PASSION RENNRAD
MAX MARQUARDT
VORWORT
DIE FAHRER
CLAUDIA RIER
FABIAN CANCELLARA
INTERVIEW KONSTANTIN BERBERICH
LUCAS BRUNELLE
MARC LEHMANN
SEBASTIAN SCHAEFFER
ANDREAS MERCHANT
INTERVIEW BICI BAVARESE
SUSANNE LAY
ASHLEIGH MOOLMAN PASIO
ANDREAS HASLAUER
TEGAN PHILLIPS
JOHN DEGENKOLB
UWE ROHDE
INTERVIEW ROY & DIE ABBRUNZATI BOYS
DIE PÄSSE
ALPE D’HUEZ – FRANKREICH
KAISERJÄGERSTRASSE – ITALIEN
GRIMSELPASS – SCHWEIZ
FURKAPASS – SCHWEIZ
VAL TREMOLA – SCHWEIZ
TIMMELSJOCH – ITALIEN
COL DU GALIBIER – FRANKREICH
MONT VENTOUX – FRANKREICH
CAP DE FORMENTOR – SPANIEN
ROCACORBA – SPANIEN
PASSO ROLLE – ITALIEN
PASSO MANGHEN – ITALIEN
SELLARONDA – ITALIEN
TROLLSTIGEN – NORWEGEN
VALEPP – DEUTSCHLAND
PERSÖNLICHE BUCKET LIST
DIE EVOLUTION
DIE MONUMENTE
PARIS–ROUBAIX
MAILAND–SANREMO
LOMBARDEI–RUNDFAHRT
FLANDERN–RUNDFAHRT
LÜTTICH–BASTOGNE–LÜTTICH
DAS BETRIEBSHANDBUCH
DIE BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
DIE UNGESCHRIEBENEN GESETZE
DIE GRUNDAUSSTATTUNG
DIE HANDZEICHEN
IMPRESSUM
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Lassen Sie sich inspirieren …
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WAS IST WIRKLICH WICHTIG?
Die Hände umfassen den filigranen Lenker. Kühle Luft füllt die Lungen. Die Laufräder surren. Eindrücke, Düfte, neue Orte ziehen mit jedem Pedaltritt vorbei. 30, 40, 50 Kilometer. Mal weniger, mal mehr. Mal schneller, mal langsamer. Je nach Gefühl. Ziele, Routen und Pausen selbst wählen. In Bewegung bleiben. Sich in Raum und Zeit orientieren. Bei Wind und Wetter. An die Grenzen gehen, die Härte spüren, die Schönheit auskosten, rare Momente genießen. Jede Ausfahrt ist etwas Besonderes: ob eine schnelle Runde um den Block oder ein monumentaler Alpenpass. Rennradfahren ist Beschleunigung und Entschleunigung. Eine Form des Eskapismus auf schmalen Reifen, nur mit dem Allernötigsten am Leib.
Das Rad fragt nicht. Es fordert. Es macht aus Langschläfern Frühaufsteher, aus Unsportlichen Sportler, aus Rauchern Nichtraucher. Ob sie wollen oder nicht. Wer sich schon mal an einem Sonntag in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett gequält hat, um das Ausschlafen gegen Wadenbrennen und Schnappatmung zu tauschen, wird schweigend zustimmen, mit dem Kopf nicken und sich an die letzte Ausfahrt erinnern: irgendwo dort draußen. Auf rauem Asphalt, in den unzähligen Haarnadelkurven des Stelvios, dem kahlen Gipfel des Mont Ventoux oder den Kopfsteinpflastern der Tremola. Schwitzend, fluchend und überglücklich.
Auch mich hat das Rennrad herausgefordert. Damals, vor einer halben Ewigkeit. Nur zu gerne würde ich hier nun eine heroische Geschichte erzählen, wie ich den Traum des Profi-Rennfahrers oder des verwegenen Abenteurers hegte und mir mühsam in einer düsteren Fabrik das Geld für mein erstes Rennrad zusammenschuftete. Die Wahrheit ist: Ich wollte ein Rennrad, um es mir an die Wand zu hängen, nicht um darauf zu fahren.
