Ob er den Plan, an einem strapaziösen Rennen wie diesem teilzunehmen, bei einem Kaffee geschmiedet habe, das weiß er nicht mehr. Aber gut möglich wäre es. Andi schwenkt nochmals seine Espressotasse und nimmt einen letzten Schluck. „Weißt du, wenn man mal in der Geschichte des Kaffees nachliest, dann sind bei einer Tasse Kaffee schon so viele verrückte Sachen passiert. Es wurden Streitigkeiten niedergelegt, Freundschaften geschlossen, Ehen haben sich angebahnt. Kaffee ist ein unglaublich wichtiges Element in unserer Gesellschaft. Dieses ’Lass uns mal auf einen Kaffee treffen‘ ist ganz oft der Beginn von etwas Großartigem, etwas Außergewöhnlichem. Wichtig ist nur: Der Kaffee muss passen, denn solche Momente kann man nicht wiederholen.“
Wie gelingt ein richtig guter Kaffee?
„Eigentlich bin ich jemand, der sagt: Nimm's nicht so ernst. Vor allem, wenn es ums Radfahren geht. Man kann sich damit nämlich schnell das Leben versauen. Aber beim Kaffee, da sind die Details wichtig! Wer eine gute, reproduzierbare Tasse machen möchte, sollte sich immer an das exakte Rezept halten. So sind 20 oder 30 Gramm geschmackliche Welten. Auch beim Wasser sollte man nicht rumexperimentieren. Ich vergleiche das immer ganz gerne mit dem Zuschneiden von einem Holzbrett: Man nimmt Maß, markiert die Sägestelle, nimmt nochmals Maß, sicher ist schließlich sicher, fängt an zu sägen, und am Ende ist es zu kurz. Ein Schreiner hat mal zu mir gesagt: ’Mach es so genau wie möglich, ungenau wird es von allein.‘ Diesen Spruch sollte man immer beherzigen, sowohl beim Kaffeekochen als auch beim Radfahren.“
„Auf dem Rennrad quälen wir uns gerne, aber die Performance danach im Biergarten ist uns genauso wichtig.“
Zwei Freunde, ein Laden und jede Menge Rennräder: Flo Merhart und Max Reiß haben mitten in München einen Ort geschaffen, in dem sie ihre Leidenschaft für Vintage-Rennräder mit bayerischer Gemütlichkeit kombinieren. Das Bici Bavarese soll der weiß-blauen Rennrad-Community ein Zuhause geben. Ein Treffpunkt zum Hinfahren und gemeinsamen Abfahren. Und ein Ort, an dem man nicht nur Räder und Teile kaufen, sondern unter Gleichgesinnten fachsimpeln und ganz nebenbei die wohl besten Leberkässemmeln der Stadt genießen kann. Dass bei dem alljährlich von Flo und Max organisierten Giro Bavarese, einer Vintage Rennrad-Ausfahrt im Stile der berühmten L'Eroica, dann auch der Spaß an der Freude im Vordergrund steht, ist so sicher wie der Schaum im Weißbier.
Gründer der Marke „Bici Bavarese“
Fahrradgeschäft, Fachwerkstatt, Café, Bar, Radsportgeschichte und klassische Rennräder, so weit das Auge reicht: Was genau ist denn Bici Bavarese nun eigentlich?
MAXWir wollen ein offener Ort für alle Fahrradliebhaber sein, aber unsere Leidenschaft gilt alten Stahlrennrädern, und wir fahren sehr gerne moderne Gravelbikes und Rennräder – deshalb liegt hier unser Fokus.
FLOUns ging es eigentlich auch darum, eine Art Treffpunkt zu schaffen, an dem all die Leute zusammenkommen, die Interesse am Radsport haben. Ich vergleiche das immer gerne mit den Skateshops früher: Da konnte man sich ja nicht nur neue Rollen kaufen, sondern eben auch auf einer Couch abhängen und sich unter seinesgleichen coole Videos anschauen. Und in Bezug auf das Rennradfahren gab es so etwas bisher in München nicht.
Habt ihr aus diesem Grund Bici Bavarese gegründet?
