Prolog
Kapitel 1
Das Nachtlicht
Kapitel 2
Frank
Kapitel 3
Die Feinde
Kapitel 4
»Wir erwarten dich!«
Kapitel 5
Das Geisterhaus
Kapitel 6
Der weiße Dämon
Kapitel 7
Dämonenjäger
Kapitel 8
Blutrausch
Kapitel 9
Schwarze Augen
Kapitel 10
Die Macht der Dämonen
Kapitel 11
Heuschrecken
Kapitel 12
Die Schlacht
Kapitel 13
Das Tor
ANNA
Von Christian Ehrhorn
Buchbeschreibung:
Es ist eine finstere Nacht, als die riesige weiße Kreatur unvermittelt vor Annas Bett auftaucht. Wie ein lauerndes Unheil verharrt sie dort, nur um im nächsten Moment wieder zu verschwinden.
Gezeichnet von der Begegnung, ist sie zehn Jahre später, als sechzehnjähriger Teenager, noch immer traumatisiert. Nur mit einem Nachtlicht schafft Anna es, Schlaf zu finden. Doch niemand glaubt ihr. So wird das Zusammentreffen mit dem hellhäutigen Monster wie ein Albtraum abgetan. Als nach der nächsten Begegnung mit der Kreatur plötzlich ihr kleiner Bruder verschwindet, wird Anna gezwungen, sich dem Wesen zu stellen und zu ergründen, warum es sie heimsuchte. Dabei stößt sie auf Geheimnisse in der Vergangenheit, die alle Welten zu zerstören drohen.
ANNA
Von Christian Ehrhorn
CE-Verlag
Königsberger Straße 12
22175 Hamburg
ceverlag@yahoo.com
1. Auflage, 2021
© Christian Ehrhorn – alle Rechte vorbehalten.
CE-Verlag, Hamburg
»Gäbe es Wesen, die den Menschen alle Wünsche erfüllen, so wären das keine Götter, sondern Dämonen.«
(FRIEDRICH GEORG JÜNGER)
»Wer die Seele tötet, weckt die Dämonen.«
(SAUL BELLOW)
Prolog
Es war eine dieser finsteren Nächte, die einem jegliches Augenlicht raubte. Eine durchdringende Dunkelheit, die alles verschlang. Bis in die hinterste Ecke hatte die Schwärze der Nacht den Raum geflutet. Nicht einmal der helle Schein des Mondes schaffte es, durch die dunklen Vorhänge vor dem Fenster zu schlüpfen. Nur die blau leuchtenden Ziffern des digitalen Weckers, der auf dem Nachtisch neben dem Bett ruhte, warfen ein blasses Glimmen in den Raum. Es war 45 Minuten nach zwei Uhr in der Nacht.
Anna lag in tiefem Schlaf. Die weiße Decke mit den rosa Blumen hatte sie bis zu ihrem Kinn hochgezogen. Ihre langen, kastanienbraunen Haare waren wie ein Fächer auf dem weichen Kopfkissen ausgebreitet, dessen Muster dem der Decke glich. Am Ende des Bettes lag einer ihrer Füße frei und berührte ihre schwarze Schultasche, welche über den buchenhölzernen Bettpfosten gehängt war. Die Tasche stand offen und eine große gelbe Schultüte ragte heraus.
Es war die Nacht ihres ersten Schultages, als es geschah. Die Nacht, in der sich ihr Leben von Grund auf veränderte.
Anfangs nahm sie es kaum wahr. Ein leichtes Kitzeln, das über ihren Fußrücken glitt. Das ihre Zehen geringfügig Zucken ließ. Gleichwohl so merklich, dass es sie aus dem Schlaf riss. Von Müdigkeit benommen, war der zarte Reiz noch immer spürbar. Das Kribbeln einer sanften Berührung.
Anna bewegte ihren Fuß. Sie streifte etwas. Etwas, das über ihre Bettkante herausragte. Weich und kalt. Es wirkte starr, doch konnte sie eine leichte Bewegung ausmachen. Schwach, kaum merklich, schwang dieses Etwas hin und her. Erneut verspürte sie das Kitzeln, wie es kalt über ihren Fuß strich.
Anna rümpfte die Nase. Ein merkwürdiger Geruch schwebte in ihrem Zimmer. Wie verbranntes Holz. Und da war noch etwas. Ein Aroma, dass sie nicht kannte. Es roch unangenehm, ja es stank regelrecht.
Ein Knarren. Anna erschrak vor dem plötzlichen Geräusch. Ihr Atem wurde schneller. Sie schnappte nach Luft. Das Pochen ihres Herzens wandelte sich in ein Hämmern. Sie erstarrte. Jemand war in ihrem Zimmer!
