Franck Sezelli
AMAZONEN und Männer
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Inhaltsverzeichnis
Titel Franck Sezelli AMAZONEN und Männer Dieses ebook wurde erstellt bei
1 Reise in ein unbekanntes Land
2 Spannungsgeladen
3 Aufbruch ins Glück
4 In der Hand von Wilden
5 Borlo
6 Paarungszeit
7 Segen der Fruchtbarkeit
8 Ouverture
9 Begattungen
10 Auserwählt
11 Das Opfer
12 Fremdenverkehr
13 Ertappt
14 Im Klub der Phallophilen
15 Unersättliche Priesterinnen
16 Weißes Gold
Über den Autor
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Klappentext
Impressum neobooks
1 Reise in ein unbekanntes Land
Es war stockdunkel, nur schwach konnte ich durch die dichten Zweige der Bäume über mir den Sternenhimmel erkennen. Da ertönten auf einmal laute Frauenstimmen durch den Wald: »Parar! Parar o disparar!« Erst in Spanisch, dann seltsamerweise auf Deutsch: »Halt! Stehenbleiben oder wir schießen!«
Da mir mein Leben lieb ist, blieb ich natürlich stehen, war im Nu überwältigt und fand mich mit auf dem Rücken in Handschellen gefesselten Händen inmitten eines Trupps bewaffneter junger Frauen wieder. Eine attraktive Schwarzhaarige Anfang Zwanzig führte offensichtlich das Kommando. Man geleitete mich an den Waldrand in einen von hohen Mauern umschlossenen Gebäudekomplex. Bevor sich dort hinter mir eine Zellentür schloss, rief mir die Truppführerin noch zu, dass ich am nächsten Morgen den Verantwortlichen vorgeführt würde.
In der kargen Zelle machte ich mir so meine Gedanken, ob ich da nicht doch etwas falsch gemacht hatte. Wenn ich illegal in ein Militärgelände der Mexikaner eingedrungen war, konnte ich von Glück reden, wenn sie mich nur des Landes verwiesen. Adé Forschungsprojekt Opata! Warum aber hatte man mich im Wald auf Deutsch angerufen? Woher wussten die Soldatinnen, dass ich Deutscher bin?
Am Morgen brachte mir eine südländisch aussehende und uniformierte junge Frau ein reichliches und schmackhaftes Frühstück. Dann führten mich bewaffnete Frauen durch lange Gänge in einen beeindruckend wirkenden Raum vor einen Schreibtisch. In einem Sessel thronte auf der anderen Seite des wuchtigen Büromöbels eine Dame. Ja, ich stufte sie von ihrem Aussehen und ihrer Kleidung sofort als hochgestellte Dame ein. Sie mochte in meinem Alter sein, also knapp Vierzig, und strahlte Ruhe und Autorität aus.
Die Dame stellte sich – obwohl in Zivil – als Kommandantin der Königlichen Streitkräfte der Provinz Montsvenus vor. »Du bist in das Hoheitsgebiet des Königreichs Femina eingedrungen, weshalb wir dich festsetzen mussten, um die näheren Umstände zu klären. Wer bist du, wie heißt du? Woher kommst du? Wer hat dich geschickt? Mit welcher Absicht hast du die Grenze überquert?«
Die Kommandantin schoss die Fragen schnell und fordernd auf mich ab und fixierte mich mit ihren dunklen Augen. Sie sprach in einem einwandfreien Deutsch, das allerdings durch einen merkwürdigen Dialekt gefärbt war, und lehnte sich abwartend zurück.
Warum duzt sie mich? Weil ich Gefangener bin? Oder gar, wenn ich die Gerüchte bedenke, weil ich ein Mann bin?
Ihr Gesicht hellte sich auf und ihr Blick wurde freundlicher, als sie hörte, dass ich aus Deutschland komme. Mein Forschungsinteresse, das ich zum Glück mit dem Dienstreiseauftrag der Universität belegen konnte, schien sie gutzuheißen. Als hätte ich es geahnt, hatte ich ihn zu meiner nächtlichen Eskapade mitgenommen. Die Kommandantin nahm mir mit dem Reisepass auch alle anderen offiziellen Papiere ab: Uni-Ausweis, Führerschein, sogar meine Mensaessen-Abokarte. In einem neben ihrem Büro gelegenen gemütlich eingerichteten Salon musste ich warten.
