Hah, dachte Amber zufrieden. Wusste sie es doch.
Keine Frau kann so gut aussehen, sich so bewegen und so perfekte Haut haben und war auch noch einfach nur ein Mensch. So was schaffte eigentlich nur Photoshop.
»Also, sie sind Menschen. Zumindest waren sie das mal. Cailean und William fielen bei der Schlacht zu Culloden 1746. Danu, die Göttin der Dunkelelfen, hat sie beide gerettet und verwandelt.«
»Also sind sie tot. Ich hab`s, sie sind doch Vampire. Oder Zombies.«
»Hatte ich vergessen, das zu erwähnen?« Cailean grinste sie selbstgefällig an. Hatte sie ihn wirklich anziehend gefunden?
Amber zwang sich, sich zu beruhigen. Wenn er vorgehabt hätte, sie zu töten, dann hätte er das schon längst getan. Er wird damit warten, bis sie in Schottland sind. Wahrscheinlich lebt er dort auf einer alten Burg und foltert im Kerker gerne unschuldige Frauen, dachte sie bitter. Sie würde nicht zulassen, dass er mitbekam, wie sehr sie sich vor ihm fürchtete. Ich werde mit hoch erhobenem Haupt in den Tod gehen. Sie straffte die Schultern, setzte sich ordentlich auf dem Sitz zurecht und lächelte Cailean ruhig an. Es kostete sie enorm viel Kraft, das Zittern zu unterdrücken und eine entspannte Mimik aufzusetzen, aber sie tat es. Zeige deinem Feind niemals deine Schwäche.
»Hattest du. Aber wenn du mit diesem kleinen Makel kein Problem hast, ich kann damit leben. Bekomme ich jetzt endlich meinen Hamburger?« Amber zupfte ihre Kleidung zurecht, strich mit den Händen über ihre dunklen Locken und warf auch Samantha, die noch immer in die Kamera grinste und an ihrem Strohhalm sog, ein Lächeln zu. »Und danach wünsche ich, nach Hause gebracht zu werden.«
Jetzt lachte Cailean auf. Amber warf ihm einen verwirrten Blick zu. Nicht, weil sie den Mann – Entschuldigung Fee – zum ersten Mal so richtig lachen sah, sondern weil dieser über ihren Wunsch lachte. Was war denn nun mit diesem Fluch? Jeder Wunsch, egal ob die Welt untergehen würde.
»Es gibt einen kleinen Haken«, sagte Samantha mit bedauerndem Ausdruck im Gesicht. »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Cailean hat uns zwar nicht über seinen Auftrag aufgeklärt, aber ich nehme mal an, dass Danu sich von ihm gewünscht hat, dich zu ihr zu bringen. Er wird diesen Wunsch also erfüllen müssen, da er älter ist als deiner. Dein Wunsch käme dem ersten Wunsch in die Quere, somit ist er ungültig.«
Amber grübelte kurz darüber nach, was das für sie zu bedeuten hatte, und warum Cailean ihren letzten Wunsch so amüsant fand. Und sie grübelte über diese Danu nach und die Tatsache, dass sie eine Göttin sein sollte. Schließlich kam sie zu dem Entschluss, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, solche Sachen zu erwägen. Sie hatte noch nicht einmal mit der Feensache abgeschlossen. Was wohl auch daran liegen könnte, dass dieser Cailean wirklich sehr wenig Feenhaftes an sich hatte.
Sie konnte es einfach nicht glauben. In keinem Buch hatte sie je gelesen, dass Feen Reißzähne hatten und so durchtrainiert waren. Ja, hätte Samantha gesagt, er wäre ein Werwolf, dann hätte sie das glauben können. Das Bild eines Werwolfs ließ sich viel eher mit dem verbinden, was neben ihr in diesem Auto saß. Später würde sie entscheiden, ob es Götter und Feen und was sonst noch wirklich gab. Im Augenblick würde sie einfach davon ausgehen, dass sie oder die anderen Beteiligten irre waren.
Cailean stöhnte genervt. Diese Frau würde ihn in den Wahnsinn getrieben haben, bevor sie überhaupt in der Nähe der schottischen Grenze waren. Er sollte dieses Radio endlich ausschalten, damit er das Geschwätz nicht länger ertragen musste. Was hatte sich Samantha dabei gedacht, dieser Frau sein Geheimnis anzuvertrauen? Das machte seinen Auftrag nur noch schwieriger. Als sie ihn gefragt hatte, ob er sie töten wollte, hatte sich eine Faust in seinen Magen gebohrt. Er könnte dieses wunderschöne zarte Geschöpf niemals verletzen geschweige denn töten. Aber sobald sie am Ziel waren und er sie auslieferte, würde sie nicht mehr lange zu leben haben. Er würde vielleicht nicht Hand an sie legen, aber er wäre maßgeblich an ihrem Tod beteiligt. Und das machte ihn fast wahnsinnig.
