»Es war nötig.«
»Nötig?«, kreischte sie hysterisch.
»Ja.«
»Dürfte ich fragen warum?«, hakte Amber genervt nach und zerrte tapfer noch ein letztes Mal an ihren Fesseln. Vergeblich.
»Nein.«
»Aber, was hast du mit mir vor?«
»Nichts.«
»Nichts? Du hast mich an dein Bett gefesselt. Das sieht für mich nicht nach Nichts aus!«, schrie Amber entrüstet. Der Pirat grinste nur.
»Das ist nicht mein Bett.«
»Also sind wir in einem Hotel?«
»Nein. Und nein, schrei nicht. Es wird niemand kommen, um dir zu helfen.« Der Pirat stand noch immer neben dem Bett und starrte gelangweilt auf Amber herunter. Die Hände hatte er lässig in den Taschen seiner Jeans vergraben, die – das musste Amber zugeben – saßen, wie eine zweite Haut.
»Das werden wir ja sehen«, entgegnete Amber erzürnt.
»Okay, schrei. Aber beeil dich damit. Es ist Schlafenszeit.« Cailean ging um das Bett herum und legte sich neben Amber, achtete aber auf genügend Abstand, trotzdem versuchte Amber noch etwas von ihm abzurücken.
»Schlafenszeit?« Amber hievte den Kopf so weit wie möglich von ihrem Kissen und schielte zum einzigen Fenster hinüber. Trotz der Vorhänge konnte sie durch einen Spalt sehen, dass es draußen Tag war. »Aber es ist Tag.«
»Ja. Schlafenszeit.« Damit wandte Cailean sich von Amber ab und begab sich laut brummend auf die andere Seite des Bettes. Die Matratze senkte sich etwas, als er sich setzte und dann neben Amber legte, im Gesicht einen sichtlich genervten Ausdruck. Doch das konnte Amber erstaunlicherweise nicht abhalten. Die Angst saß so tief in ihrem Körper, dass sie ihr wiederum den Mut verlieh, gegen ihre Situation anzukämpfen.
»Ich will nach Hause. Und ich schlafe nicht am Tag.« Die Seile, mit denen sie an das Bett gefesselt war, scheuerten ihr die Haut auf und der fremde Mann, der neben ihr im Bett lag, sorgte kaum dafür, dass sie sich ruhiger fühlte. Da konnte er noch so gut aussehen.
»Nein, offensichtlich nicht«, brummte Cailean.
»Brumm mich nicht an. Ich will nach Hause.« Amber hob ein Bein und ließ es auf Caileans Schienbeine hinuntersausen. Der sprang auf und fluchte.
»Lass das! Oder soll ich deine Beine auch noch anbinden? Und in welches Zuhause? Zurück zu dem Typen, der dich gerade in diesem Moment mit einer billigen Blondine betrügt?«
Amber schluckte und ließ den Kopf wieder auf ihr Kissen sinken. »Du weißt es?«
»War nicht zu übersehen. Schade um den ganzen Martini.«
Amber spürte, wie sich Hitze in ihrem Gesicht ausbreitete. Es sollte sie eigentlich nicht interessieren, aber es war ihr unangenehm, dass Cailean gesehen hatte, was sich gestern im Club abgespielt hatte. Für einen Moment waren die Angst und die Wut vergessen und Amber lag still auf dem Bett, einen Felsen auf ihrer Brust, der ihre Atmung lähmte.
Cailean ließ sich wieder auf das Bett sinken. »Schlafenszeit!«, sagte er mit einer solchen Schärfe in der Stimme, dass Amber unwillkürlich zusammenzuckte. Zuerst wollte sie nachgeben, wie sie es gewohnt war, doch dann belehrte sie sich selbst eines Besseren. Sie würde sich von keinem Mann mehr herumkommandieren lassen. Sie war fertig damit, immer nett und freundlich zu sein. Sie wusste nicht, woher diese Einsicht plötzlich kam, aber sie wusste, dass nett und freundlich ihr nichts als Ärger eingebracht hatten. Dieser Pirat hatte beschlossen, sich auf diese Art in ihr Leben zu drängen, und das zu einem Zeitpunkt, der mehr als schlecht von ihm gewählt war, also sollte er zusehen, wie er mit ihr klarkommen würde. Denn hier und jetzt, so schwor sie sich, würde Cailean der Sündenbock für Eric sein, schließlich war auch er ein Mann.
»Vergiss es. Lass mich sofort hier raus!«, schrie sie.
»Gibst du Ruhe, wenn ich dir sage, ich mache das zu deinem Schutz?« Amber erschauerte bei dem Grollen, das in Caileans Stimme mitklang.