Nach einer Stunde kam sie wieder. »Ihre königliche Hoheit Prinzessin Cunni, Regentin von Femina, möchte dich kennenlernen. Wir fahren deshalb morgen in die Hauptstadt Grandame, zuvor sind aber einige Untersuchungen vonnöten.«
Was denn für Untersuchungen? , fragte ich mich mit aufsteigender Angst, sagte aber nichts.
Eine Uniformierte meldete der Kommandantin die Ankunft der Präfektin, die sogleich eintrat. »Ist das der Gefangene?«, wollte die Eingetretene ohne weiteren Gruß wissen. Die Kommandantin bejahte.
»Das ist ja ein besonders schnuckliges Exemplar!« Offenbar meinte sie mich. »Überstellen Sie ihn umgehend in meinen Palast, Coronela!«
»Entschuldigen Sie, Exzellenz, aber das darf ich nicht. Soeben habe ich Anweisung bekommen, den Mann in den Königspalast zu bringen.«
Die Präfektin erhob ihre Stimme: »Es ist ein uraltes Gesetz, dass ein Mann den Frauen gehört, die ihn gefangen haben. Da das hier in Montsvenus geschehen ist, gehört er ohne Zweifel der Präfektur.«
»Da mögen Sie recht haben, aber der Wille der Königin steht über jedem Gesetz.«
»Selbstverständlich! Ich bin eine treue Dienerin des Königreichs. Ich bestehe dann aber darauf, ihn persönlich nach Grandame zu bringen.«
»Aber gern, Frau Rittenhouse!«
Im Untersuchungsraum, der entfernt an ein großes Arztzimmer erinnerte, wurde ich von zwei jungen Frauen in weißen Kitteln auf Herz und Nieren gecheckt: Blutproben, Blutdruck, Abhören, Abklopfen und Belastungs-EKG fallen mir wieder ein. Zu Beginn musste ich mich völlig entkleiden, obwohl die Präfektin und die Coronela auf Stühlen an der Wand das ganze Geschehen aufmerksam beobachteten. Mein anfängliches Zögern beim Ausziehen quittierte eine der Weißkittelfrauen mit der Frage: »Oder sollen wir das übernehmen?«
Unübersehbar standen zwei uniformierte Frauen mit je einer Pistole und einem Dolch im Gürtel an der Tür. Offenbar hatte ich keine Wahl.
Nach den medizinischen Untersuchungen meinte die eine der Weißbekittelten: »Jetzt brauchen wir nur noch ein Spermiogramm.« Ehe ich das richtig verstanden hatte, entledigten sie sich ihrer Kittel und standen auf einmal splitternackt vor mir. Ihre makellose Schönheit ließ meinen Körper die Angst vergessen und die gewünschte Wirkung zeigen. Nach wenigen geschickten Handgriffen einer der Frauen landete die von ihnen begehrte Flüssigkeit in einem Glas.
Ich kam mir sehr benutzt vor, konnte aber das Geschehen überhaupt nicht einordnen.
In der Nacht kam ich in einem behaglich eingerichteten Gästezimmer endlich ein wenig zur Besinnung und dachte darüber nach, wie ich in diese sehr beunruhigende Situation gekommen war.
Ich befand mich auf einer Forschungsreise im Auftrag des Instituts für Ethnologie der Goethe-Universität Frankfurt. In der Opateria, einem Teil des Bundesstaates Sonora im Nordwesten von Mexiko, wollte ich die Traditionen des ursprünglich indogenen Volkes der Opata und deren frühere Lebensweise recherchieren. Nach allem, was wir Völkerkundler wissen, lebten sie matrilinear, was sie für uns besonders interessant macht. Das heißt, für die Erbfolge bei Besitz, sozialen Positionen, Ansehen und ähnlichem spielte nur die mütterliche Linie eine Rolle.
Im Verlauf vieler Gespräche mit den Einheimischen hörte ich – oft auf geheimnisvolle Weise ausgemalt – von einem angeblichen Frauenstaat in der Region. Dabei handele es sich um ein Gebiet innerhalb Sonoras, das niemand betreten dürfe. Ich vermutete ein mir bisher unbekanntes Reservat, das für die Ethnologie möglicherweise äußerst vielversprechend sein könnte. Bei meinen Fahrten hatte ich bereits Schilder gesehen, die auf ein militärisches Sperrgebiet hinwiesen, das von der mexikanischen Policía Federal bewacht wurde.
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