wurde zwar nicht getilgt, aber doch hintangestellt. Bis auf wenige Stellen wurde in den Evangelien ignoriert, dass er sich nur für das Volk Israel zuständig fühlte. Eine Gegnerschaft zu den Römern durfte nicht mehr zum Vorschein kommen. So entstand zum Beispiel die Geschichte im Matthäusevangelium, in der er den Knecht (Sklaven) des römischen Hauptmannes heilt. 20Hier wurden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Einmal wurde Jesus als Freund der Römer hingestellt; zum anderen waren viele Sklaven Anhänger der neuen Bewegung. Diesen wurde verdeutlicht, dass die Zuwendung Jesu auch ihnen galt.
Die Juden werden dagegen, vor allem bei Matthäus, sehr nachteilig geschildert wie zum Beispiel mit diesem unseligen Satz: Und alles Volk antwortete und sprach: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ 21
Wie können wir nun aus diesem Durcheinander von Darstellungen glaubhafter und unwahrscheinlicher Ereignisse, verschiedener Meinungen, antiker Mythen, Irrtümern, betrügerischer Schriften, Einfügungen und vorgetäuschter Autorenschaften die historische Gestalt Jesu und die Motive seines Handelns rekonstruieren?
Die Exegese benutzt für ihre Forschung fast ausschließlich die schriftlichen Überlieferungen der damaligen Zeit sowie auch archäologische Entdeckungen und zieht daraus ihre Schlüsse vor dem Hintergrund unseres heutigen, materialistischen, entmythologisierten Weltbildes.
Kann auf diese Weise die Persönlichkeit Jesu erklären?
Wenn es die übernatürlichen Ereignisse im Leben Jesu nicht gegeben hätte, wäre er dann nicht nur ein gescheiterter Weltverbesserer gewesen, wie ihn viele Exegeten sehen?
Ich denke, für die Erfassung der Person Jesu ist es unerlässlich, zu klären, ob die ihm zugeschriebenen Wundertaten, die Auferstehung, die Jungfrauengeburt grundsätzlich möglich und wahrscheinlich sind und was es mit der Gottessohnschaft auf sich hat.
Viele werden nun sagen: „Ich brauche das nicht, da ich glaube, was meine Kirche lehrt!" Aber die meisten Menschen geben sich mit einem solch blinden Glauben nicht mehr zufrieden.
Wir müssen also versuchen, möglichst viele nachprüfbare oder glaubhafte Fakten, auch aus jüngerer Zeit, hinzuzuziehen.
Dabei geht es nicht darum, ob die Schriften nun insgesamt mythisch oder historisch sind. Vielmehr ist jede Situation für sich zu beurteilen, da historische Wahrheit und Mythos miteinander vermengt sind.
Exegeten haben vor allen Dingen mit Wundern Jesu ihre Probleme. Atheistisch angehauchte wie zum Beispiel Augstein, schütteln über die in den Evangelien enthaltenen übernatürlichen Ereignisse nur verwundert den Kopf.
Ich werde also, zur Prüfung der Historizität verschiedener in den Evangelien geschilderter Ereignisse, nachprüfbare oder glaubhafte Parallelen aus dem Leben geistiger Meister aus anderen Zeitaltern und anderen Kulturen anführen, die die Möglichkeit von Taten oder Aussagen Jesu belegen oder widerlegen. Ich denke, nur so können wir diesen ewigen Kreislauf von einander widersprechender Lehrmeinungen der Exegeten durchbrechen und zu mehr Klarheit gelangen.
Ich kann hier aber auch nur Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten aufzeigen. Endgültige Sicherheit können wir auch von dieser Methode nicht erwarten, da zu vieles unter dem Schutt der Jahrhunderte begraben liegt.
In diesem Zusammenhang darf ich auf mein Buch: Quantenphysik und die Frage nach Gott,, hinweisen, in dem ich unter anderem die Gesetzmäßigkeit des Wunders dargelegt habe.
Geschichte des Judentums
Die Lehren Jesu wurzelten in den religiösen Anschauungen und den historischen Erfahrungen des Judentums. Bevor wir uns daher seiner Person zuwenden, ist es unerlässlich, die Geschichte seines Volkes näher zu betrachten. Nur in diesem Kontext können wir ihn verstehen. Zumal es ein außergewöhnlich eigenwilliges Volk ist, wie aus folgenden Texten zu ersehen ist.
Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott, Dich hat der HERR, dein Gott erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind . 1
Wache auf, wache auf! Zion, ziehe deine Stärke an! Lege deine Ehrenkleider an, Jerusalem, du heilige Stadt! Denn hinfort wird kein Unbeschnittener noch Unreiner mehr in dich hineinkommen. Schüttle den Staub von dir ab, stehe auf und setze dich, Jerusalem! Mache dich los von den Fesseln deines Halses, du gefangene Tochter Zion! Denn also spricht der HERR: Umsonst seid ihr verkauft worden, so sollt ihr auch ohne Geld erlöst werden. 2
Als nun solches alles ausgerichtet war, traten die Obersten zu mir und sprachen: Das Volk Israel und die Priester und Leviten hielten sich nicht abgesondert von den Völkern der Länder, trotz ihrer Gräuel, nämlich von den Kanaanitern, Hetitern, Pheresitern, Jebusitern, Ammonitern, Moabitern, Ägyptern und Amoritern. Denn sie haben deren Töchter genommen für sich und ihre Söhne und haben den heiligen Samen mit den Völkern der Länder vermischt; und die Hand der Obersten und Vornehmsten ist in dieser Missetat die erste gewesen. 3
Und Esra, der Priester, stand auf und sprach zu ihnen: Ihr habt euch versündigt und habt fremde Frauen heimgeführt, womit ihr die Schuld Israels noch größer machtet. So leget nun dem HERRN, dem Gott eurer Väter, ein Bekenntnis ab und tut, was ihm wohlgefällig ist, und scheidet euch von den Völkern des Landes und von den fremden Frauen! Da antwortete die ganze Gemeinde und sprach mit lauter Stimme: Es soll geschehen wie du uns gesagt hast ! 4
Was haben nun diese Texte des Alten Testamentes, die um 500 Jahre v. Chr. und früher niedergeschrieben wurden, mit der Situation Israels in der Zeit Jesu zu tun?
Das Selbstverständnis der Juden begründete sich auf diese Schriften und ist entscheidend für die Probleme die sie mit den Römern bzw. die Römer mit ihnen hatten.
Sie verstanden sich als auserwähltes, kultisch reines Volk Gottes. Jeder Kontakt mit Angehörigen eines anderen Volkes war für sie eine Verunreinigung. Sie aßen niemals zusammen mit einem Nichtjuden, ja, sie betraten nicht einmal sein Haus. Schon das Betreten ihres Staatsgebietes – der von JHWH geheilige Boden Israels – durch Angehörige anderer Völker war ihnen unerträglich.
„Das gesamte Judentum … war besessen von Fragen der ,Reinheit‘. Heiligkeit wurde verstanden als ,Trennung von allem Unreinen‘, und das System der ,Politik der Heiligkeit‘ setzte Heiligkeit mit Reinheit gleich. Es schuf ein Reinheitssystem, durch das ein Spektrum an Menschen entstand, das sich von den ,Reinen‘ über verschiedene Ausprägungen von ,Reinheit‘, bis hin zu den Menschen in den äußeren Randbereichen der Gesellschaft erstreckte, die von Grund auf und unwiderruflich unrein waren. Zu den Gerechten gehörten diejenigen, die das Reinheitssystem befolgten, und ,Sünder‘ waren diejenigen, die es nicht taten. Bestimmte Berufe – wie Steuereintreiber und Schafhirten – waren automatisch unrein. ,Sünde‘ war nicht mehr eine Frage des inneren Gewissens, sondern eine Frage von ,Unreinheit‘ und somit von ,Unberührbarkeit‘. Die körperlich Unversehrten waren ,rein‘, die Verstümmelten, chronisch Kranken und Leprakranken waren es nicht. Reich zu sein bedeutete nicht automatisch, auch ,rein‘ zu sein, durch bittere Armut aber wurde man fast unweigerlich ,unrein‘. Dies war zum Teil darauf zurückzuführen, dass man glaubte, Reichtum sei ein Zeichen göttlichen Segens, zum Teil aber auch darauf, dass die bitter armen Menschen keine Möglichkeit hatten, die Reinheitsgesetze zu befolgen. Weder waren Männer automatisch rein, noch waren Frauen automatisch unrein, aber … sowohl die Menstruation als auch die Geburt (wurden) als Quellen von Unreinheit betrachtet und führten wie in vielen anderen Kulturen des Altertums auch, zu der allgemeinen Überzeugung, dass Frauen ,unrein‘ seien. Jüdisch zu sein war keine Garantie für Reinheit, jedoch waren per Definition alle Nichtjuden unrein." 5
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