Mraeghdar, der Lyghdars Worte sehr wohl zu deuten wußte, strich sich über den langen Bart und lächelte verschmitzt.
„Dreizehn Säcke Salz. Du weißt, wie man Könige beschenkt, mein Freund!“
Wieder lachte der lugdrische Herrscher so räudig, wie nur er es konnte:
„Bei Gnidhrs Amboß! Was hätte ich nicht darum gegeben, das Gesicht des Bastards zu sehen, als der erste eingepökelte Kopf aus dem Sack rollte...!“
Wenn er auch nicht in Lyghdars Gebrüll mit einstimmte, war dem Großkönig die Belustigung an den geglätteten Wangen und den auf- und abhüpfenden Schultern anzusehen. Mittlerweile wurden die ersten Speisen aufgetragen. Ohne weitere Aufforderung brach sich Lyghdar einen Brocken Brot aus dem großen, frischgebackenen, noch warmen Laib vor ihm und schenkte sich Buttermilch nach, um darin zu tunken. Auch an den gekochten Wachteleiern, die gepellt in einer flachen Schüssel lagen, tat er sich gütlich. Mraeghdar nippte an der Buttermilch und langte seinerseits nach einem Brot.
„Wie bestraftest du die Verräter?“
Lyghdar, der sich gerade ein weiteres Ei in den Mund gestopft hatte, reckte das Kinn aufwärts und strich sich mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger in einer schnellen Bewegung über den Kehlkopf.
„Mitsamt der Sippe und allem Gesinde“, fügte er kauend an. „Ein einziger war mir treu gewesen und hatte mich warnen wollen. Aber die Boten, die er aussandte, wurden abgefangen, und er selbst entging nur knapp einem Mordanschlag. Du weißt, von wem ich spreche. Heute befiehlt er die zweitgrößte meiner Reiterscharen.“ Lyghdar spülte mit einem Schluck Buttermilch nach und fügte an: „Im Nachhinein muß ich sagen, daß mir die ganze Verschwörung doch sehr gelegen kam, meinen damals noch etwas wackligen Thron zu festigen.“
Mraeghdar nickte anerkennend.
„Umso verwunderlicher, daß die Fremden schließlich doch bei dir Fuß faßten....“
„Was glaubst du: wie lange dauerte es, bis sie wiederkamen?“ Lyghdar hielt einen Augenblick inne. „Noch nicht einmal ein Jahr. Zwei Dinge, über die wir reichlich verfügen, lockten sie besonders. Wenn ich dir sage, daß das eine der Bernstein ist, errätst du das andere sicher leicht.“
Über dem dichten, strohblonden Schnurrbart traten die Wangen jetzt etwas deutlicher hervor und ließen ein eisiges Grinsen erahnen.
„Salz natürlich, was sonst.“
Mraeghdars trocken vorgebrachte Antwort hatte einen weiteren Heiterkeitsausbruch des lugdrischen Königs zur Folge. Er schrie wie ein Besessener, hielt sich die Seiten und beugte sich lachend vornüber, bis sein Brustpanzer die Tischkante berührte und sein Schnurrbart fast in die Buttermilch hing.
„Salz! Du sagst es, Mraeghdar. Sollte man es für möglich halten? Salz!!“
Glucksend wischte er sich die Tränen aus den Augenwinkeln, ehe er fortfuhr: „Dieses Mal waren sie jedenfalls schlauer. Den Bréadynn heraufzuschiffen wagten sie nicht ein weiteres Mal. Stattdessen gingen sie weit östlich der Mündung vor Anker und entsandten Geschenke an die Fürsten der Südmark, und über diese wiederum an mich.“
„Was für Geschenke, Lyghdar? Etwa die gleichen, mit denen sie ein Jahr zuvor deine Herzöge bestochen hatten?“
„Mit ein paar Pfund Gold und Silber hätten sie mich schwerlich beeindruckt; aber die Sklavinnen, Mraeghdar, wenn du sie gesehen hättest!“ Lyghdar verdrehte entzückt die Augen. „Fünfzehn makellose Jungfrauen, feingliedrig, dunkelhaarig, mit vollen Lippen und ebenmäßigen Zähnen, gekleidet in weißes, durchscheinendes Tuch. Die älteste war noch keine sechzehn Jahre alt. Ihre Zöpfe waren dünner als Weizenhalme und mit goldenen und silbernen Fäden durchflochten, ihre Haut zärter als Apfelblüten. Sie sangen, spielten auf süß klingenden Flöten. Und obendrein rochen sie gut!“ Nach einem träumerisch hervorgebrummten Seufzer fuhr er fort: „Und dann kamen die Sklaven. Oder besser das, was sie in prallen Schläuchen geschultert trugen....“
Mraeghdar blickte ihn mit unveränderter Aufmerksamkeit an.