FLOBici Bavarese war eigentlich eine Gruppe aus Kumpels, die Bock darauf hatten gemeinsam zu Schrauben, zu radeln, guten Kaffee oder ein Bierchen nach der Ausfahrt zu trinken. Die grundlegende Idee für Bici Bavarese entstand 2011 auf einem Roadtrip in die Toskana, zur berühmten L'Eroica. In heiterer Weinlaune haben wir dann einen Namen für unser Radteam gesucht und sind so auf Bici Bavarese gekommen.
MAXAnfangs war es eher eine Facebook-Gruppe, in der wir ein paar Fotos unserer Ausfahrten gepostet hatten. Ein Kumpel von uns hat dann ein Logo entworfen, und schon relativ bald hat sich der Traum, irgendwann selbst einen coolen Ort zu haben, an dem man sich wohlfühlt, bei uns weiterentwickelt. In vielen anderen Städten gibt es Fahrradcafés, wie zum Beispiel das Look Mum No Hands in London, in dem die gesamte Rad-Community zusammenkommt und sich zu gemeinsamen Ausfahrten verabredet. So was wollten wir eben auch. Aber es sollte halt nicht einfach nur eine Kopie von der Kopie sein, wir wollten das Ganze ein bisschen bayerischer gestalten, weil wir ja schließlich auch aus München sind.
Bayerische Urgemütlichkeit trifft auf schnelle Räder und Typen in Lycra?
MAXEigentlich ja! Aber nicht so elitär wie zum Beispiel der Rapha Cycling Club. Gemütlich, und in Kombination mit typisch bayerischen Dingen, die ebenfalls Spaß machen. Eine Mischung aus Schafkopf und Paris–Roubaix.
FLOIn der Zusammenfassung vielleicht auch eine vorgezogene Midlife-Crisis … (lacht)
Weil man sich dann ein Rad über dem Wert eines Kleinwagens kauft?
FLONaja, wenn man mal ehrlich ist, dann ist Bici Bavarse ja schon so etwas wie ein erweiterter Man Cave (lacht) . Man hört seine Lieblingsmusik, schraubt mit Kumpels an alten und neuen Rennrädern, macht sich ein Bier auf und hängt mit Gleichgesinnten rum. Ein Ort, an dem man einfach sein kann.
Der ganze Laden ist voll mit Vintage-Rädern, darunter viele Schätze von Gios, Colnago, Pinarello, aber auch echte Raritäten. Mal Hand aufs Herz: Was hat das Retro-Rennrad, was das moderne Roadbike nicht hat?
FLOEin Stück mehr Seele. Bei alten Rennrädern sieht man, dass sie wirklich von Menschenhand gefertigt wurden. Dass da ein Handwerk dahintersteckt. Bei modernen Rädern steht die Funktion so sehr im Vordergrund, dass man sie theoretisch auch zu Tausenden herstellen kann. Früher gab es das einfach noch nicht. Und bei den alten Rädern sieht man das auf den ersten Blick – und noch ein bisschen mehr, wenn man genau hinschaut.
MAXUnd die Geschichten dahinter. Unser Fokus liegt ja bei alten italienischen Rädern. Das liegt auch daran, dass wir hier in München sind und es nicht ganz so weit in den Süden haben. Es kann durchaus mal vorkommen, dass wir ein Rad von einem betagteren Herrn bekommen, der uns erzählt, dass er für dieses Rennrad extra nach Italien gefahren ist, um es zum Beispiel bei Chesini oder Colnago bauen zu lassen. Früher war das alles noch ein bisschen individueller und somit auch emotionaler. Man hatte eine völlig andere Verbindung zu seinem Rennrad. Heute kann man „sein“ Rad fast überall auf der Welt kaufen.
Ob der Giro Bavarese oder die Vintage-Ausfahrt – ihr bringt ganz offensichtlich die Community Münchens zusammen. Wie viel Watt muss ich mindestens treten, um bei euch mitzufahren?
Schallendes Lachen
FLOMan kann theoretisch gesehen auch mit null Watt antreten, denn es ist wirklich keine Schande, mal zu schieben. Beim Giro Bavarese sind teilweise echt steile Rampen dabei, und die alten Übersetzungen machen es nicht gerade leichter. An einem schlechten Tag treten wir da auch nicht unbedingt in die Pedale. Und das ergibt dann jedes Jahr ein ganz lustiges Bild, wenn ein ganzer Pulk an Teilnehmern die Räder nach oben schiebt und sich dabei vergnügt unterhält.
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