Antigonus regierte danach als Priesterkönig bis ein Mann ins Spiel kam, der auch im Evangelium des Matthäus eine unrühmliche Rolle spielt – zugleich klug und gerissen, fürsorglich und gewissenlos, führungsstark und brutal.
Herodes der Große
Er entstammte einer einflussreichen idumäischen Familie. Die Idumäer hatten zwar einige Jahrzehnte zuvor die jüdische Religion angenommen, wurden aber von den Juden nicht als ihresgleichen angesehen. So blieb auch Herodes in Judäa zeitlebens ein Außenseiter.
Bereits im Jahre 41 v. Chr. war er von den Römern zum König von Judäa ernannt worden, musste sich den Thron aber erst erkämpfen, indem er in einem dreijährigen Krieg Antigonus und die Parther mithilfe der Römer besiegte. Antigonus wurde danach hingerichtet.
37 v. Chr. bis zu seinem Tode im Jahre 4 v. Chr. war er König von Judäa und erhielt nach und nach Samaria, Galiläa und angrenzende Gebiete dazu.
Herodes beherrschte meisterhaft den Balanceakt, sich in einem Gewirr von gegensätzlichen Interessen, Hass und Intrigen an der Macht zu halten. Josephus Flavius, der jüdische Geschichtsschreiber, schildert ausführlich wie er einerseits in einer Dürreperiode Kunstgegenstände seines Palastes einschmelzen ließ, um mit dem Gold in Ägypten Getreide für seine Untertanen zu kaufen oder ein anderes Mal in einer Hungersnot die Steuern herabsetzte. Das machte ihn zeitweise im Volk sogar beliebt.
Da er jedoch darauf angewiesen war, sich mit den Römern gut zu stellen, hielt dies jedoch nicht lange an. Er lieferte diesen oft mehr Tributzahlungen als gefordert und war auch mit einigen Herrschern, Heerführern und sogar dem römischen Kaiser befreundet. Um Unruhen im Volke frühzeitig zu erkennen, baute er eine Geheimpolizei auf und beseitigte jeden, der sich seiner Herrschaft in den Weg stellte.
So ließ er die noch lebenden Mitglieder des Hasmonäerhauses ermorden und ersetzte sie durch eigene Günstlinge.
Nachdem er den Enkel des Hyrkanos, den beim Volk beliebten 17-jährigen Aristobul III, auf Drängen der Römer zum Hohenpriester ernannt hatte, ließ er ihn 36 v. Chr. beim Baden ertränken. Vier Jahre später fiel auch Hyrkanos selbst seiner Mordlust zum Opfer. Diese machte auch vor seiner eigenen Familie nicht halt. So ließ er im Laufe seiner Regierungszeit Mariamne, seine zweite von wahrscheinlich sieben Frauen, deren Mutter Alexandra, seinen Schwager Kostobaros sowie seine Söhne Alexandros, Aristobolos und Antipatros wegen angeblicher Verschwörung hinrichten.
Josephus beschreibt wie seine Mutter und seine Schwester, die Mariamne hassten, gegen diese intrigierten, mit dem Ziel, den König glauben zu machen, diese hätte ihn mit einem Liebestrank vergiften wollen. Da er Mariamne sehr liebte, zögerte er mit einer Verurteilung. Angeblich hätte sie sich aber gegen ihn sehr hochmütig und abweisend verhalten, so dass er sie schließlich in einem Gerichtsverfahren zum Tode verurteilen ließ. Hernach habe er sehr um sie getrauert.
Nebenbei wurde in dieser Angelegenheit noch deren Eunuch gefoltert und der ihm treu ergebene Soemus als angeblichen Nebenbuhler hingerichtet.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine kleine Geschichte, die Josephus erwähnt. Ein gewisser Manaem aus der Sekte der Essener sagte Herodes, als dieser noch ein einfacher, kleiner Junge war, voraus, dass er einstmals König der Juden werden würde.
„Du wirst in der Tat König werden und, weil dich Gott dessen für würdig hält, eine glückliche Regierung führen. Erinnere dich… dass alles Glück wandelbar ist. Denn eine solche Erwägung wird dir zu großem Nutzen gereichen, wenn du Gerechtigkeit und Frömmigkeit liebst und dich gegen deine Untertanen mild erweisest. Ich aber… weiß bestimmt, dass du so nicht sein wirst. Denn du wirst wohl… ein glückliches Leben führen und dir ewigen Ruhm erwerben, Frömmigkeit und Gerechtigkeit aber wirst Du vergessen. Allein Gott dem Herrn wird dies nicht verborgen bleiben, und er wird dich am Ende deines Lebens dafür bestrafen."
