»Deinen Fernsprechapparat Agatha schnell, ein Mord, ist geschehen, nehme ich an!«Agatha rang die Hände, »Mord oh je ein Mord«, klagte sie. Die alte, kleine Frau lief schnell zum Telefon-Tisch und drehte die Induktion Kurbel des Fernsprechapparat Modell Ericsson Eiffel Tower, als wolle sie der britischen Edison Gesellschaft für angewandte Elektrizität Konkurrenz machen. Sie ließ sich vom Fräulein der United Telephone Company mit dem, Anschluss Brighton 053 verbinden und machte dann Platz für den Constable.John brüllte seine Dienstnummer in den Sender und meldete einem müden Sergeanten den Fund des noch unbekannten Toten und bat wortreich um Verstärkung. Von draußen schallte Dereks aufgeregte Stimme der „Mord zu Hilfe“ schrie.
Während sich Mrs. Singer Wort für Wort des Gespräches einprägte. Passagen ihren Mund bewegend auswendig lernte, rannte Derek Green aufgescheucht in der Lester High Road umher und verbreitete die Geschichte von der Missetat. Die Anwohner der Straße kamen aus den Wohnhäusern, den Geschäften, andere steckten die Köpfe aus den Fenstern. Dann versammelten sich der Mob unaufhaltsam, von morbider Neugier angelockt in der Lester High Road und zertrampelten auf ihrem Weg einen Toten anzustarren wichtige Spuren. Constable Arnold beendete sein dienstliches Telefongespräch und schrie seinen Dank in den Sender.
Mit Anweisungen versehen und Mrs. Singer und ihrem aufgeregten Hunderudel im Schlepptau verließ er den Laden. Er trat auf die Straße und sah, wie die Leute den Toten in einem Halbkreis umringten und den Kreis immer enger zogen. Und eine Anweisung aus Brighton lautete keine Spuren zu zerstören. Bis demnächst ein Inspektor, falls verfügbar, die Sozialisten in Brighton waren die dringendste Angelegenheit im Moment, kommt. Er solle versuchen, nur ein Minimum an Aufsehen zu erregen. Was dachten die sich, er war nicht im Ungeheuer London, wo alle zehn Minuten einer umgebracht wurde. Wo ein Mord so aufsehenerregend war wie das Spucken in die Gosse. Die Sache möglichst diskret zu behandeln, war gescheitert, gestand sich der Constable ein.
William Samuel Antill polierte die beschlagenen Gläser seiner runden Brille und meinte lakonisch zur Menge: »Ich glaube, Hoathly hat einen ihrer gutherzigen Bewohner verloren der gefrorenen Hering ist der Leuteschinder Donovan.«
Irgendjemand in der Menge, höchstwahrscheinlich einer der Arbeiter aus der Donovan Gießerei klatschte in die Hände.Constable Arnold bildete mit den Händen einen Trichter und rief: »Kein subversives Verhalten bitte, ein Toter. Ich bitte euch alle, ein würdiges Verhalten an den Tag zu legen!«
Antill grinste scheinheilig und fragte: »Warum glaubst du auch nicht, er war gutherzig? Ich würde, das an deiner Stelle nicht so laut sagen! Und was ist mit dem subversiven Gerede seit einer Woche? Jedes vierte Wort ist bei dir in letzter Zeit subversiv.«Der Constable nickte, Antill hatte einen guten Sinn für Humor, was ihn zu einer populären Figur im Kleinstadtgefüge West Hoalthys machte. Man kolportierte in den Salons, Antill beabsichtige, für die Labour Party für die Stadtvertretung anzutreten.
»Woher weißt du überhaupt, dass es Donovan ist und nicht irgendeine Leiche?«, fragte ihn der Constable argwöhnisch und vertrieb mit ausgebreiteten Armen die Menge von der Leiche. »Ich habe ihn natürlich durchsucht und sein Wäscheetikett ist in sein Dinner Jacket gestickt«, erklärte William Antill seelenruhig, als sei es das alltäglichste von der Welt, kopflose Mordopfer zu durchsuchen. Zuerst der Pferdemörder dieser abscheuliche Abgrund einer kranken Seele und nun das Malheur, John schüttelte den Kopf. Komisch dachte er, seit er wusste, das es Donovan war, schien der Schrecken gemildert. Er sah sich um sah die Gesichter seiner Nachbarn sah die Häuser. Seit Tagen hatte es geschneit, Schnee, der sich auf den Dächern türmte und die Straßen nach draußen blockierte. Mit den Schneeflocken, die vom Himmel trieben, und dem schwarzen stinkenden Qualm, der aus den Essen stieg, sah West Hoathly in der Grafschaft Sussex wie auf einer Illustration eines Charles Dickens Romans aus. Constable John Arnold dachte da speziell an Oliver Twist in Jacobs Island dem berüchtigten Londoner Slum auf einem Kupferstich des großartigen Fred Barnard.
