Dirk Laucke - Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute

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Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute: краткое содержание, описание и аннотация

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Warum finden Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit immer wieder geistige Nahrung und Aktionsraum in der deutschen Gesellschaft? Dirk Laucke ist dieser Frage nachgegangen und nennt im Ergebnis sein Stück nicht zufällig Furcht und Ekel. In Analogie mit den Stückvorgängern Furcht und Elend des Dritten Reiches von Bertolt Brecht (Titel der amerikanischen Fassung von 1945: «The Private Life of the Master Race») und Furcht und Hoffnung der BRD von Franz Xaver Kroetz demonstriert Dirk Laucke eine schonungslose Bestandsaufnahme der geistig-ideologischen Verfassung quer durch die sozialen Schichten, und er lässt dabei auch das Schulsystem und den Theaterbetrieb nicht aus.
Basierend auf Augenzeugenberichten und Zeitungsnotizen entstand eine Collage aus 22 einzelnen Szenen. Einige Charaktere kommen dabei öfter vor, wie zum Beispiel Danny, Rille und Micha, drei Jugendliche aus einem sozialen Brennpunkt. Sie finden sich zu einem brutalen Rachefeldzug gegen den Ex von Michas Freundin zusammen, der angeblich ihren Sohn missbraucht hat… In einer anderen berichtet eine Journalistin über das Schicksal eines immer aufs Neue diskriminierten Roma, eine weitere zeigt den scheiternden Versuch, eine Gegendemonstration zu einem Nazi-Fackelzug zu mobilisieren… – Entstanden ist eine Studie über die gefährliche Kontinuität rechten Denkens in deutschen Köpfen vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Verwerfungen.

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© 2018 Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

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Für Arthur, Danilo und Feine Sahne Fischfilet.

Das Stück beruht auf Augenzeugenberichten und Zeitungsnotizen aus den Jahren 2007 bis 2013.

Schrägstriche (/) im Text deuten überlappenden Sprecheinsatz durch den nächsten Sprecher an.

Das Werk ist eine Auftragsarbeit des Staatstheaters Stuttgart.

1. Abfertigung / Der Verrat

Flughafengeräusche. Karl und Meret mit Handgepäck.

MERETJetzt ist es eh zu spät.

KARLMeine, meine-- Ich hatte doch meine Brille nicht mal auf.

MERETJetzt sind sie drin, durch die Sicherheitsschleuse. Tschüss.

KARLWie sollte ich ohne meine Brille-- Ich kann nicht mal Auto fahren. Wie sollte ich erkennen, was da los ist? Es ging ja auch dermaßen schnell. Er kam rein, hat mich angesehen und hat sich in der Kabine versteckt. Ich / am Händewaschen.

MERETEr hat was?

KARLDie kommen rein: Ist hier ein Afrikaner rein?

MERETEr hat dich angesehen?

KARLWas spielt das für eine Rolle? Was sollte ich machen? Ist hier ein Afrikaner rein? - Afrikaner? Es war ein Reflex. Ich hab hin gesehen, zu der Kabine. Nur hingesehen. Gesagt hab ich nichts.

Pause.

KARLGesagt hab ich nichts. Soll ich mir ein Verfahren einhandeln, Verhinderung der Amtsausübung. Warum tun denn all die andern Leute nichts? Wie sie ihn da raus gezerrt haben - das haben doch alle gesehen. Wie sie ihm den Motorradhelm aufgesetzt haben. Hundert Zeugen.

MERETWozu ein Motorradhelm?

KARLAber ich soll was sagen? Ich hab an unseren Koffer gedacht. Warum ich?

MERETDamit er sich nicht selber den Schädel aufschlägt, oder was? Wir melden das mit dem Koffer. Die schicken ihn nach Hause.

KARLUnd wenn er weg ist? Ich brauch die Brille, Meret.

MERETWenn. Ist er nicht. Werden wir sehen.

KARLWitzig.

Pause.

KARLWas hab ich dir getan? Wenn du so mutig bist, du hast doch noch Zeit, du kannst doch noch hingehen. Mach einen Appell. Beschwer dich. Los, Revolte. Mach doch was.

MERETHab ich was gesagt?

KARLHast du nicht, aber mir zum Vorwurf / machen wollen--

MERETMich hat er nicht angesehen. Du hättest ihn decken können. Aber du kuschst vor allem, was eine--

KARLPscht.