Als junger Journalist hatte ich gerade meine erste eigene Wohnung bezogen. Mit Sport hatte ich zu dieser Zeit wenig am Hut. Mit Radfahren schon gar nichts. Menschen, die mit ihren Espresso schlürfenden Freunden stundenlange Dialoge über Fahrräder, irgendwelche Komponenten und ihre bekloppten Ausfahrten führten, empfand ich als egozentrische Zeitgenossen. Mit einer Vier im Schulsport war ich stets den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Ich mied die körperliche Betätigung, wo ich nur konnte, auch nach der Schule noch. Schließlich wollte ich mal Schriftsteller werden und nicht Fahrradfahrer.
Auf der Suche nach Einrichtungsideen für meine Wohnung stieß ich auf Fotos von schicken Lofts, an deren Wänden meist ein stylisches Rennrad hing. So etwas konnte ich mir auch für mein Eigenheim vorstellen. Mit einem schicken Rad über meinem Schreibtisch würde es sich wunderbar arbeiten können. Zwar ähnelte meine Bleibe eher einer Abstellkammer als einem mondänen Loft, aber das war mir egal. Auf Ebay-Kleinanzeigen erspähte ich ein altes Chesini: roter Stahlrahmen, Rahmenschaltung, Ledersattel, Schlauchreifen, 12 Kilogramm.
Ich nahm das Telefon in die Hand, schloss das Geschäft ab und fuhr los, um mir mein neues Deko-Möbel zu holen. Die Sache sollte schnell über die Bühne gehen. Nicht, dass noch jemand Verdacht schöpfen würde und meiner perfiden Absicht der Zweckentfremdung dieses edlen Sportgeräts auf die Schliche käme. Sport? Niemals! Schon beim Aussteigen aus dem Auto wedelte ich dem Besitzer mit den Geldscheinen entgegen. Ob ich das Rad denn nicht testen wolle, entgegnete dieser mir sichtlich verdutzt. Aus Angst, er würde vom Kauf zurücktreten, erwiderte ich zähneknirschend: „Na gut, probiere ich’s halt aus.“ Ich nahm das Rad in Augenschein, rüttelte an allen möglichen unwichtigen Teilen, während mir der Vorbesitzer einen Monolog über Bremsen und Schaltung hielt, setzte mich auf den Sattel und drehte eine Runde. Als ich nach meiner kurzen Ausfahrt wieder vom Rad stieg, war plötzlich alles anders. Was, weiß ich bis heute nicht so genau. Aber: Das Rennrad hing danach keine einzige Sekunde an meiner Wand. Stattdessen fuhr ich direkt nach dem Kauf zum nächstbesten Sportgeschäft, kaufte mir unmögliche Radklamotten, einen Helm, eines dieser Race Caps (das hatte ich mal irgendwo gesehen) und fuhr so viel Rad wie noch nie zuvor in meinem Leben. Nicht weil es Sport war, sondern weil das Rennrad urplötzlich eine seltsame, fast magische Faszination auf mich ausübte, die bis heute geblieben ist. Auf die ersten schweißtreibenden 20 Kilometer folgten viele weitere. Tausende. Ich entdeckte neue Orte, Landschaften, Eindrücke, sammelte Erfahrungen, manche schmerzhaft, die meisten schön. Wie im Wahn sog ich alles auf, was mit Radsport zu tun hatte. Ich schrieb Artikel über Rennräder und Rennradfahrer, nervte meine Journalisten-Freunde mit Rennrad-Geschichten, meine Freundin und meine Eltern sowieso. Jede freie Minute werkelte ich am Rad, meine Wohnung glich inzwischen mehr einer Werkstatt als der mondänen Bleibe, von der ich einst geträumt hatte. Auf das alte Chesini folgten weitere Räder. Moderne Carbon-Schlitten, ein Bahnrad ohne Bremsen, Trainingsräder, Bergräder, Zeiträder. Heute sind es zwölf, und ich muss die Bikes tatsächlich an die Wände hängen. Nicht, weil es stylisch aussieht, sondern weil mir der Platz ausgeht.
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