Der Tod eines Kindes – wenn das Vergessen nicht gelingt.
Als der getrennt lebende Auftragsmaler David Balder seinen Sohn Elias vor der mütterlichen Wohnung absetzt, ahnt er nichts von dem drohenden Unheil – doch Stunden später ist der 14-Jährige nach einem schweren Verkehrsunfall hirntot und auf Drängen der Ärzte stimmt die noch völlig unter Schock stehende Mutter einer Organspende zu.
Die Nachricht trifft Balder mit ungeahnter Wucht. Dass Elias’ Mutter ihn nicht in die Entscheidung eingebunden hat, kann er nicht verwinden. Tief traumatisiert begibt er sich auf die Suche nach den Empfängern der Organe.
Statt seinen Aufträgen nachzukommen, beobachtet er den Jungen, in dessen Brust jetzt Elias' Herz schlägt. Fünf Teenagern hat die Organspende das Leben gerettet. Balder ist besessen von dem Gedanken, sie beschützen zu müssen – zu bewahren, was von seinem Sohn geblieben ist. Ihr »Fänger im Roggen« will er sein. Doch je weiter er sich vorwagt, je näher er ihnen kommt, desto offenbarer wird das Ausmaß seiner Traumatisierung.
Und in der Nacht ist ein Flüstern zu vernehmen: »Ruhe sanft, mein Sohn, in deines Todes Schlummer, frei von allem Schmerz und Kummer ...«, haucht er ihnen ins Ohr, wenn er wie ein Geist neben ihrem Bett kniet ...
Die Autorin
Katarina Torso (Pseudonym) hat im Verlauf ihrer beruflichen Tätigkeit am Institut für Psychotraumatologie zahlreiche Paper in Fachzeitschriften (Journals) veröffentlicht, bevor sie sich der Schriftstellerei widmete. Ihr Interesse an menschlichen Schicksalen spiegelt sich deutlich im Geschehen um den tragischen Protagonisten. Ihr Debüt »Schlaflied für einen Toten« ist ein Roman über einen Mann, der zum Opfer seiner Lebensumstände wird und scheinbar unverschuldet in den Fokus von Ermittlungen gerät.
Schlaflied
für einen Toten
Roman
Copyright © 2021 by Katarina Torso
Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Jegliche Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der schriftlichen Genehmigung der Autorin.
Cover: Astrid Kleinsorge
Lektorat und Korrektur: Volker Maria Neumann (krimi-lektorat.de)
ISBN: 978-3-7531-9795-1
www.neobooks.com
der da ruht in Partielle 59 auf Melaten
* 05.01.1993 - † 13.11.07
Du hast mich ein Stück meines Weges begleitet –
ich habe dich aufwachsen sehen.
All diese Momente werden verloren sein in der Zeit –
wie Tränen im Regen.
Inhaltsverzeichnis
Prolog Prolog 13. November 2007 Der tote Christus ruhte im Schoß seiner Mutter, der Jungfrau Maria. Zu seinen Füßen kniete leinwandbleich Maria Magdalena. Der greise Josef von Arimathäa zog das Leichentuch zurecht. Am Firmament schwebten trauernde Engel. Im Hintergrund ragte groß und schwarz das Kreuz auf. Die mit Kohlestift skizzierten Häupter der Wehklagenden – Motiv: »Die Beweinung Christi« – umgab ein mit frischer Ölfarbe aufgetragenes Leuchten von Goldpigment. Mit der Pinselspitze nahm David Balder erneut eine winzige Menge hochpigmentiertes Gold auf und vervollkommnete mit virtuosem Strich die Aureole um das Haupt des Johannes, der in melancholischer Pose auf Jesus blickte, dessen lebloser Körper gleichsam auf Vollendung wartete. Noch ein prüfender Blick auf das Werk, dann legte Balder Pinsel und Palette beiseite und rollte mit seinem Stuhl zum Telefon, das nicht aufhören wollte zu klingeln. Er mochte Anrufe nicht, die sein künstlerisches Schaffen störten. Er hatte bereits vier ignoriert an diesem Abend. Der einzige Mensch, an dem ihm gelegen war, rief zu so später Stunde nicht an. Nach der Schule, gelegentlich, um Bescheid zu geben, wann er zu kommen gedachte, ja. Aber nicht in der Nacht. In der Nacht war kein Anruf von dem Jungen zu erwarten. Er hob den Hörer ab und nannte seinen Namen. Dann drangen Worte an sein Ohr, so kühl gesprochen, so sachlich formuliert und so verstörend, dass er augenblicklich in Panik geriet. Das Tragische, von dem der Mann am Telefon sprach, hatte sich in den Abendstunden auf einem Gleisübergang unweit vom Haus der Mutter des Jungen zugetragen. Auf dem Heimweg war Elias dort entlanggegangen – Stahlrädern entgegen, von denen staubiger Regen spritzte. Balder sah die rote Kunststoffverkleidung, den Stoßfänger, die riesige Frontscheibe der Niederflurbahn. Er sah die Fratze der Verwirrung im Gesicht des Fahrers, der mit nachtschweren Augen hinter der Verglasung saß. Sah dies alles vor seinem geistigen Auge, als untilgbares Mal seinem Sohn in den Leib gepresst.