Als Herodes dann tatsächlich König wurde, ließ er den Manaem rufen und fragte ihn, wie lange er noch regieren werde. Als dieser ihm sagte, dass er noch 20–30 Jahre vor sich hätte, war er damit zufrieden, entließ Manaem und hielt von der Zeit an alle Essener in Ehren. 9Die letzten Jahre seines Lebens war Herodes sehr krank – er hatte hochgradige Gelbsucht – und als er im Jahre 4 v. Chr. seinen Tod herannahen fühlte, war er Realist genug um zu wissen, dass sein Tod vom Volk mit Erleichterung und Jubel aufgenommen werden würde. Einfallsreich wie er war, ersann er ein Szenario, wie er das Volk nach seinem Tode dazu bringen könnte, zu trauern. Er befahl die Vornehmen des ganzen Volkes zu sich und ließ sie im Amphitheater einsperren. Josephus schreibt hierzu: „Er (Herodes) kenne ja die Gesinnung der Juden recht wohl und wisse, dass sie sich über nichts so sehr freuen würden, als über seinen Tod, da sie sich schon bei seinen Lebzeiten sich gegen ihn empört… hätten. Es werde also Pflicht der Salome (seine Schwester, der Autor) und ihres Gatten sein, diesem Übelstand abzuhelfen. Wenn sie seiner Meinung beipflichteten, müssten sie ihm ein glänzendes Leichenbegräbnis veranstalten wie es noch nie einen König zuteil geworden sei, und das ganze Volk werde dann aufrichtig um ihn trauern, während es ihn sonst nur mit Spott und Hohn beklagen werde. Sobald Sie daher wahrnähmen, dass er seinen Geist aufgegeben habe, sollten Sie die Rennbahn von Soldaten umzingeln lassen, … und dann alle eingeschlossenen Juden mit Pfeilen erschießen lassen. Durch eine solche Tat würden sie ihm eine doppelte Freude bereiten, indem sie … eine seiner würdigen Totenklage zustande brächten.“ 10
Allerdings hatten seine Schwester und sein Schwager Verstand genug, diesen Plan nicht in die Tat umzusetzen. Herodes bekam zwar ein monumentales Begräbnis, die im Amphitheater Eingeschlossenen wurden jedoch unversehrt freigelassen.
Der herodianische Tempel
Herodes war auch ein genialer Organisator. Er rief ein monumentales Bauprogramm ins Leben. Überall ließ er nach griechischem Vorbild Märkte, Theater, Paläste und Häfen errichten, was ihm bei seinen jüdischen Untertanen wiederum verhasst machte, da sie diese ausländische Kultur ablehnten oder als Götzendienst verachteten.
Mit seinem größten Projekt wollte er jedoch nicht nur seine Gönner, die Römer beeindrucken, sondern sich vor allem die Liebe des Volkes erwerben. Er ließ den eher bescheidenen Tempel in Jerusalem, der nach der Zerstörung des Salomonischen Tempels im Jahre 597 v. Chr. durch die Babylonier, errichtet worden war, abtragen und auf dem höchsten Punkt der Stadt einen monumentalen Bau im griechischen Stil errichten. Dieser erstreckte sich über 15 % der gesamten Fläche Jerusalems und galt als eines der Wunderwerke der antiken Welt.
Lassen wir die Beschreibung des Josephus Flavius auf uns wirken:
„Das Äußere des Tempels wies alles auf, was Herz und Augen staunen lässt. Denn über und über war der Tempel mit dicken Goldplatten umhüllt, und wenn die Sonne aufging, dann gab er einen Glanz wie Feuer von sich, so dass der Beschauer, auch wenn er absichtlich hinsah, sein Auge wie vor den Strahlen der Sonne abwandte. Tatsächlich hatten die Fremden, die sich Jerusalem näherten, den Eindruck eines Schneegipfels; denn wo er des Goldes entbehrte, da war er leuchtend weiß." 11
Herodes sah den Tempel, an dem die Massen zusammenströmten, aber auch als potenziellen Ausbruchsherd von Revolten. Zur Bewachung des Areals verstärkte er daher die im Norden an den Tempelbezirk grenzende Burg Antonia. Deren Festungstürme überragten die Mauern des Tempelbezirks als steinerne Mahnung.
Wieso war für die Juden dieser zentrale Tempel in Jerusalem so wichtig?
Dies ist dem 5. Buch Mose, auch Deuteronomium genannt, zu entnehmen. Dort ist festgelegt, dass JHWH nur an einem zentralen Ort geopfert werden darf: „Wenn nun der HERR, euer Gott, einen Ort erwählt, dass sein Name daselbst wohne, so sollt ihr dorthin bringen alles, was ich euch gebiete: Eure Brandopfer und eure Schlachtopfer, eure Zehnten, eurer Hände Hebopfer und alle eure auserlesenen Gelübde, die ihr dem HERRN geloben werdet,
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