Für das Volk Israel waren die Vorschriften über die kultische Reinheit, die sich aus den Schriften ergaben, Gebote JHWH's. Und sie waren sein Auserwähltes Volk.
Wie wir schon gesehen haben, war es nicht Gott, der diese Texte eingegeben hatte, sondern sie waren von der Priesterschaft niedergeschrieben, um den Kult um JHWH vor der Konkurrenz durch andere Götter zu schützen und einer Überfremdung durch Vermischung mit angrenzenden Völkern vorzubeugen.
So wie Gott die Sonne scheinen lässt über Gerechte und Ungerechte , so bevorzugt oder benachteiligt er auch niemanden. Daher gibt es auch kein von ihm „Auserwähltes Volk“.
Aber für das Volk Israel war diese Vorstellung und die Gebote JHWH' s Teil ihrer Identität. Daran gab es nicht zu rütteln. Und jetzt, unter römischer Herrschaft, mussten sie in ihrem Land Heiden aus allen Regionen des römischen Reiches dulden: Griechen, Römer, Gallier, Ägypter und noch viele andere. Die Eingliederung in die imperiale Gemeinschaft Roms bedeutete in den Augen der Juden Erniedrigung und eine Bedrohung ihrer Exklusivität.
Andere Völker dagegen schätzten die Vorteile der Pax Romana , den Frieden im Inneren des Reiches, der Stabilität, Sicherheit und Wohlstand mit sich brachte. Das kulturelle und wirtschaftliche Leben blühte, da die einzelnen Provinzen weitgehend von äußeren Feinden durch das römische Heer geschützt waren. Viele Städte besaßen sogar keine Mauern mehr.
Für die Juden war dies jedoch keine Option. Für sie waren die Römer unrein und sie nannten sie – da sie zu alledem noch Schweinefleisch aßen – Schweine .
Im Buch Josua ist geschildert wie dieser bei der Landnahme (etwa 1500-1200 v. Chr.) mit seinem Heer die Städte der ansässigen Völker eine nach der anderen einnimmt und jedes Mal die ansässige Bevölkerung inklusive der Tiere ausrottet:
Also schlug Josua das ganze Land auf dem Gebirge und gegen den Süden und in den Tälern und an den Abhängen, samt allen ihren Königen, und ließ nicht einen übrigbleiben und vollstreckte den Bann an allem, was Odem hatte wie der HERR, der Gott Israels, geboten hatte. 6
Diese Vorgehensweise befahl JHWH bereits im 5. Buch Mose:
Aber in den Städten dieser Völker, die der HERR, dein Gott, dir zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat, sondern du sollst an ihnen den Bann vollstrecken, nämlich an den Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Pheresitern, Hevitern und Jebusitern; wie der HERR, dein Gott, dir geboten hat. 7
Was hätte Josua wohl mit diesen „römischen Schweinen“ gemacht?
Sie aber waren machtlos gegenüber deren Herrschaft und ihren Günstlingen, zu denen auch die Tempelpriesterschaft gehörte. Wut und Hass, geboren aus dieser Diskrepanz, wie Israel nach dem Willen JHWH's sein sollte und wie es tatsächlich war, sorgten für ein ständiges Rumoren im Volk. Die herrschende Schicht war ständig bemüht, jeden Ansatz eines Aufstandes – oft mit brutaler Gewalt – in Keim zu ersticken.
Waren die Israeliten bei der Sesshaftwerdung im Land Kanaan zwischen 1500 und 1200 v. Chr. wirklich so außergewöhnlich brutal und blutrünstig vorgegangen wie bei Josua oder Mose geschrieben steht?
Die Historiker und Archäologen sind eher der Meinung, dass sie große Aufschneider waren. Die Berichte über die angeblichen Kriegszüge wurden erst Jahrhunderte später niedergeschrieben. Hierbei wurden sie religiös verbrämt. Siege wurden völlig übertrieben dargestellt. Man denke an den Fall der Stadtmauer von Jericho, verursacht durch das Umkreisen mittels der Bundeslade und einer Blaskapelle – sieben Tage lang. 8
Trotz der Ausführlichkeit mit der dies erzählt wird, konnte die Archäologie keine Anzeichen für eine Stadtmauer finden. Auch war die Stadt zu dieser Zeit verfallen und nicht besiedelt. Hier wurde offensichtlich eine Sage über eine frühere Eroberung der Stadt durch ein anderes Volk aktualisiert und in die eigene Geschichte integriert.
Man sprach stereotypisch von der totalen Vernichtung des Gegners, verschwieg Niederlagen oder deutete sie in Siege um. Manche Siege wurden wiederholt erzählt und jeweils anderen Feldherren zugerechnet.
