Aber eigentlich kannte er die Antwort auf seine Frage. Sein Fluch machte ihn kontrollierbar. Er musste unbedingt einen Ausweg aus dieser Katastrophe finden. Wenn er keinen fand, könnte er die Frau auch gleich umbringen. Damit käme er Airmed nur zuvor. Leider ließ ihm der Fluch nicht einmal diesen Ausweg, weil sie umbringen, würde bedeuten, dass er Airmeds Wunsch nicht erfüllen konnte.
Dieser Fluch hatte ihn in den letzten fünfundsiebzig Jahren schon in so manche unmögliche Situation gebracht, aber dieses Mal brachte es ihn auf die Seite des Feindes. Er arbeitete für Airmed. Wie hatte es nur so weit kommen können? Allein die Vorstellung, was Airmed dieser unschuldigen Frau antun könnte, ließ ihn verzweifeln. Und Danu würde ihn für seinen Verrat bestrafen.
Er musterte Amber, die seit seinem Befehl schlief. Er musste lächeln. Noch vor wenigen Jahren hätte er nicht tatenlos daneben gestanden, wenn eine Frau mit einem solchen Körper an sein Bett gefesselt war. Er hätte alles daran gesetzt, sie glücklich zu machen. Er wäre mit seiner Zunge die weiche Haut dieses wundervollen Halses entlanggefahren, hätte seine Lippen um die zarten Knospen ihrer Brüste geschlossen, die sich durch den dünnen Stoff dieses viel zu kurzen Kleides drückten. Seine Hände wären über diese wohlgeformten Oberschenkel gewandert, hätten sich einen Weg unter den schwarzen Stoff gesucht. Er hätte seine Nase in diesem duftenden schwarzen Haar vergraben, das ausgebreitet auf dem Kissen lag. Es war vorhin wie ein Vorhang auf ihre Schultern gesunken, als er ihr die Nadeln aus dem Zopf gezogen hatte, damit sie bequem liegen konnte. Aber die Zeiten, da er sich ohne Misstrauen einer Frau hatte nähern können, waren lange vorbei. Er hatte den Spaß an der körperlichen Vereinigung endgültig verloren. Das mit Airmed war jetzt das zweite Mal in seinen mehr als zweihundert Jahren, dass er einer Frau in die Falle gegangen war und er anschließend knietief in der Scheiße watete.
Zu viel Schmerz und Erniedrigung waren passiert, wenn sie von seinem Fluch erfuhren und ihn benutzten, um ihn sich untertan zu machen. Er würde Frauen künftig so weit möglich aus dem Weg gehen. Er musste einen anderen Weg finden, seine Dämonen zum Schweigen zu bringen. Auch wenn ihm das Widerstehen bei diesem Exemplar gehörig schwerfallen könnte. Aber er musste sich nicht daran erinnern, dass sie in diesem Spiel nur sein Opfer war. Es hieß sie oder sein Bruder. Und er würde sich immer für seinen Bruder entscheiden, zumal ihm ohnehin keine Wahl blieb.
Trotzdem war etwas anders an ihr, etwas, was ihm ein warmes Gefühl vermittelte, was ihm glauben machen wollte, dass sie seinen Fluch nie missbrauchen würde. Es musste an dem liegen, was sie war, dass sie so unschuldig wirkte. Bisher hatte noch jede Frau seinen Fluch ausgenutzt. Statt Hass, weckte sie etwas Warmes in seinem Inneren, fast als wäre da ein Licht, das sanft tief in seiner Seele flackerte und beruhigend von Hoffnung flüsterte. Er sog tief ihren Duft ein, der den Raum erfüllte.
Als er sie auf der Straße hatte hocken sehen, nur in dieses kurze Kleid gehüllt, war ihm dieser Anblick sofort in die Lenden geschossen. Er hatte sich ermahnen müssen, sie nicht sofort in die Gasse zu zerren und ihr zu zeigen, was ihr mit Sicherheit noch kein Mann gezeigt hatte. Die modernen Männer waren zu wahren Freuden doch gar nicht mehr fähig. Dann hatte sie zu ihm aufgesehen, mit ihren silbernen Augen, und er hatte sie erkannt. Oder das, was sie war. Die Erektion in seiner Hose war in einem Wimpernschlag zusammengefallen.
An der Bar hatte ihr Duft ihn eingehüllt. Er hatte sie nur ansehen brauchen und sein Körper hatte unter Strom gestanden. Noch nie hatte eine Frau allein durch ihre Nähe solche Gefühle in ihm ausgelöst. Als er die Szene mit diesem Kerl und der Blondine gesehen hatte, hatte er fast körperlich ihre Emotionen wahrnehmen können. Er war so aufgewühlt gewesen, am liebsten hätte er diesem Idioten die Fresse eingeschlagen. Und Cailean hatte genau gewusst, was sich da abgespielt hatte. Es war, als wären ihre Gefühle zu ihm übergeschwappt.
