Der Himmel war gespenstisch schwarz.
Im Strauchwerk zitterte der Nachtwind. Streichelte das Laub, das künstliche Haar von Balders Perücke, die aalglatte Front der Linie 7. Im Depot glich jedes Fahrzeug in Dimension und Schwere dem Ausmaß seiner Verzweiflung. In Länge, Breite, Höhe und Bedrohlichkeit wollte Balder dies alles brennen sehen. Er war ein Getriebener und handelte nachtwandlerisch in einer Art Schlaf, der keine Zeit stahl. Schultern, Arme, Hände koordinierten sich intuitiv mit der Beinbewegung. Die Wirkung einer in ihm schlummernden, längst gelegten Ursache lenkte seine Schritte. Wie ein Soldat, der unter Beschuss über ein Schlachtfeld läuft, eilte er fünf, sechs lange Minuten – all die Verkehrsopfer vor Augen: blutleeres, bleiches Gebein, in jederlei Haltung hingestreckt, die er allein, Kraft seines Blickes, loszusprechen vermochte von ihrem verborgenen, körperlosen Dasein – mit den Kanistern durch die spukhaft belebte Dunkelheit und goss Benzin aus: Die giftigen Dämpfe inhalierend, gefangen in der Welt der Erscheinungen, den mechanischen Bewegungen des roboterhaften Handelns.
Donner groll, als er nach dem Feuerzeug griff, es aufklappte, den Zündmechanismus betätigte, die Flamme an die Lunte heranführte, die er mit dem Rest Benzin aus dem letzten Kanister gelegt hatte. Es war nicht er, der das Feuer entfachte. Der Himmel bewahrte den Täter vor der Tat. Blitze gingen trocken hernieder, alle Schuld auf sich zu nehmen.
Er schleuderte die Perücke weit von sich und atmete asthmatisch im Widerschein des auflodernden Feuers, bis die Flammen das inflammable, leicht entzündliche Kunsthaargebilde vertilgt hatten und das Marionettenhafte – zwar nicht gänzlich, aber beinahe gänzlich – aus seinem Bewusstsein verschwunden war. Verschloss und verlud hernach die leeren Benzinkanister. Zog den Reißverschluss des Parkas zu. Besann sich auf den Sohn – androgynes Antlitz, helle, sommersprossige Haut, junger, fester, wohlgestalteter Körper, die Hände schlank, die Finger feingliedrig, das Haar leicht gelockt – und sprach: »Wir müssen warten, müssen stehen, müssen sehen, wie der Rauch und mit ihm der Fluch emporsteigt in den sternenlosen, mondlosen Himmel«, während unweit vor ihm Panoramafenster barsten, Karosserien sich verformten, verrußten, auf denen sich ein rot/weißes Symbol mit einem Pfeil im Mittelpunkt des Kreises hervortat.
Pantographen, zum Übertragen elektrischer Energie von stromführenden Oberleitungen, lösten sich aus der Verankerung, Metallteile fielen scheppernd zu Boden. An Balders Schläfen hämmerte der Schmerz. Das Dröhnen in seinem Schädel vermengte sich mit dem anschwellenden Geheul der nahenden Sirenen. Es dauerte, bis er den Klang, den seine Ohren wahrnahmen, korrekt einzuordnen vermochte. Ein kurzes, kontemplatives Innehalten, dann sammelte er die verstreuten Teile seines Bewusstseins ein und radelte so rasch, wie es ihm seine Beine erlaubten, davon. Im Hintergrund loderte das Feuer. Das Licht der Flammen erweckte den Anschein, als leuchtete seine Gestalt.
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