»Nein.«
»Hab ich mir gedacht.«
Cailean wandte Amber den Rücken zu, zog die Beine an und kuschelte sich tiefer in sein Kissen. »Ich habe dich gerettet, zumindest vorerst«, murmelte er mit schläfriger Stimme.
»O, das ist mir neu. Du bist also mein Held?«, erwiderte Amber giftig.
»Genau.«
»Helden entführen nicht.«
»Manchmal schon.«
»Tun sie nicht.«
»Schlaf, sonst überlege ich mir, ob ich dich dem Dämon doch noch ausliefere.«
»Dämon? Dass ich nicht lache. Ich hab noch nie etwas Blöderes gehört.«
»Ich auch nicht.«
»Hey, hör auf mich zu beleidigen. Helden sind nett und romantisch.«
»Romantisch?« Cailean wandte sich Amber zu. »Romantisch?«
»Ja. Vielleicht nicht unbedingt. Aber nett. Wann darf ich wieder nach Hause?« Amber blickte stur an die Decke. Sie wagte nicht, den Mann neben sich anzuschauen. Sie fürchtete sich vor dem, was sie in seinen Augen sehen könnte. Außerdem hatte sie Angst, sie würde wieder zur feigen Amber mutieren. Und gleichzeitig hasste sie es, dass ihre Stimme so weinerlich klang, während seine so rau und sexy war, dass sich jedes Mal, wenn er sprach, angenehme Schauer über Ambers Körper ausbreiteten. Dass er direkt neben ihr lag – im gleichen Bett! -, machte es auch nicht besser. Strahlte er eine solche Hitze aus?
»Gar nicht!«, sagte Cailean und Amber konnte deutlich ein Beben in seiner Stimme wahrnehmen. Ihr erster Instinkt wollte sie zusammenzucken lassen, aber ihr zweiter ließ sie in sich hinein lächeln. Sein Zorn war ein deutlicher Beweis dafür, dass die neue Amber etwas in ihm bewirkte. Die Alte hätte ihm seinen Wunsch erfüllt und er würde längst glücklich schlafen.
»Das stimmt nicht. Oder doch? Du lässt mich doch wieder gehen? Du wirst mich nicht ewig hier festhalten können.« Amber war sich da ziemlich sicher.
»Glaub mir, je eher ich dich wieder los bin, desto besser.« Hah, wusste sie es doch. Wer behält schon gerne eine nervige Frau. Gut, dass sie sich für den neuen Weg entschieden hat. Der Pirat wandte ihr wieder den Rücken zu.
»Schlaf jetzt. Wir haben morgen einen weiten Weg vor uns.«
»Weiten Weg?« Amber zerrte an ihren Fesseln. Die Stricke schnürten sich in ihre Handgelenke. »Aber, ich will hier nicht weg. Wo bringst du mich hin?«
»Schottland.«
»Das ist wirklich weit. Was wollen wir da?«
»Dich in Sicherheit bringen.«
»Aber können wir nicht hier in Sicherheit sein?«
»Nein. Wenn du nicht sofort schläfst, werde ich dich wieder hypnotisieren.«
»Du hast mich hypnotisiert? Und, ich kann nicht schlafen, solange ich gefesselt bin.«
»Du hast die ganze Zeit so geschlafen.«
»Siehst du. Also bin ich gar nicht mehr müde.«
»Weib!« Cailean setzte sich auf, warf Amber einen Furcht einflößenden Blick zu und löste ihre Fesseln vom Bett, nur um sie sich dann, um das eigene Handgelenk zu binden.
»Ich bin immer noch gefesselt«, stellte Amber fest und murmelte gegen Caileans Rücken, weil dieser sie wegen der zu kurzen Fesseln so nahe an sich ziehen musste. Sie hatte einen kleinen Sieg errungen, nur, um dann gleich wieder enttäuscht zu werden. Und was sollte das mit Schottland? Sicher war das nur ein Scherz. Genau, er wollte ihr ihre Zickigkeit nur heimzahlen, indem er behauptete, sie würden nach Schottland reisen. Sie nahm einen tiefen Zug seines männlich herben Geruchs. Gar nicht so schlecht, überlegte sie und verfluchte sich selbst für diesen Gedanken.
»Schlaf!«, kam der genervte Befehl, bevor Amber sich noch weiter Gedanken machen konnte.
»Amber!« Amber strich im Schlaf über ihre Wange.
»Lästige Insekten«, fluchte sie.
»Amber!«, hauchte eine tonlose Stimme neben ihrem Ohr. Amber wischte sie mit der Hand fort. Jemand zupfte an ihren Haaren. Widerwillig öffnete sie ihre Augen und starrte in das Gesicht einer ihr fremden Frau, die ihr ein Messer vor die Nase hielt. Erschrocken zappelte sie mit den Beinen und hob die Hände schützend vor ihr Gesicht.
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