Die Hebräer waren vor der Zeit der Sesshaftwertung ein schlecht organisierter Haufen nomadischer Stämme. Es ist kaum vorstellbar, dass sie gut gerüstete und befestigte Städte militärisch einnehmen konnten.
Die Besiedlung Kanaans ging vielmehr nach und nach vor sich, wobei es sicher auch hin und wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit der ansässigen Bevölkerung kam, anfangs jedoch vor allem zur Vermischung mit dieser.
Tatsächlich musste sich das jüdische Volk schon Jahrhunderte vor der Römerzeit viel öfter ausländischer Herrschaft beugen, als den eigenen Königen. Sein Siedlungsgebiet lag an strategisch wichtiger Stelle für die Großmächte. So machten die Babylonier im Jahre 597 v. Chr. Jerusalem dem Erdboden gleich und führten die Bevölkerung in die Gefangenschaft. Nachdem die Perser die Babylonier geschlagen hatten, erlaubten sie die Rückkehr der Verbannten, jedoch unter persischer Oberhoheit. Durch Alexander den Großen, der die Perser besiegte, kamen sie unter die Herrschaft der Griechen und in Berührung mit deren Kultur. Nach Alexanders Tod im Jahre 323 v. Chr. wurden sie Kriegsbeute der Ptolemäer und von Ägypten aus regiert. Diese wiederum mussten 198 v. Chr. den Seleukiden weichen.
Deren König Antiochos Epiphanes machte jedoch einen entscheidenden Fehler. Um seine Herrschaft in Jerusalem zu stabilisieren, verbot Antiochos den religiösen Kult der Juden und ließ den Tempel zu einer Kultstätte des Zeus umweihen. Damit traf er jedoch das religiöse Selbstverständnis Israels mitten ins Herz. Der Götzendienst anderer Völker war ihnen ein Gräuel. Dass sie nun anstelle ihres Gottes JHWH Götzen anbeten sollten, war für sie so unerträglich, dass dies 166 v. Chr. zu einen gnadenlosen Guerillakrieg unter dem Hasmonäer Mattatias führte – auch Aufstand der Makkabäer nach Judas Makkabäus genannt. Sie erreichten hierbei tatsächlich die Unabhängigkeit und zum ersten Mal seit vier Jahrhunderten wieder eine jüdische Vorherrschaft über die Provinzen Judäa, Galiläa und Samarien.
Die hasmonäischen Könige – auch Makkabäer genannt – waren gleichzeitig Herrscher und Hohepriester. Sie begründeten ein streng religiös orientiertes System des Priesterkönigtums. Dies bescherte Israel eine mehr als ein Jahrhundert währende Zeit weitgehender Eigenständigkeit.
All dies endete im Jahre 63 v. Chr. durch Egoismus und Dummheit der Herrschenden. Im Jahre 67 v. Chr. sollte Johannes Hyrkanos König werden. Jedoch kam es zum Streit mit seinem jüngeren Bruder Aristobul ,weil dieser ebenfalls den Thron für sich beanspruchte.
Der daraufhin ausbrechende Bürgerkrieg sah mal den einen und mal den anderen als Sieger, bis schließlich beide Parteien Rom um Hilfe anriefen. Dessen Feldherr Pompeius entschied sich zu Gunsten Hyrkanos, und da er ohnehin mit seinem Heer in der Nähe war, ließ er sich nicht lange bitten und beendete den Bürgerkrieg mit der Einnahme Jerusalems, wobei 12.000 Einwohner ums Leben gekommen sein sollen.
Hyrkanos wurde als Hoherpriester und Ethnarch (etwa der Rang eines Fürsten)in Judäa eingesetzt. Judäa war damit Rom tributpflichtig geworden. Aristobul, der gefangen nach Rom gebracht worden war, konnte nach einiger Zeit fliehen und entfachte in Judäa einen Aufstand, der von den Römern blutig niedergeschlagen wurde. Wiederum wurde er nach Rom gebracht und dort im Jahre 49 v. Chr. vergiftet.
Als aber Antigonus, ein Sohn des getöteten Aristobul., sich mit den Parthern (ein antikes Volk, das am Kaspischen Meer beheimatet war) verbündete, geriet nun Hyrkanos im Jahre 40 v. Chr. in dessen Gefangenschaft. Da nur ein körperlich Unversehrter für das Amt des Hohenpriesters in Frage kam, wurde Hyrkanos durch das Abschneiden seiner Ohren hierfür untauglich gemacht und nach Mesopotamien verschleppt.
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