Die Dünne des Rosshaarfadens
Verborgen im blassen Bleistiftgrau
Elias
Die Erinnerung
Namen auf einer Liste, ohne Gesichter
In einer schattendunklen Ecke
Der Osiris-Mythos
Die Heimsuchung
Die Kunsthaarperücke
Die Narbe
Adieu Kastagnette
Das marmorne Kind
Die Leiche trug Sportkleidung
Der Mann im Mercedes
Ein luzider Traum
Der Dienstagmorgenjunge
Der Unschuldsengel
Der falsche Atem
Drei Akten – drei Gräber
Der viel genannte Junge,
Unweit vom Ort des Geschehens
Zum Warten verdammt
Haltemale
Ker, die Göttin des gewaltsamen Todes
Ein fremdes Bewusstsein
Der silbern gerahmte Junge
Der Himmel trug Schwarz
Der Unmut,
Umweht von freien Lüften
Der Mann im Van
So wahr gesprochen
Die Apparatur
Einsamer noch als Kafka
Der tiefe Schlummer
Epilog
PPOL-K: 040110-3-K
Danksagung
Danksagung
Glossar
13. November 2007
Der tote Christus ruhte im Schoß seiner Mutter, der Jungfrau Maria. Zu seinen Füßen kniete leinwandbleich Maria Magdalena. Der greise Josef von Arimathäa zog das Leichentuch zurecht. Am Firmament schwebten trauernde Engel. Im Hintergrund ragte groß und schwarz das Kreuz auf. Die mit Kohlestift skizzierten Häupter der Wehklagenden – Motiv: »Die Beweinung Christi« – umgab ein mit frischer Ölfarbe aufgetragenes Leuchten von Goldpigment.
Mit der Pinselspitze nahm David Balder erneut eine winzige Menge hochpigmentiertes Gold auf und vervollkommnete mit virtuosem Strich die Aureole um das Haupt des Johannes, der in melancholischer Pose auf Jesus blickte, dessen lebloser Körper gleichsam auf Vollendung wartete. Noch ein prüfender Blick auf das Werk, dann legte Balder Pinsel und Palette beiseite und rollte mit seinem Stuhl zum Telefon, das nicht aufhören wollte zu klingeln. Er mochte Anrufe nicht, die sein künstlerisches Schaffen störten. Er hatte bereits vier ignoriert an diesem Abend. Der einzige Mensch, an dem ihm gelegen war, rief zu so später Stunde nicht an. Nach der Schule, gelegentlich, um Bescheid zu geben, wann er zu kommen gedachte, ja. Aber nicht in der Nacht. In der Nacht war kein Anruf von dem Jungen zu erwarten. Er hob den Hörer ab und nannte seinen Namen. Dann drangen Worte an sein Ohr, so kühl gesprochen, so sachlich formuliert und so verstörend, dass er augenblicklich in Panik geriet.
Das Tragische, von dem der Mann am Telefon sprach, hatte sich in den Abendstunden auf einem Gleisübergang unweit vom Haus der Mutter des Jungen zugetragen. Auf dem Heimweg war Elias dort entlanggegangen – Stahlrädern entgegen, von denen staubiger Regen spritzte. Balder sah die rote Kunststoffverkleidung, den Stoßfänger, die riesige Frontscheibe der Niederflurbahn. Er sah die Fratze der Verwirrung im Gesicht des Fahrers, der mit nachtschweren Augen hinter der Verglasung saß. Sah dies alles vor seinem geistigen Auge, als untilgbares Mal seinem Sohn in den Leib gepresst.
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