MERETPscht mich nicht an, du du du--

KARLSags. Und du kannst alleine nach Hause fahren.

Meret beißt sich auf die Lippe bis es blutet.

2. Kinderkino I

Schulhof. Lautes Gerangel, Kindergeschrei. Kind 1 spielt mit seinem Handy. Kind 2 kickt mit dem Fußball.

KIND 1Kuck dir mal die Fotze an, die lässt sich von fünfzehn Männern ficken. Oh, Mann, ich würd auch gern mal so eine Hure ficken.

Kind 2 hört auf Ball zu spielen.

KIND 1Kuck.

Kind 2 fängt wieder an, Ball zu spielen.

KIND 1 (lacht) Bohaha, Alteeer--

Kind 2 schielt zum Handy. Es lacht mit.

3. Silber I / Dienst am Volke

Halle Silberhöhe, 2007. Imbiss. Rille und Danny essen Döner.

RILLEHastu die gesehn Aller und du sachst, wir bleim zu Hause hocken. Is doch geil hier, Junge. Is doch geiler als ständig da drinne zu hocken un sich eine Schnur nach der annern in die Nase zu knerrn. Bissel Drehfleischzeuch. Und abgesehn davon kriechtma gleichma auchma n bisschen was von der Landschaft mit, sachmama, geile Mülfs unsoweiter. Schmeckt wo nich.

DANNYDoch.

RILLEZiehste dann fürne Flunsche, aller Fotzerich.

DANNYZieh ich ne Flunsche.

RILLEZuviel Zwiebel oder was.

DANNYIs mein Gesicht, Junge, kann mir kein anderes leisten.

RILLESchmeckts nach Alis Nillenkäse.

DANNYMehmed.

RILLEMir doch bockwurstich, wie Ali sein Nillenkäse nennt, Aller, Aas. Mülf auf zwölf. Apropopo Appelpo. Sprich Micha nicht auf seine Alte an, der hat Beef mit der.

DANNYKatrin.

RILLEWas ne echt geile Mülf is, Aller, wenn du mich frachst, aber psst.

DANNYWo stecktn der überhaupt.

RILLEDie Mülf liecht dem Fotzerich inn Ohrn, seitdem ihr Ex zurück is und ein auf Vaterschaftsansprüche macht. Aufm Klo. Kuck dir den Arsch an, Junge. Siehste von Weitem, dass der hart is wien Gummiball. Die kriecht ne Laola. Biste dabei. Gestern hatsen wieder angefunkt-- Scheiße, Aas, Ali, hab ich doch gesacht ohne Knoflocken.

DANNYWarum hat die Mülf ihrn Ex angefunkt.

RILLENich ihrn Ex, Aas, wie dumm bistu denn, Aller. Micha. Die hat Micha angefunkt und ihm irgendwas gesteckt und seitdem isser fotzoid schlecht gelaunt. Laolo in drei. Biste nun dabei oder nich. Drei--

DANNYHaste ma dadran gedacht, dein Ausdruck n Tick zurück zu schrauben.

RILLEZwei. Was fürn Ausdruck, Junge, verdirb mir ja nich, die Mülf, Aas. Eins.

OOOAAAAAAHHH - was is, mach mit - HEEEEEY! Taub oder was. Sowieso alles Fotzen, Junge.

DANNYDas meine ich.

RILLEFrigide Pottsau, die Alte. Was meinste.

DANNYDie hatte n Wanst dabei.

RILLEIsses meiner. Einmal anner Studentin geleckt und schon haste Diplom oder was.

DANNYMein ich nich, Aas.

RILLEVergiss die doch. Die wollte sowieso nüscht von dir.

DANNYWas ich meine is, kuck dir die Wänster doch an. Solln die mit ihrn Dreijahren oder wie alt die sind, sollen die da ständig nur F-Wörter in ihren zarten Schmalzohrn klingeln hören, Aas.

Micha kommt mit Bier.

MICHAWisst ihr von Wänstern.

DANNYNe Menge. Abgesehn davon glaub ich nich dass die Mülfs das heiß finden.

RILLEWas. Was jetzt heiß finden, Aas, du gehst mir ehrlichgesacht richtichgehend aufn Sack.

DANNYDass du sie Fotzen nennst. Frischgemacht, Micha.

MICHAWas wisst ihr von Wänstern.

RILLEDanny, der Spast, hat einma in seim scheißverfickten Leben anner Studentin rumgefummelt und schon issern Feminist.

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