Rick ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Sie konnte sehen, dass er über ihre Einrichtung und auch über ihr elektronisches Equipment erstaunt war. Seine Gestik war deutlich zu erkennen.
»Du bist ja voll ausgerüstet. Überwachungskameras, Alarmsystem, also ich bin beeindruckt. Wurdest du schon öfter überfallen oder warum diese Vorsichtsmaßnahmen? Ich hoffe natürlich, du wirst es nicht irgendwann wieder gebrauchen müssen.«
»Nun, das hoffe ich auch. Der Überfall neulich war das erste Mal. Er hat mir gereicht und ich muss sowas auch nicht noch einmal haben, das kannst du mir glauben. Ich nehme an, du hast mich und mein Geschäft schon länger beobachtet?«
Erstaunt sah er Sam an.
»Wie kommst du darauf?«
»Nun, du warst sehr schnell zur Stelle und offenbar wusstest du genau, was du zu tun hattest. Es sah sehr geschickt aus, wie du den Kerl zu Boden gestreckt hast.«
Sam konnte deutlich sehen, dass er überlegte, was er ihr antworten sollte. Sein ganzes Verhalten war einfach nicht zu durchschauen, trotzdem hatte er etwas Faszinierendes an sich.
»Ja weißt du Sam, ich musste mich all die Jahre durchs Leben kämpfen. Glaube mir, ich hatte es nicht gerade einfach und dein Va.....«
Sofort hielt er inne. Er starrte sie an, als hätte man ihn beim Stehlen erwischt.
»Rick, was wolltest du gerade sagen? Was ist mit meinem Vater? Du wolltest doch gerade etwas sagen. Lebt er noch? Weißt du etwas von meinem Dad und warum ist er verschwunden ohne ein einziges Wort? Die ganzen Jahre, kein Lebenszeichen von ihm. Meine Mom war damals außer sich, sie hat nie aufgehört nach ihm zu suchen oder an ihn zu denken. Bitte Rick, was ist los? Mein Vater ist nicht tot, nicht wahr?«
Ricardo schloss die Augen und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Innerlich kämpfte er mit sich. Er verfluchte sich, dass ihm so ein Patzer passieren konnte. Jetzt blieb ihm nichts weiter übrig, er musste Sam reinen Wein einschenken. Natürlich war er zu Sam gekommen, um sie über den Verbleib ihres Vaters aufzuklären, doch er wollte es vorsichtig angehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er endlich den Mund öffnete und mit der Sprache heraus kam.
»Sam, es wird dir nicht gefallen, was ich dir über deinen Vater zu sagen habe. Eins solltest du aber wissen, dein Dad war und ist auch heute noch ein ehrenwerter Mann. Alles, was er in den letzten Jahren getan hat, tat er aus Liebe zu dir und deiner Mutter.«
Sam merkte wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Ihr Vater lebte. Sam konnte es nicht fassen.
»Sprich ruhig weiter Rick, ich will alles wissen, auch wenn es mich verletzten sollte, was es jetzt schon tut.« Sam fühlte sich verraten und sie war wütend auf ihren Vater. Er war die ganzen Jahre am Leben und hatte sich nicht ein einziges Mal gemeldet. Kein Lebenszeichen, einfach nichts. Wie konnte er ihr und ihrer Mutter das antun.
»Wie du möchtest Sam. Als dein Vater damals verschwand, tat er es, um euch damit zu schützen. Ich meine dich und deine Mutter. Er war ein angesehener ehrlicher Mensch und er liebte seine Familie über alles. Autos waren seine Leidenschaft und genau die wurden ihm zum Verhängnis. Eines Tages kamen zwei Männer zu ihm. Sie hatten sich offenbar mit gefälschten Dokumenten Einlass in die Botschaft verschafft. Ich hatte im Werkstattlager zu tun und so konnten sie mich nicht sehen. Als ich sie sah machte ich mich sozusagen unsichtbar. Jedes Wort, was sie mit deinem Vater redeten, konnte ich hören. Er sollte für deren Boss Autos umbauen, um unbemerkt Drogen aus Kolumbien in die Staaten zu schmuggeln. Ich hörte, wie dein Vater diesen Auftrag sofort ablehnte. Doch die Kerle akzeptierten kein NEIN, zogen ihre Waffen und bedrohten deinen Vater damit. Wenn er nicht tun würde, was sie von ihm verlangten, wollten sie seine ganze Familie töten.«
Jetzt liefen Sam die Tränen wie in einem Sturzbach über die Wangen. Rick reichte ihr ein Taschentuch und sie schnaubte sich die Nase. Sam war so aufgelöst. Trotzdem wollte sie alles erfahren. Rick griff nach ihrer Hand und streichelte sie zärtlich.