»Nein«, sagte Samantha und lachte schallend. »Obwohl Cailean durchaus etwas von einem Zombie hat.«
Langsam fragte sich Cailean, ob es nicht möglich war, dass er Frauen hasste, weil sie waren, wie sie waren? Vielleicht hatte es gar nichts mit seinem Fluch zu tun? Wahrscheinlich war es seine eigene Schuld, dass jeder sich über seinen Fluch und seine Abneigung zu Frauen lustig machte. Cailean umschloss das Lenkrad noch fester. Vielleicht sollte er Samantha beim nächsten Besuch dahingehend beeinflussen, dass sie sich von ihm wünschte, er solle sie umbringen.
»Die Kurzfassung ist: Danu, - sie ist die Göttin der Tuatha Dé Danann, das sind die Sidhe, die du als Elfen und Feen kennst -, brauchte ein paar prächtige Krieger. Also hat sie sich ein paar geholt. Direkt vom Schlachtfeld. Sie hat sie geheilt und mitgenommen nach Anderwelt, wo sie für Danu gegen die Firbolg gekämpft haben. Das sind Dämonen. Und weil Danu die Krieger mit ihrem Blut geheilt hat, sind sie zum Teil Sidhe. Und unsterblich sind Elfen eigentlich nicht wirklich. Unsere Proteine sind ein Sud aus Kräutern aus Anderwelt, die uns nicht altern lassen, solange wir sie zu uns nehmen, wenn wir in der Menschenwelt sind. Selbst ohne die Kräuter altern wir viel langsamer als Menschen. Wir können gut einige Jahrhunderte alt werden. So einfach ist das.« Samantha wirkte sichtlich erfreut über ihre Aufklärung.
Im Grunde war Cailean das auch. So blieb ihm das erspart. Er hatte ohnehin nicht gewusst, wie er die Sache angehen sollte. Die Menschen reagierten im Allgemeinen äußerst unberechenbar auf die Tatsache, dass es Elfen und Feen und Anwynn wirklich gab. Und wenn er Ambers Gesicht richtig deutete, stand sie kurz vor einer Herzattacke. Ihre Hände lagen zitternd auf ihren Oberschenkeln, ihr Gesicht war so blass wie das einer Todesfee. Und die hatte Cailean noch nie besonders gemocht. Es gab nichts Schaurigeres als eine Todesfee, wenn sie heulend über einem Schlachtfeld schwebte, das durchsichtige weiße Kleid ihre Beine umflatterte wie Spinnenweben, die sich im Luftzug einer alten Burg bewegten, um auch den letzten Überlebenden den Lebenswillen zu nehmen.
Cailean überlegte, ob er ihre Hände in seine schließen sollte. Er hatte das Bedürfnis, sie zu beruhigen, sie zu trösten. Er wusste nicht warum, aber er wollte es tun. Nur befürchtete er, dass seine Berührung sie noch mehr in Panik versetzte. Warum hatte er Idiot sich auch nicht zusammennehmen können? Warum hatte er ihr sein Sidhe-Gesicht zeigen müssen?
Er hätte wissen müssen, dass sie so reagierte. Er hatte es gewusst. Aber die ganze verfahrene Situation machte ihn wahnsinnig. Noch nie hatte er seinen Bruder wegen irgendetwas anlügen müssen.
Als William gestern nach Amber gefragt hatte und was denn sein Auftrag wäre, da war es ihm unmöglich, die Wahrheit zu sagen. Und er hatte es gewollt, aber es ging einfach nicht. Es war ihm zu unangenehm, seinem Bruder mitzuteilen, dass er eine Frau entführt hatte, noch dazu diese Frau, und vorhatte, sie Airmed zu übergeben. Zwar war die Rettung ihres jüngeren Bruders Ian ein Grund, so zu handeln. Aber weder William noch Cailean waren Männer, die Frauen verletzten. Das ging gegen ihre Ehre. Und Amber wollte er weniger als jede andere Frau verletzen, der er jemals begegnet war. Aber selbst, wenn er sich hätte dazu durchringen können, William etwas zu sagen, Airmeds Wunsch verbot ihm das.
Statt ihr seine Hand zu reichen, murmelte er eine Entschuldigung. »Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so erschrecken dürfen. Samantha hat die Wahrheit gesagt. Du musst keine Angst haben. Nur wünsch dir nichts mehr«, fügte er murmelnd hinzu.
Für die Frauen mochte das ein Spaß sein. Er fühlte sich einfach mies dabei, weil ihn jeder Wunsch seines freien Willens beraubte. Er machte ihn zu einem Sklaven. Und der Verlust seines freien Willens, die Herabsetzung zum Sklaven, zum Gebrauchsgegenstand, all das zog ihn hinab in die Finsternis, aus der er sich seit seiner Gefangenschaft versuchte herauszuziehen. Also war es doch kein Wunder, dass er sich seit Auferlegung seines Fluchs, weitestgehend von Frauen fernhielt. Hätte er das mal auch getan, als er Airmed in Gestalt dieser jungen Schönheit begegnet war, dann wäre er jetzt gar nicht in dieser Situation.
Читать дальше