Die Frau war nur zum Teil menschlich. Der andere Teil war der einer Lichtelfe. Das würde den Übertritt vielleicht erschweren, aber immerhin, war sie keine reinrassige Lichtelfe. Da lag noch etwas anderes in ihrem Duft, etwas Ursprüngliches. Es roch wie Frühlingsregen, wie eine Blumenwiese, wie süßer Bienenhonig. Dieser Duft war das, was er in ihr wiedererkannt hatte, das, was er einst aus Anwynn fortgeschafft hatte und jetzt gezwungen war, zurückzubringen. Vielleicht war er auch schuld an dem, was sich in Caileans Körper regte, wenn er die Frau ansah, beobachtete, wie sich ihre runden Brüste bei jedem Atemzug hoben, sie leise im Schlaf seufzte, die Lippen leicht geöffnet, die Beine leicht gespreizt, als wollte sie ihm Zugang gewähren zu ihren geheimsten Verlockungen.
Cailean runzelte die Stirn, ob der Anziehung, die diese Frau auf ihn hatte. Er gab sich Mühe, sie zu ignorieren. Und doch ließ sie ihn nicht los. Er wusste nur nicht warum. Es musste etwas damit zu tun haben, was ihn auch fast dazu bewogen hatte, diesem Kerl im Club das Gesicht zu Brei zu schlagen.
Dieser Idiot hatte ihn wütend gemacht, sein selbstherrliches Grinsen im falschen Gesicht, als er gesehen hatte, dass Amber ihn in flagranti mit der Blondine erwischt hatte. Er hatte nicht mal den Versuch gemacht, sich bei Amber zu entschuldigen. Cailean war froh gewesen, dass er Ambers Gesicht nicht hatte sehen können. Wenn er den Schmerz darin gesehen hätte, hätte ihn nichts mehr davon abhalten können, diesem Kerl wehzutun. Ihm hatte die Starre, die ihren Körper befallen hatte, schon gereicht. Die Emotionen, die in seiner Seele angeschwemmt worden sind, wo sie nicht hingehörten. Aber es hatte ihn auch wütend gemacht, dass es ihn überhaupt interessiert hatte, dass die Frau verletzt worden war. Das hätte ihm egal sein sollen. Die Frau hätte ihm egal sein sollen. Nur ein Auftrag wie so viele vorher.
Ambers Brust hob sich unter einem tiefen Atemzug. Sie stöhnte leise. Ein Stöhnen, das ihm direkt zwischen die Beine schoss. Er schüttelte sich und schloss die Augen. Die Frau in seinem Bett, die Tatsache, dass sie gefesselt vor ihm lag, und dass er schon zu lange auf die Berührungen einer Frau verzichtet hatte, nur deswegen reagierte sein Körper mit einem Feuersturm auf dieses wundervolle heisere Geräusch. Nur deswegen.
Amber erwachte in einem gemütlichen Bett. Genüsslich rekelte sie sich und stockte. Sie zog erst vorsichtig, dann ungestüm an ihren Armen, die sich nicht von der Stelle bewegen wollten. Sie war gefesselt. Gefesselt! An ein riesiges Himmelbett ohne Himmel. Amber zerrte und wand sich, ohne Erfolg. Die Stricke schnitten in ihre Haut und sie wimmerte vor Schmerz. Warum war sie an ein Bett gefesselt? Und wer hatte sie an das Bett gefesselt? Amber überlegte, ob sie am vergangenen Abend so viel getrunken hatte, dass sie sich jetzt nicht mehr erinnern konnte, mit wem sie nach Hause gegangen war.
Nein, hatte sie nicht. Selbst wenn sie im Club die Gelegenheit gehabt hätte, etwas zu trinken, dann wäre sie dank des Vorfalls in der Gasse sofort wieder nüchtern gewesen. Wo zum Teufel war sie also? Sie blickte sich in dem Raum um, soweit es ihr möglich war. Über und neben ihr die Holzpfosten des Bettes. Auf beiden Seiten Nachtschränke und schwarze Seide unter ihrem Körper. Nichts davon kam ihr bekannt vor.
Ein dunkler Schatten tauchte in ihrem Sichtfeld auf und blieb neben dem Bett stehen. »Du!«, wetterte Amber los. »Du hast mich entführt.«
»Das habe ich wohl«, sagte der Pirat und blickte auf sie herab, ohne dass sich auch nur der kleinste Muskel in seinem Gesicht regte.
»Warum?« Amber war so wütend, dass sie am liebsten wie wild um sich geschlagen hätte. Aber dann würden sich diese verdammten Seile noch enger um ihre Handgelenke zusammenziehen, und ihre Haut brannte jetzt schon wie Feuer.
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