»Soll ich wirklich weiter erzählen, Sam?«
Samantha nickte Rick zu.
»Ja ich möchte es hören.«
Verlegen entzog sie sich seiner Berührung.
»Ich habe dir noch nichts angeboten, möchtest du etwas trinken?«
Ein smartes Lächeln huschte über Ricks Gesicht.
»Gern, aber mach dir keine Umstände meinetwegen, ein Glas Wasser genügt schon.«
In ihrem Kühlschrank hatte Sam immer einen kleinen Vorrat an Getränken. Ein Wasser für Rick und ein Bier für sich selbst, das konnte sie jetzt gebrauchen. Wieder umspielte ein Lächeln seine gut geformten Lippen, als er das Bier sah. Sam bemerkte seinen Gesichtsausdruck.
»Das brauche ich jetzt«, sagte sie etwas verlegen.
»Kann ich mir gut vorstellen. Nun, dein Vater hatte natürlich Angst um euch und so tat er so, als willigte er ein. Einer der Männer legte ihm seine Waffe an die Stirn, mit dem Finger am Abzug. Ich hörte, wie er zu ihm sagte, dass es deinem Vater leid tun würde, wenn er Dummheiten machen sollte oder die Polizei informieren würde. Daraufhin verschwanden sie. Gleich darauf kam ich aus meinem Versteck. Dein Dad fragte mich, ob ich alles mit angehört hätte. Ich nickte und gab ihm sofort zu verstehen, dass ich auf seiner Seite stand und niemandem etwas von diesem Vorgang erzählen würde. Sam, wir hatten echt Angst um euch. Wen diese Leute einmal in die Mangel nehmen, glaub mir, die sind hinterher nicht wiederzuerkennen oder aber sie sind tot.«
Er leerte das Glas Wasser in einem Zug.
»Ich würde jetzt auch gern ein Bier trinken.«
Sam zitterten die Hände vor Aufregung.
»Aber natürlich gern. Ich habe auch noch ein Sandwich, wenn du möchtest.«
»Nein danke, ich habe schon gegessen.«
»Erzähl weiter Rick. Was geschah dann?«
Sam holte Rick ein Bier und setzte sich wieder auf ihren Platz.
»Dein Vater war so durcheinander. Er war aufgeregt und ich glaube, er wusste nicht, was er tun sollte. Du weißt ja, ich bin damals dort aufgewachsen und so kannte ich jeden Winkel so gut wie meine Westentasche. Ich bot deinem Dad an, euch erst einmal zu verstecken. Er lehnte energisch ab. Seine Familie im Stich lassen, das kam für ihn überhaupt nicht in Frage. Trotzdem musste eine Lösung her. An dem Tag, an dem er verschwand, sprach er mit deiner Mutter. Sie wusste, was er vorhatte, aber er verschwieg, wohin er gehen würde. Sie sollte nicht in Versuchung kommen ihm zu folgen. Er gab ihr auch den Rat, zur Polizei zu gehen, um ihn als vermisst zu melden und außerdem die Medien einzuschalten. Nur auf diese Art war es glaubhaft, dass ihr nichts von dem spurlosen Verschwinden eures Vaters wissen konntet. Die Drogenmafia würde euch in Ruhe lassen und euch nicht als Druckmittel verwenden.«
Rick entging der Blick von Sam nicht, als er ihre Mutter erwähnte.
»Du sagst, meine Mutter hat gewusst, dass mein Vater untertauchen würde? Sie hat die ganze Zeit gewusst, dass er am Leben ist?«
Sams Stimme bebte vor Aufregung. Es war ihr anzusehen, dass sie Mühe hatte, nicht auf der Stelle auszuflippen. Rick versuchte sie zu beruhigen.
»Glaube mir, es war für dich das Beste, dass du nichts davon wusstest. Du warst zu der Zeit erst 15 Jahre, beinahe noch ein Kind. Sie wollte dich doch damit nur schützen.«
Sam schüttelte immer wieder den Kopf. Die ganzen Jahre hatte ihre Mutter es vor ihr verheimlicht.
Was für eine Bürde.
»Hast du denn immer mit ihr in Verbindung gestanden und sie über meinen Vater informiert?«
»Ja, das habe ich. Von Zeit zu Zeit sahen sie sich auch heimlich. Deine Mutter kannte nur nicht seinen Aufenthaltsort und so sollte es auch bleiben, bis jetzt.«
»Was meinst du damit? Ist etwas geschehen?«
»So ist es. Dein Vater ist verschwunden. In unserem üblichen Versteck ist er seit zwei Tagen nicht mehr aufgetaucht. Ich habe keine Ahnung, wo er sich im Augenblick aufhält.«
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