Und wie sieht für Spartacus heute ein perfekter Tag auf dem Rennrad aus? „Wenn es einfach läuft“, sagt Fabian. „Aber ich weiß auch, wie es früher war und wie es heute ist. Und da ist auch immer die Frage, wie viel man macht. Mittlerweile reichen für mich zwei Stunden auf dem Rennrad aus. Aber sich auf Biegen und Brechen quälen? Das würde ich jetzt nicht mehr machen. Diese Zeiten sind vorbei.“ Heute zählt für Fabian vor allem eine positive Einstellung zum Sport. „Eine gute Grundstimmung. Auch wenn man allein fährt. Dieses positive Mindset muss einfach sein. Und selbst wenn die Denkweise noch nicht gleich da ist, sie kommt spätestens beim ersten Pedaltritt.“
Zwei Pässe für die Ewigkeit
„Jeder Rennradfahrer sollte in seinem Leben mal den Furkapass und die Tremola gefahren sein. Das sind zwei so mythische Pässe, die gehören auf die Must-do-Liste eines jeden Rennradfahreres. Besonders die Tremola ist sehr speziell, weil sie eine der wichtigsten Straßen bei einer Alpenüberquerung darstellt. Beide Pässe haben einen ganz besonderen Legendenstatus und sind deshalb ein verpflichtendes Ziel.“
„Die größte Freude habe ich, wenn ich auf dem Rad sitze. Dann weiß ich auch, warum ich gerne ein Radcafé habe.“
Sonntagmittag in Stuttgart. Im Fietsen, dem erstem Radcafé der Stadt, ist es rappelvoll. An den Radständern vor dem Café reihen sich Rennräder, Gravelbikes und Mountainbikes. Irgendjemand ist sogar mit dem Tandem da. An der Kaffee-Bar drängen sich die Gäste, den Geldbeutel in der einen, den Radhelm in der anderen Hand. Die meisten von ihnen kommen gerade von ihrer Vormittags-Ausfahrt zurück, andere wollen noch schnell einen Espresso schlürfen, bevor es mit dem Rad ins schwäbische Hinterland geht. Die beiden Gründer, Katrin Hoffmann und Konstantin Berberich, haben alle Hände voll zu tun. Eine Bestellung nach der anderen wird aufgenommen. Dazwischen immer wieder ein kurzer Plausch. „Schön, dass ihr da wart“, „Ja, ein Bombenwetter heute“, „Gute Fahrt euch“. Das Service-Personal flitzt mit beladenen Tabletts durch die geschäftige Szenerie, verteilt Cappuccino und selbst gebackenen Kuchen an die Gäste. Auch das ein oder andere Bier ist dabei. Flaschen klimpern, Radschuhe klacken, und in dem Stimmenwirrwarr vernimmt man Wortfetzen der üblichen Radgeschichten, von rasanten Abfahrten, steilen Rampen und dem neusten Tratsch aus der Bike-Szene im Stuttgarter „Kessel“. Es besteht kein Zweifel: Das Fietsen ist ein Ort, in dem der Radsport gelebt wird – in all seinen unterschiedlichen Facetten.
Gründer von Stuttgarts erstem Radcafé „Fietsen“
Kurze Kaffeepause. Der Laden brummt. Konstantin schaut durch die großen Fenster des Fietsen nach draußen. Dort stellen schon wieder neue Besucher ihre Räder in den Ständer. Puh.
Konstantin, vor zweieinhalb Jahren hast du das Fietsen zusammen mit Katrin gegründet. Ein lang gehegter Wunsch?
Ich bin ja eigentlich Osteopath von Beruf und habe gleich nebenan meine Praxis. Weil ich mich damals räumlich etwas vergrößern wollte, wurde mir der Laden hier angeboten. Das habe ich allerdings erst mal abgelehnt. Bei einer Ausfahrt mit dem Rad bin ich dann auf die Schnapsidee mit dem Radcafé gekommen. Irgendwie hat mich dieser Gedanke einfach nicht mehr losgelassen. Jeder hat ja so Sehnsuchtsorte, zum Beispiel die Cafés in Italien oder Spanien. Die waren für mich durchaus eine Inspiration. Zusammen mit Katrin und vielen Helfern haben wir uns dann an die Arbeit gemacht, auch so etwas auf die Beine zu stellen.