Ihr Vater sah beizeiten in der Nacht nach ihr. Aber immer wenn sie aufwachte, sprach er mit seiner Tochter. Seine Worte hatten einen Zauber inne, der in ihr das Gefühl von Geborgenheit erweckte. Mit sanfter Stimme erzählte er seiner Kleinen eine Geschichte, die sie wieder in ihre Träume gleiten ließ. Doch nun war kein Wort zu hören.
»Papa?«, haschte sie flüsternd nach dem Klang einer vertrauten Stimme.
Wieder knarrte es. Dieses Mal etwas lauter. Anna hielt die Luft an. War mucksmäuschenstill. Und dennoch hörte sie das leise Zischen eines Atems. Entfernt, aber doch in ihrer Nähe. Langsam hob Anna ihren Kopf.
Weiß. Immer wenn Anna an diese Nacht zurückdachte, kam ihr das Weiß in den Sinn, das selbst die tiefste Dunkelheit durchdrang. Diese fahle, kalte Haut der Gestalt, welche hinter ihrem Bett stand und seine knochigen, langen Finger an ihren Fuß legte. Sie erinnerte sich, wie der ovale, gesichtslose Kopf bis weit über die Decke ihres Zimmers herausragte. Dieser dürre Körper mit den langen Gliedmaßen, der auf sie eher wie eine Spinne als ein Mensch wirkte. Der Schädel des Wesens war durch eine tiefe Falte gespalten, die sich von der Stirn bis zum Kinn erstreckte. Leicht geöffnet, lugten vor Speichel glänzende Reißzähne draus hervor.
In der Bewegung ihres Atems hob und senkte sich der Körper der Kreatur. Ruhig, aber bedrohlich verharrte sie. Trotzdem das Wesen keine Augen hatte, spürte das junge Mädchen wie sein Blick sie durchbohrte.
Anna begann zu zittern, während sie mit weit aufgerissenen Augen auf das weiße Monstrum starrte. Ihre Lippen öffneten sich zu einem Schrei. Doch kein Ton entwich ihrer Kehle. Von Angst erdrückt kniff sie ihre Lider krampfhaft zu.
Erneut ächzte der Boden.
Mit offenem Mund gaffte das Mädchen in grenzenloses Schwarz. Von einem Augenblick auf den anderen war die Gestalt verschwunden. Einsam saß sie in der Finsternis. Und konnte endlich schreien.
Kapitel 1
Das Nachtlicht
Prasseln. Anna Frey liebte das Prasseln. Sie öffnete das Fenster und lauschte der sanften Melodie der Regentropfen. Mit einem tiefen Atemzug genoss sie den erdigen Duft, den das Gemisch aus Regen und Erde freisetzte. Sie streckte ihre Hand aus und beobachtete die Tropfen, wie sie sanft auf ihre Haut fielen. Gebannt sah Anna auf das Nass, das ihre Finger hinab floss. Ihre Gedanken gingen auf Wanderschaft und reisten in die Vergangenheit. Vor ihrem inneren Auge erblickte sie sich selber. Sie war ein Kind. Nicht älter als vier Jahre. Lachend rannte sie durch einen Vorhang aus Tropfen, den der Regen beim Hinabfallen spann. Die kleine Anna hatte immer wieder versucht, die Regentropfen mit ihrem Mund zu fangen. Während sie voller Freunde in ihren rosa Gummistiefeln von Pfütze zu Pfütze hüpfte. Wie gerne sah sie dabei zu, wie das Wasser zu allen Seiten spritzte, wenn sie in die Lachen sprang.
Heute mit sechzehn Jahren vermisste sie diese unbeschwerte Zeit. Die Zeit ohne Sorgen und ohne Angst.
»Das Essen ist fertig«, tönte es durch die geöffnete Zimmertür.
»Ja Mama, ich komme«, antwortete Anna.
Auf dem Flur war das Trampeln ihres jüngeren Bruders zu hören, der die steinerne Treppe des kleinen Reihenhauses mehr herunterfiel, wie lief.
Anna wischte ihre nasse Hand an ihrem weiten, schwarzen T-Shirt ab, auf dessen Brust ein weißer Totenkopf prangte, und schloss das Fenster. Sie raffte ihre langen braunen Haare am Hinterkopf zusammen und band sie mit dem dunklen Gummi, welches um ihr Handgelenk gelegt war, zu einem Zopf. Anna liebte ihre Haare. Hätte man sie gefragt, würde sie antworten, dass sie das Beste an ihr waren. Sie empfand sich selber als hässlich. Trotzdem sie einen schlanken Körper hatte, wurde ihr Gesicht von kleinen Pausbäckchen umrandet. Noch grässlicher fand sie nur die hellbraunen Sommersprossen, die darauf verteilt waren und sich in einer Spur über ihre Nase zogen. Der Herbst brach an und die Sonne war selten zu sehen. Wodurch man die Pigmentflecke nur leicht erahnen konnte. Doch, genau wie ihr Name es schon verriet, kam der Sommer, kamen sie wieder in ihrer ganzen Pracht zum Vorschein.
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