Die bitterkalte Nachtluft biss Littlewood ins Gesicht. Auf dem illustren Leicester Square glänzte, das Eis und die Häuser. Auf der Straße verteilt standen Constables und klapperten mit den Zähnen. Alles war festlich erleuchtet. Er bemühte sich, nicht auf die Nase zu fallen, während er tapfer auf dem Gehsteig blieb. 20 Meter vor ihm hielt eine zweispännige Kutsche mit gummierten Metallreifen. Littlewood klopfte anerkennend zweimal mit seinem Gehstock auf das Straßenpflaster. Die Kutsche wurde von zwei, auserlesen schönen Pferden gezogen auf deren Stirnen rote Federn steckten. Ein Diener sprang vom Trittbrett und öffnete den Schlag. Littlewood konnte ein vergoldetes Wappen an der Tür erkennen. Ein halbrunder Schild darin ein Topfhelm im Profil. Littlewood war kein großer Kenner der Heraldik, allerdings kannte er die Helmzier, ein Büschel Federn in Rot, wie bei den Pferden. Littlewood kannte selbstverständlich das Motto des Wappens dieses deutsche ich Diene, es war der der Herzog von York George Frederick Ernest Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Der Atem der Pferde dampfte, und die polierten Beschläge ihres Geschirrs funkelten im Gaslicht. Littlewood rückte seine Krawatte zurecht und lächelte zufrieden. Schwungvoll doch nicht hastig stieg er die Freitreppe zur Habsburger Botschaft empor. Die großen Türflügel öffneten sich vor ihm. Littlewood gab einem livrierten Diener seine Carte de Visite, worauf dieser ihn in den monumentalen Saal führte, wo der Empfang für den Botschafter der Donaumonarchie bereits begonnen hatte.
Es war ein herrlicher Raum, mit einer von Richard Ansdell bemalten gewölbten Decke mit 16 fein ziselierten Eisensäulen, die sich in dem Ballsaal in die Höhe streckten. Vier mit Edison Elektrizität betriebene Kronleuchter hingen an Ketten herab und tauchten den Saal in goldfarbenes Licht. Littlewood sah sich um, er bemerkte, dass er die Aufmerksamkeit einiger Damen auf sich gezogen hatte, die kokett hinter ihren weißen Spitzenfächern verborgen über ihn sprachen. Leichte Parfums helles Damenlachen und Gläserklirren, ein Mietorchester spielte einen beschwingten zum Tanzen verlockenden Walzer. Littlewood fühlte sich, wie ein Fisch im Wasser er war in seinem angeborenen Element. Eine Armee von rot livrierten Dienstboten balancierten mit stoischen Gesichtern die Champagner Gläser auf silbernen Tabletts, unter den Gästen umher. Vergoldete Getränketabletts wären nicht nur von Littlewood als dekadent empfunden worden, er nahm sich ein Glas um etwas in seiner Hand, zu halten. Er wollte nicht wirken, wie ein nervöser Landpfarrer, der sich ständig an seiner Kleidung zupfte, als suche er nach Flöhen. Littlewood machte seine Runden. Die Gespräche drehten sich überwiegend um Belanglosigkeiten, wie Musik das Theater die Politik. In erster Linie ging es, darum den jeweils anderen anhand seiner Antworten gesellschaftlich einzuschätzen. Ein Staatssekretär, dessen Namen ihm entfallen war, kam zielsicher auf ihn zu. Er war etwas zu schlank, wirkte aber elegant in seinem Frack, nur seine Zähne waren vom Opium schwarz verfärbt, was er hinter einem blonden dichten Backenbart zu kaschieren suchte. Aus einem der anderen Räume kam mit weit ausholenden Schritten der Chiefconstable Sir Lestrade auf ihn zugestürmt. Er trug seine mit Ordensspangen dekorierte Uniform und als einziger Gentlemen im Saal keine Handschuhe. Der Chiefconstable der Metropolitan Police Sir Pontius Lestrade betrachtete anerkennend. Littlewoods Kleiderwahl für den Abend, einen himmelblauen Frackrock, ein dunkelblaues Seidenhemd aus Nanking Seide dazu gelbe Hosen und einen weißen Zylinder. An seinem Revers war ein blau, weiß, rotes Blumengebinde angebracht, die Farben der Flagge des britischen Imperiums, größer als Rom vor ihm. Nur Dschingis Khan hatte seines Wissens Ungarn, Teile Russlands und Polens und China ohne Hongkong voraus. Merkwürdig, dass kein Imperialist vom mongolischen Empire sprach, Littlewood sah auf.
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