MARQUIS eilt aus der Allee.
Der König!
KÖNIGIN.
Gott!
MARQUIS.
Hinweg,
Hinweg aus dieser Gegend, Prinz!
KÖNIGIN.
Sein Argwohn
Ist fürchterlich, erblickt er Sie –
CARLOS.
Ich bleibe!
KÖNIGIN.
Und wer wird dann das Opfer sein?
CARLOS zieht den Marquis am Arme.
Fort, fort!
Komm, Roderich!
Er geht und kommt noch einmal zurück.
Was darf ich mit mir nehmen?
KÖNIGIN.
Die Freundschaft Ihrer Mutter.
CARLOS.
Freundschaft! Mutter!
KÖNIGIN.
Und diese Tränen aus den Niederlanden.
Sie gibt ihm einige Briefe. Karl und der Marquis gehen ab. Die Königin sieht sich unruhig nach ihren Damen um, welche sich nirgends erblicken lassen. Wie sie nach dem Hintergrunde zurückgehen will, erscheint der König.
König. Königin. Herzog Alba. Graf Lerma. Domingo. Einige Damen und Granden, welche in der Entfernung zurückbleiben.
KÖNIG sieht mit Befremdung umher und schweigt eine Zeitlang.
Was seh ich! Sie hier! So allein, Madame?
Und auch nicht eine Dame zur Begleitung?
Das wundert mich – wo blieben Ihre Frauen?
KÖNIGIN.
Mein gnädigster Gemahl –
KÖNIG.
Warum allein?
Zum Gefolge.
Von diesem unverzeihlichen Versehn
Soll man die strengste Rechenschaft mir geben.
Wer hat das Hofamt bei der Königin?
Wen traf der Rang, sie heute zu bedienen?
KÖNIGIN.
O, zürnen Sie nicht, mein Gemahl – ich selbst,
Ich bin die Schuldige – auf mein Geheiß
Entfernte sich die Fürstin Eboli.
KÖNIG.
Auf Ihr Geheiß?
KÖNIGIN.
Die Kammerfrau zu rufen,
Weil ich nach der Infantin mich gesehnt.
KÖNIG.
Und darum die Begleitung weggeschickt?
Doch dies entschuldigt nur die erste Dame.
Wo war die zwote?
MONDEKAR welche indessen zurückgekommen ist und sich unter die übrigen Damen gemischt hat, tritt hervor.
Ihre Majestät,
Ich fühle, daß ich strafbar bin –
KÖNIG.
Deswegen
Vergönn ich Ihnen zehen Jahre Zeit,
Fern von Madrid darüber nachzudenken.
Die Marquisin tritt mit weinenden Augen zurück. Allgemeines Stillschweigen. Alle Umstehenden sehen bestürzt auf die Königin.
KÖNIGIN.
Marquisin, wen beweinen Sie?
Zum König.
Hab ich
Gefehlt, mein gnädigster Gemahl, so sollte
Die Königskrone dieses Reichs, wornach
Ich selber nie gegriffen habe, mich
Zum mindesten vor dem Erröten schützen.
Gibts ein Gesetz in diesem Königreich,
Das vor Gericht Monarchentöchter fordert?
Bloß Zwang bewacht die Frauen Spaniens?
Schützt sie ein Zeuge mehr als ihre Tugend?
Und jetzt Vergebung, mein Gemahl – ich bin
Es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten,
In Tränen zu entlassen. – Mondekar!
Sie nimmt ihren Gürtel ab und überreicht ihn der Marquisin.
Den König haben Sie erzürnt – nicht mich –
Drum nehmen Sie dies Denkmal meiner Gnade
Und dieser Stunde. – Meiden Sie das Reich –
Sie haben nur in Spanien gesündigt;
In meinem Frankreich wischt man solche Tränen
Mit Freuden ab. – O, muß michs ewig mahnen?
Sie lehnt sich an die Oberhofmeisterin und bedeckt das Gesicht.
In meinem Frankreich wars doch anders.
KÖNIG in einiger Bewegung.
Konnte
Ein Vorwurf meiner Liebe Sie betrüben?
Ein Wort betrüben, das die zärtlichste
Bekümmernis auf meine Lippen legte?
Er wendet sich gegen die Grandezza.
Hier stehen die Vasallen meines Throns.
Sank je ein Schlaf auf meine Augenlider,
Ich hätte denn am Abend jedes Tags
Berechnet, wie die Herzen meiner Völker
In meinen fernsten Himmelsstrichen schlagen? –
Und sollt ich ängstlicher für meinen Thron
Als für die Gattin meines Herzensbeben? –
Für meine Völker haftet mir mein Schwert,
Dies Auge nur für meines Weibes Liebe.
