Über einem weißen Leinengewand trug er ein ärmelloses, hyazintblaues Obergewand. An dessen unterem Saum hingen ringsum abwechselnd goldene Glöckchen und Granatäpfel. Sein Ephod, eine Art Schürze, war eine kostbare Stickarbeit aus feinem Leinen, purpurrot gefärbter Wolle und Goldfäden. Das prachtvolle Brustschild, das ähnlich gefertigt war wie das Ephod, schmückten zwölf in Gold gefasste Edelsteine, in denen die Namen der Stämme Israels eingraviert waren. Auf der Vorderseite seines hohen Turbans war ein glänzendes Stirnblatt aus purem Gold befestigt in dem der unaussprechliche Name JHWH's eingraviert war. An dem feierlichen Klang der Glöckchen hörten die Menschen, wenn der Hohepriester durch die Menge zum Heiligtum schritt.
Offenbar fürchteten die Römer die psychologische Wirkung dieses Gewandes auf die Massen, denn sie bewahrten es in der nahen Burg Antonia auf und gaben es nur jeweils zu den Festtagen heraus.
War das Amt des Hohen Priesters in früheren Zeiten erblich, wurde diese Tradition durch die Römer durchbrochen. Sie beriefen oder setzten diesen ab, nach eigenem Ermessen. Diese Praxis zwang den Hohen Priester und mit ihm die Tempelpriesterschaft zur Kollaboration mit den Römern.
Religiöse Gruppierungen und deren Vorstellungen
Zwar sahen alle Juden JHWH als den alleinigen Gott Israels an. Innerhalb dieses allgemeinen Konsens gab es jedoch viele verschiedene Sekten. Als die Bedeutendsten nennt Josephus Flavius die Sadduzäer, Pharisäer und Essener.
Die Sadduzäer gehörten zur reichen Oberschicht. Aus alten adeligen Priesterfamilien stammend, beherrschten sie den Tempelkult. Aus ihren Reihen stammte auch der jeweils amtierende Hohepriester.
Josephus schreibt über ihre Weltanschauung: „Gott, so behaupten sie, habe gar nichts zu tun mit bösem Handeln, ja es interessiere ihn überhaupt nicht, vielmehr sei es dem Menschen anheimgegeben, das Gute oder das Schlechte zu wählen… . Ein Fortleben der Seele, ferner Belohnung und Strafe im Hades verwerfen sie, … . Im Verkehr mit ihren eigenen Leuten geben sie sich ablehnend wie Fremden gegenüber." 22
Die Sadduzäer waren gegenüber der griechisch–römischen Kultursehr aufgeschlossen, gingen ins Theater und waren den Römern gegenüber eher freundlich gesonnen. Dies machte sie bei romfeindlichen religiösen Gruppierungen nicht gerade beliebt.
Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. verlor sich die Partei der Sadduzäer.
Die größte Gruppierung – entstanden etwa 135 v. Chr. – waren die Pharisäer. Sie waren eine vom Volk sehr geschätzte Laienbewegung ,die sich besonders dafür einsetzte, dass die Gesetze, wie sie in den Büchern Mose stehen, genau eingehalten wurden. Durch ihre Gottesfurcht und die Ernsthaftigkeit, mit dem sie ihren Glauben lebten, waren sie beim Volk sehr angesehen. Durch ihre absolute Fokussierung auf die mosaischen Gesetze und deren Auslegung sorgten sie allerdings dafür, dass diese immer komplizierter wurden und die Menschen mit ihren Alltagsproblemen noch zusätzlich belasteten. Wobei es natürlich wie so oft unterschiedliche Gruppierungen gab. Manche gingen mit ihrer Auslegung auf die Menschen zu wie etwa Jesus, um die Erfüllung der Vorschriften erträglicher zu machen, während andere auf der buchstabengetreuen Einhaltung beharrten.
Jesus kritisierte diese daher: „ Sie bin den aber schwere und unerträgliche Bür den und legen sie den Menschen auf den Hals; aber sie selbst wollen dieselben nicht mit einem Finger regen.“ 23
Er benannte sie auch als Heuchler, da sie ihre Frömmigkeit gern zur Schau stellten. Allerdings müssen wir hier ein Fragezeichen setzen, da die Christen zur Zeit der Abfassung des Matthäusevangeliums in starker Konkurrenz zu den Juden standen und der Evangelist diese Passagen, als seine eigene Ansicht, Jesus in den Mund gelegt haben könnte.
Sollte Jesus aber mit den Pharisäern Probleme gehabt haben, bedeutet dies keineswegs eine pauschale Ablehnung derselben. Er war als Rabbi, wie er in den Evangelien des Öfteren angesprochen wird, vermutlich selbst ein Pharisäer. Aus deren Reihen gingen nämlich die Rabbiner hervor.
