Bis fast auf die Erinnerung verlernt.
Zur Prinzessin von Eboli.
Mir deucht, Prinzessin Eboli, ich sehe
Dort eine Hyazinthe blühen – Wollen
Sie mir sie bringen?
Die Prinzessin geht nach dem Platze. Die Königin etwas leiser zum Marquis.
Chevalier, ich müßte
Mich sehr betrügen, oder Ihre Ankunft
Hat einen frohen Menschen mehr gemacht
An diesem Hofe.
MARQUIS.
Einen Traurigen
Hab ich gefunden – den auf dieser Welt
Nur etwas fröhlich –
Die Prinzessin kommt mit der Blume zurück.
EBOLI.
Da der Chevalier
So viele Länder hat gesehen, wird
Er ohne Zweifel viel Merkwürdiges
Uns zu erzählen wissen.
MARQUIS.
Allerdings.
Und Abenteuer suchen, ist bekanntlich
Der Ritter Pflicht – die heiligste von allen,
Die Damen zu beschützen.
MONDEKAR.
Gegen Riesen!
Jetzt gibt es keine Riesen mehr.
MARQUIS.
Gewalt
Ist für den Schwachen jederzeit ein Riese.
KÖNIGIN.
Der Chevalier hat recht. Es gibt noch Riesen,
Doch keine Ritter gibt es mehr.
MARQUIS.
Noch jüngst,
Auf meinem Rückweg von Neapel, war
Ich Zeuge einer rührenden Geschichte,
Die mir der Freundschaft heiliges Legat
Zu meiner eigenen gemacht. – Wenn ich
Nicht fürchten müßte, Ihre Majestät
Durch die Erzählung zu ermüden
KÖNIGIN.
Bleibt
Mir eine Wahl? Die Neugier der Prinzessin
Läßt sich nichts unterschlagen. Nur zur Sache.
Auch ich bin eine Freundin von Geschichten.
MARQUIS.
Zwei edle Häuser in Mirandola,
Der Eifersucht, der langen Feindschaft müde,
Die von den Ghibellinen und den Guelfen
Jahrhunderte schon fortgeerbt, beschlossen,
Durch der Verwandtschaft zarte Bande sich
In einem ewgen Frieden zu vereinen.
Des mächtigen Pietro Schwestersohn,
Fernando, und die göttliche Mathilde,
Colonnas Tochter, waren ausersehn,
Dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen.
Nie hat zwei schönre Herzen die Natur
Gebildet für einander – nie die Welt,
Nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen.
Noch hatte seine liebenswürdge Braut
Fernando nur im Bildnis angebetet –
Wie zitterte Fernando, wahr zu finden,
Was seine feurigsten Erwartungen
Dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten!
In Padua, wo seine Studien
Ihn fesselten, erwartete Fernando
Des frohen Augenblickes nur, der ihm
Vergönnen sollte, zu Mathildens Füßen
Der Liebe erste Huldigung zu stammeln.
Die Königin wird aufmerksamer. Der Marquis fährt nach einem kurzen Stillschweigen fort, die Erzählung, soweit es die Gegenwart der Königin erlaubt, mehr an die Prinzessin von Eboli gerichtet.
Indessen macht der Gattin Tod die Hand
Pietros frei. – Mit jugendlicher Glut
Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes,
Das in dem Ruhm Mathildens sich ergoß.
Er kommt! Er sieht! – Er liebt! Die neue Regung
Erstickt die leisre Stimme der Natur,
Der Oheim wirbt um seines Neffen Braut
Und heiligt seinen Raub vor dem Altare.
KÖNIGIN.
Und was beschließt Fernando?
MARQUIS.
Auf der Liebe Flügeln,
Des fürchterlichen Wechsels unbewußt,
Eilt nach Mirandola der Trunkene.
Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Roß
Die Tore – ein bacchantisches Getön
Von Reigen und von Pauken donnert ihm
Aus dem erleuchteten Palast entgegen.
Er bebt die Stufen scheu hinauf und sieht
Sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale,
Wo in der Gäste taumelndem Gelag
Pietro saß – ein Engel ihm zur Seite,
Ein Engel, den Fernando kennt, der ihm
In Träumen selbst so glänzend nie erschienen.