KÖNIGIN.
Verdien ich diesen Argwohn, Sire?
KÖNIG.
Ich heiße
Der reichste Mann in der getauften Welt;
Die Sonne geht in meinem Staat nicht unter –
Doch alles das besaß ein andrer schon,
Wird nach mir mancher andre noch besitzen.
Das ist mein eigen. Was der König hat,
Gehört dem Glück – Elisabeth dem Philipp.
Hier ist die Stelle, wo ich sterblich bin.
KÖNIGIN.
Sie fürchten, Sire?
KÖNIG.
Dies graue Haar doch nicht?
Wenn ich einmal zu fürchten angefangen,
Hab ich zu fürchten aufgehört –
Zu den Granden.
Ich zähle
Die Großen meines Hofs – der erste fehlt.
Wo ist Don Carlos, mein Infant?
Niemand antwortet.
Der Knabe
Don Karl fängt an, mir fürchterlich zu werden.
Er meidet meine Gegenwart, seitdem
Er von Alkalas hoher Schule kam.
Sein Blut ist heiß, warum sein Blick so kalt?
So abgemessen festlich sein Betragen?
Seid wachsam. Ich empfehl es euch.
ALBA.
Ich bins.
Solang ein Herz an diesen Panzer schlägt,
Mag sich Don Philipp ruhig schlafen legen.
Wie Gottes Cherub vor dem Paradies
Steht Herzog Alba vor dem Thron.
LERMA.
Darf ich
Dem weisesten der Könige in Demut
Zu widersprechen wagen? – Allzu tief
Verehr ich meines Königs Majestät,
Als seinen Sohn so rasch und streng zu richten.
Ich fürchte viel von Carlos' heißem Blut,
Doch nichts von seinem Herzen.
KÖNIG.
Graf von Lerma,
Ihr redet gut, den Vater zu bestechen,
Des Königs Stütze wird der Herzog sein -
Nichts mehr davon –
Er wendet sich gegen sein Gefolge.
Jetzt eil ich nach Madrid.
Mich ruft mein königliches Amt. Die Pest
Der Ketzerei steckt meine Völker an,
Der Aufruhr wächst in meinen Niederlanden.
Es ist die höchste Zeit. Ein schauerndes
Exempel soll die Irrenden bekehren.
Den großen Eid, den alle Könige
Der Christenheit geloben, lös ich morgen.
Dies Blutgericht soll ohne Beispiel sein;
Mein ganzer Hof ist feierlich geladen.
Er führt die Königin hinweg, die übrigen folgen.
Don Carlos mit Briefen in der Hand, Marquis von Posa kommen von der entgegengesetzten Seite.
CARLOS.
Ich bin entschlossen. Flandern sei gerettet.
Sie will es – das ist mir genug.
MARQUIS.
Auch ist
Kein Augenblick mehr zu verlieren. Herzog
Von Alba, sagt man, ist im Kabinett
Bereits zum Gouverneur ernannt.
CARLOS.
Gleich morgen
Verlang ich Audienz bei meinem Vater.
Ich fordre dieses Amt für mich. Es ist
Die erste Bitte, die ich an ihn wage.
Er kann sie mir nicht weigern. Lange schon
Sieht er mich ungern in Madrid. Welch ein
Willkommner Vorwand, mich entfernt zu halten!
Und – soll ich dirs gestehen, Roderich?
Ich hoffe mehr – Vielleicht gelingt es mir,
Von Angesicht zu Angesicht mit ihm
In seiner Gunst mich wiederherzustellen.
Er hat noch nie die Stimme der Natur
Gehört – laß mich versuchen, Roderich,
Was sie auf meinen Lippen wird vermögen!
MARQUIS.
Jetzt endlich hör ich meinen Carlos wieder.
Jetzt sind Sie wieder ganz Sie selbst.
Vorige. Graf Lerma.
LERMA.
Soeben
Hat der Monarch Aranjuez verlassen.
Ich habe den Befehl –
CARLOS.
Schon gut, Graf Lerma,
Ich treffe mit dem König ein.
MARQUIS macht Miene, sich zu entfernen. Mit einigem Zeremoniell.
Sonst haben
Mir Eure Hoheit nichts mehr aufzutragen?
CARLOS.
Nichts, Chevalier. Ich wünsche Ihnen Glück
Читать дальше