„Nun?“
„In ihrer Sprache nennen sie es Yahim oder so ähnlich. Sie pflegen es mit Wasser vermischt zu trinken. Dummköpfe! Der Yahim ist berauschender als Bier oder Met. Ich trinke ihn nur unvermischt. Hoffentlich werde ich bald einmal Gelegenheit haben, dich damit zu bewirten, dann kannst du....“
Mraeghdar unterbrach ihn, indem er ihn überraschend fest am Oberarm packte und ihm mit einer Kopfbewegung bedeutete, seinem Blick zu folgen.
„Nun sieh dir den starrsinnigen alten Esel an“, brummte er. „Aber ich dachte es mir schon. Meinetwegen, möge er dem Lehrstück selbst beiwohnen. Ich hoffe, es wird euch beide zum Umdenken bewegen.“
Zur Rechten des Großkönigs wurde eine weitere Sitzgelegenheit beigestellt, während Aedhwyn auf seinem Streitwagen langsam näher kam. Hwyldur, sein Wagenlenker, hielt die Pferde straff gezügelt und steuerte das Gefährt so behutsam er es vermochte über das unebene, leicht abschüssige Gelände. Der König schien sich nur mit Mühe aufrecht zu halten, indem er mit beiden Händen den geschwungenen, bronzenen Griff umklammerte, der den halbrunden Aufbau überragte. Mraeghdar als auch sein Gast erhoben sich und traten vor das Zelt, wo Hwyldur den Wagen anhielt.
Aedhwyn wollte ihn verärgert abwehren, aber Mraeghdar ließ es sich nicht nehmen ihn zu stützen, als er sein steif gespanntes linkes Bein auf den Boden setzte. Lyghdar packte derweil seinen rechten Arm und warf ihn sich um den Nacken, und in stillem Einvernehmen brachten sie es fertig den bhyandrischen König so vom Wagen zu heben, daß dieser sich immer noch den Anschein geben konnte, selbst herabzusteigen. Als sein Fuß den Boden berührte, zuckte er merklich zusammen, und Mraeghdar wußte augenblicklich, daß er ohne Hilfe mit aller Wahrscheinlichkeit gestürzt wäre.
„Willkommen, König Dickschädel“, raunte er ihm wohlmeinend zu. „Du kommst genau zur rechten Zeit, die Vorstellung kann gleich beginnen.“
„Ich hoffe nur, der Weg hat sich gelohnt“, knurrte Aedhwyn, dessen Stirn jetzt von dicken Schweißperlen bedeckt war. Mraeghdar hieß ihn unbesorgt sein, und gemeinsam mit Lyghdar führte er ihn an seinen Platz, mit kleinen Schritten und stets auf der Hut, ihn nicht stolpern zu lassen.
Als er endlich saß, keuchend und sichtlich erschöpft, stand ihm plötzlich Khadmyr zur Seite, sein Leibsklave. Er mußte ihm heimlich zu Fuß gefolgt sein. Lyghdar und Mraeghdar waren über sein unerwartetes Auftauchen nicht weniger überrascht als Aedhwyn selbst.
„Was zum.... Wer hat dich hierherbefohlen?“ raunzte er den Diener übellaunig an. Khadmyr beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ihn milder zu stimmen schien, und nachdem er ihm mit einem mitgebrachten Schweißtuch sorgsam das Gesicht abgetupft hatte, trat er zurück, um sich im hinteren Teil des Zelts für seinen Herrn in Bereitschaft zu halten. Als der erste Ärger verflogen war, standen Aedhwyn Stolz und Befriedigung geradezu ins Gesicht geschrieben. Hätte ein Diener seine Treue besser unter Beweis stellen können als durch eine derartige Zuwiderhandlung?
Nun wurde das Fleisch eines gerösteten Hammels aufgetragen, und jeder der drei Könige bekam ein vergoldetes Trinkhorn hingestellt. Ein Sklave schenkte Met aus einem Ziegenbalg aus. Während Mraeghdars und Lyghdars Unterredung, ehe Aedhwyn zu ihnen gestoßen war, waren auch die Vorbereitungen zur Hinrichtung der kydhrischen Gefangenen vorangeschritten. Beide Pfähle ragten jetzt aus dem Boden, und die an ihrer Basis gleichmäßig aufgeschichteten Scheiterhäufen ragten etwa bis in Brusthöhe der zur Seite stehenden Fackelträger.
Lyghdar stürzte ein halbes Horn voll Met hinunter und hieb mit unvermindertem Appetit in das Hammelfleisch ein. Aedhwyn, der keineswegs zu einem Festmahl aufgelegt schien, begann wie aus Höflichkeit an einem Rippenstück zu nagen und führte zerstreut einen Bissen Brot zum Mund.
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