Ein einzger Blick zeigt ihm, was er besessen,
Zeigt ihm, was er auf immerdar verloren.
EBOLI.
Unglücklicher Fernando!
KÖNIGIN.
Die Geschichte
Ist doch zu Ende, Chevalier? – Sie muß
Zu Ende sein.
MARQUIS.
Noch nicht ganz.
KÖNIGIN.
Sagten Sie
Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen?
MARQUIS.
Ich habe keinen teurern.
EBOLI.
Fahren Sie
Doch fort in der Geschichte, Chevalier.
MARQUIS.
Sie wird sehr traurig – und das Angedenken
Erneuert meinen Schmerz. Erlassen Sie
Mir den Beschluß –
Ein allgemeines Stillschweigen.
KÖNIGIN wendet sich zur Prinzessin von Eboli.
Nun wird mir endlich doch
Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen. –
Prinzessin, bringen Sie sie mir.
Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondekar. – Die Königin hat die Briefe gelesen und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis.
Sie haben
Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht
Weiß sie es nicht, wieviel Fernando leidet?
MARQUIS.
Mathildens Herz hat niemand noch ergründet –
Doch große Seelen dulden still.
KÖNIGIN.
Sie sehn sich um? Wen suchen Ihre Augen?
MARQUIS.
Ich denke nach, wie glücklich ein Gewisser,
Den ich nicht nennen darf, an meinem Platze
Sein müßte.
KÖNIGIN.
Wessen Schuld ist es, daß er
Es nicht ist?
MARQUIS lebhaft einfallend.
Wie? Darf ich mich unterstehen,
Dies zu erklären, wie ich will? – Er würde
Vergebung finden, wenn er jetzt erschiene?
KÖNIGIN erschrocken.
Jetzt, Marquis? Jetzt? Was meinen Sie damit?
MARQUIS.
Er dürfte hoffen – dürft er?
KÖNIGIN mit wachsender Verwirrung.
Sie erschrecken mich,
Marquis – er wird doch nicht –
MARQUIS.
Hier ist er schon.
Die Königin. Carlos.
Marquis von Posa und die Marquisin von Mondekar treten nach dem Hintergrunde zurück.
CARLOS vor der Königin niedergeworfen.
So ist er endlich da, der Augenblick,
Und Karl darf diese teure Hand berühren! –
KÖNIGIN.
Was für ein Schritt – welch eine strafbare,
Tollkühne Überraschung! Stehn Sie auf!
Wir sind entdeckt. Mein Hof ist in der Nähe.
CARLOS.
Ich steh nicht auf – hier will ich ewig knien.
Auf diesem Platz will ich verzaubert liegen,
In dieser Stellung angewurzelt –
KÖNIGIN.
Rasender!
Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade?
Wie? Wissen Sie, daß es die Königin,
Daß es die Mutter ist, an die sich diese
Verwegne Sprache richtet? Wissen Sie,
Daß ich – ich selbst von diesem Überfalle
Dem Könige –
CARLOS.
Und daß ich sterben muß!
Man reiße mich von hier aufs Blutgerüste!
Ein Augenblick, gelebt im Paradiese,
Wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt.
KÖNIGIN.
Und Ihre Königin?
CARLOS steht auf.
Gott, Gott! ich gehe –
Ich will Sie ja verlassen. – Muß ich nicht,
Wenn Sie es also fordern? Mutter! Mutter!
Wie schrecklich spielen Sie mit mir! Ein Wink,
Ein halber Blick, ein Laut aus ihrem Munde
Gebietet mir, zu sein und zu vergehen.
Was wollen Sie, das noch geschehen soll?
Was unter dieser Sonne kann es geben,
Das ich nicht hinzuopfern eilen will,
Wenn Sie es wünschen?
KÖNIGIN.
Fliehen Sie.
CARLOS.
O Gott!
KÖNIGIN.
Das Einzge, Karl, warum ich Sie mit Tränen
Beschwöre – Fliehen Sie! – eh meine Damen –
Eh meine Kerkermeister Sie und mich
Beisammen finden und die große Zeitung
Читать дальше