Über ihre Weltanschauung schreibt Josephus: „Für sie ist alles dem Schicksal und Gott anheimgestellt. Wohl stehe es in erster Linie den Menschen zu, Recht- und Unrechttun zu wählen, doch bei jeglichem Tun sei auch das Schicksal beteiligt. Es seien zwar alle Seelen unsterblich, aber nur die Seelen der Guten fänden Eingang in einen anderen Körper, während die der Schlechten ewiger Verdammnis ausgeliefert seien.“ 24
Die kleinste Gruppe war Josephus offensichtlich am meisten sympathisch. Er beschreibt sehr ausführlich deren Sitten und Gebräuche über mehrere Seiten. Es sind die Essener.
Hier einige Ausschnitte aus seiner Charakterisierung:
Sie bemühen sich um eine besondere Selbstheiligung und lehnen jede sinnliche Lust als Sünde ab, während sie die Enthaltsamkeit und den Widerstand gegen die Begierden als Tugend erachten. Über die Ehe urteilen sie abträglich … lehnen sie … wohl nicht gemeinhin ab, doch sie verschanzen sich gegen die Lüsternheit der Frauen. Den Reichtum verachten sie, und ihr Gefühl für Gemeinschaft ist bewundernswert. Niemand besitzt mehr als die anderen, da sie ihr Hab und Gut an die Gemeinschaft übertragen. Sie konzentrieren sich nicht auf eine einzelne Stadt, sondern sind in großer Anzahl auf alle Städte verteilt. Ihre – bevorzugt weiße – Kleidung ist wie die eines Knaben und auch ihre Körperhaltung ist so, als hätten sie Angst vor einem Erzieher. Untereinander kaufen sie und verkaufen nichts. Wer etwas braucht, bekommt es – auch wenn er auf Reisen ist – von den anderen Gemeindemitgliedern. Weder Geschrei noch sonstwelcher Lärm stört je die Weihe des Hauses. Vor und nach der Mahlzeit preisen sie Gott als Spender der Lebensnahrung. Den Zorn halten sie unter Kontrolle, Gefühlswallungen zwingen sie nieder, Zuverlässigkeit gilt Ihnen viel, für den Frieden tun sie alles. Jedes Wort das sie sprechen, ist verlässlicher als ein Eid. Zu schwören weigern sie sich.
Wie alle Juden legen sie viel Wert auf körperliche und kultische Reinheit, indem sie sich zum Beispiel vor jeder Mahlzeit waschen. Sogar wenn ein Höhergestellter Berührung mit einem Nachgeordneten hatte, muss er sich wieder reinigen.
Sie erforschen die medizinischen Eigenschaften von Kräutern und Mineralien und weigern sich mehr als andere Juden am Sabbat irgendeine Arbeit anzurühren. Im Krieg gegen die Römer widerstanden sie den Folterungen sogar mit einem Lächeln. Es gibt unter ihnen auch welche, die die Zukunft voraussagen und es geschieht selten, dass sie dabei irren.
Die meisten werden über 100 Jahre alt, da sie ein einfaches und wohlgeordnetes Leben führen.“ 25An anderer Stelle schreibt er: „Von den Seelen glauben sie, dass sie aus dem feinsten Äther hervorgegangen, sich zusammenfügten und durch irgendeinen natürlichen Vorgang der Anlockung herabgeholt worden seien. Und wenn sie dann von den Fesseln des Fleisches befreit würden, dann fühlten sie sich wie aus langer Haft entlassen und erhöben sich in seliger Freude wieder nach oben. … dass auf die guten Seelen jenseits des Ozeans ein Leben warte und ein Ort ohne die Unannehmlichkeit von Schnee, Regen und Hitze, wo vielmehr vom Ozean her unablässig ein sanfter Zephyr weht, um seine kühlende Wirkung zu tun. Auf die Schlechten harrt nach ihrer Meinung eine finstere, eiskalte Höhle, der Ort ewiger Strafe. (…). Das also ist die essenische Theologie der Seele, und wer einmal von ihrer Weisheit kostet, an dem haftet diese wie ein Köder, von dem er sich nicht mehr befreien kann.“ 26
„Wenn Sie Weihegeschenke in den Tempel bringen, bringen sie kein Opfer dar, weil sie heiligere Reinigungsmittel zu besitzen vorgegeben. Aus diesem Grunde ist ihnen der Zutritt zum gemeinsamen Heiligtum nicht gestattet, und sie verrichten demgemäß ihren Gottesdienst besonders." 28
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