Katrin bringt die Kaffee-Expertise ins Fietsen, du die fürs Rad?
So ein Laden braucht jemanden, der sich mit Kaffee perfekt auskennt und der auch die gastronomische Expertise hat. Ich habe ja weder das eine noch das andere (lacht) . Katrin und ich kannten uns vorher schon ein bisschen, und als ich ihr von der Idee erzählt habe, war sie sofort dabei – und zwar als Expertin für unsere Kaffees.
Stuttgart hat eine unglaublich große und vielfältige Radkultur. Es ist seltsam, dass das Fietsen nun so etwas wie der erste richtige Szenetreff ist. Gab es so was denn davor gar nicht?
Stuttgart hat inzwischen eine total geile Rad-Community! Hier passiert so viel. Aber das war nicht immer so. Als ich nach Stuttgart gekommen bin, fehlte mir persönlich der erste Kontaktpunkt. Damals war es etwas schwieriger Anschluss zu finden. Denn die meisten Rad-Aktivitäten waren bei irgendwelchen eingeschworenen Kleingruppen oder bei Vereinen verortet. Vieles bekam man einfach nicht mit. Ich bin jetzt auch nicht so Social-Media-affin, und mir fehlte ein physischer Ort, an dem sich die ganze Community trifft. Ein Ort, wo Fahrradverrückte sich austauschen können, neue Leute kennenlernen und wo es vielleicht auch etwas lockerer zugeht.
Lockerer als in den Vereinen?
Nun, ich bin anfangs immer wieder mal bei Vereinsgruppen mitgefahren. Aber da ging es natürlich viel ums Training und um Lizenzrennen. Das ist halt einfach nichts für mich. Dafür bin ich schlichtweg viel zu langsam und zu dick (lacht). (Anm. d. Autors: Konstantin ist meilenweit davon entfernt, dick zu sein.) Ich habe erst relativ spät – hauptsächlich durch den Heaven & Hell Cycle Club – Leute kennengelernt, die, was das Radfahren betrifft, eine ähnliche Auffassung haben wie ich.
Was hat es denn mit dem Namen auf sich? Fietsen ist jetzt kein so geläufiger Begriff …
Fietsen ist holländisch und heißt Rad fahren. Eigentlich total platt. Im Flämischen spricht man es auch ein bisschen anders aus. In etwa so, als würde man den Klang eines vorbeiziehenden Rennradfahrers imitieren. Also dieses „ftsss“. Das Wort Fietsen spiegelt für mich diese kindliche Freude am Radfahren wider, und irgendwie klingt es auch ein bisschen schwäbisch.
Mit dem Fietsen habt ihr noch weitere Pläne: Es soll in Zukunft mehr sein als ein Café und Treffpunkt für die Stuttgarter Rad-Community.
Ja, wir haben hier jetzt schon einen kleinen Shop mit Ersatzteilen und Merchandise. Dann gibt es im Untergeschoss einen großen Raum für Events wie zum Bespiel Übertragungen von Radsport-Events, Vorträge oder Ausstellungen. Zusätzlich planen wir noch einen Werkstattservice. Wir haben noch viel vor. Es dauert halt alles noch ein bisschen, weil wir einen hohen Anspruch haben. Der gilt nicht nur für unseren Spezialitätenkaffee.
Die Kaffeemaschine ist deshalb auch eine ganz besondere …
Ja, eine Slayer aus den USA. In der Spezialitäten-Szene sehr beliebt. Jede Maschine ist ein Unikat. Sie stellt das Handwerk des Baristas in den Vordergrund. Die Maschine ist nicht vollautomatisiert, auch das macht sie so besonders. Der Barista muss also wissen, was er da tut. Durch ein besonderes Verfahren ermöglich die Maschine dem Barista, besonders fein zu mahlen, was in einem viel differenzierteren Geschmacksbild resultiert. Wir möchten unseren Gästen immer wieder neue und besondere Kaffeesorten anbieten können: Single-Origin Coffee, Arabica, exotische Bohnen, besondere Geschmacksnuancen. Die Idee ist, die beiden Spezialitäten Radfahren und Kaffee zu vereinen.
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