Meinard Lembel Einen Apfel, um Himmelswillen - wer will denn einen Apfel? Und das so früh am Morgen?
Babette Lembel Unten steht einer, vorm Eingang. Und hat nach einem Apfel gefragt.
Meinard Lembel Was, betteln? Ausgerechnet vor meinem Haus?
Babette Lembel Ja, ein Blinder glaube ich, ein ganz armer Schlucker.
Meinard Lembel Dieser Kerl muss weg. Und zwar sofort, ich ruf die Polizei an.
Babette Lembel Und das was er anhatte. Schäbig und dreckig.
Meinard Lembel Wenn der auch noch anfängt, unsere Besucher anzubetteln. Nicht auszudenken, der Ruf meines Hauses steht auf dem Spiel.
ßilberling Er grabschte nach dem Hörer, bevor er jedoch die Wählscheibe berühren konnte, patschte sie auf die Telefongabel.
Babette Lembel Unser Ruf – oh, wie du Recht hast. Wenn du einen Armen von der Polizei verjagen lässt.
Meinard Lembel Natürlich, was denn sonst. Oder hast du vielleicht eine bessere Idee?
Babette Lembel Ich hab ja heute nur meine Geparden – Handtasche mitgenommen, mit etwas mit frischem Camembert bestrichenes Brot darin. Aber das will er nicht, nein, er besteht auf einen Apfel – felsenfest!
Meinard Lembel Dass diese dreckigen Penner nie Ruhe geben können!
Babette Lembel Ich hätte ihn ja auch längst schon zum Orangen – und Apfelmarkt geschickt. Mit ein paar in die Hand gedrückten Münzen, aber leider habe ich heute nur Scheine dabei. In meinem Jaguar – Portemonnaie.
ßilberling Lembel schaute sich um, so dass er mich im Samtkissen erspähte.
Meinard Lembel Genügt das?
Babette Lembel Mit Sicherheit, ach, du bist und bleibst ein Schatz. Das Herz auf dem rechten Fleck.
ßilberling Unten auf den Marmorstufen reichte sie mich dann den seltsamen Fremden. Auf dem Apfel – und Orangenmarkt wurde ich dann tatsächlich gegen frische Äpfel eingetauscht. Und reichlich Wechselgeld gab‘ s obendrauf, hach, was für eine Wertschätzung für mich, und meine Wanderschaft begann aufs Neue. Denn auf Dauer war‘ s doch ein bisschen öde auf dem roten Samtkissen - wie gesagt.
Neuer Kontostand: ein ßilberling, ein Ende
Blatt 24: Still und stumm
Das Lindenbankhaus – Ihre Andere Bank
Auszug 35 159 23 5, Blatt 24
Aktueller Kontostand: ein ßilberling, ein Ende
RLG Still und stumm. Der Charlie an den Knöpfen, und grau uniformiert. Von Kopf bis Fuß, und von Radius wie ein kleiner Schulbub beäugt, frei nach dem Motto „als ob der tatsächlich noch nie einen Farbigen zu Gesicht bekommen hätte“. Die orientalischen Auslegewaren knirschten unter den Füßen, als man endlich oben war, die glitzernden Goldfäden an den burgunderroten Wänden funkelten, und vor dem Vorzimmer hing ein goldgerahmtes Bild mit seiner Frau drauf, vor welchem er kurz innehielt.
Meinard Lembel Ah - warum nur hast du mich verlassen?
ßilberling Tja ja.
RLG Hey ßilberling, was unterbrichst du?
ßilberling Ein klassischer Fall von Herzinfarkt, die Alte - wenn du mich fragst.
RLG Aber ich frage doch gar nicht. Und außerdem, wie willst du das wissen, du Neunzehnmalkluger.
ßilberling Na ja - immerhin ist es so, dass wir Münzen über immense Saugfähigkeiten verfügen. Verharren wir beispielsweise für längere Zeit an einem bestimmten Ort, können wir nahezu alles, was uns umgibt, verinnerlichen.
RLG Na gut, von mir aus, wenn dem so ist. Aber doch nicht gleich ganze Geschehnisse,
ßilberling Du sagst es, doch unabhängig von meinen Fähigkeiten liegt die Ursache für ihr Abkratzen ohnehin viel näher wie man vielleicht denkt.
RLG Pietätlosigkeit ist etwas, was ich dir nicht zugetraut hätte.
ßilberling Ach was, und eigentlich wirklich kein Wunder. Ganz ehrlich gesagt, ich meine, bei den Unmengen Kaffee.“
RLG Die die Alte soff, um in deinem Genre zu bleiben.
ßilberling Aber wenn es doch so gewesen ist.
RLG Frei nach dem Motto „als ob man dies wohl einen Nagel auf den Kopf getroffen nennt.“ Und was hat es mit der Sekretärin auf sich, die jetzt im Vorzimmer fungiert?
ßilberling Und den heißen Kaffee kocht.
RLG Nein, nicht doch. Das ist nun wirklich etwas, was du unmöglich wissen kannst.
ßilberling Du etwa?
RLG Na klar, eine Vietnamesin.
ßilberling Sag mal, hab ich‘ s dir nicht gerade erklärt? Das mit den Saugkräften?
RLG Ja, aber das bezieht sich auf das, was du erlebt hast. Auf Vergangenes sozusagen, hast du‘ s nicht eben selbst gesagt?
ßilberling Hach.
RLG Nein - du willst doch nicht etwa andeuten?
ßilberling Gleichsam wie an Honigbienen Klebendes. Nicht nur das, was vorher war. Auch das, was hinterher. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, hach, das spielt bei uns Münzen wirklich keine Rolle.“
RLG Als ob das noch gefehlt hätte.
ßilberling So dass deine Vietnamesin eine Laotin ist – zum Beispiel.
RLG Eine Laotin – ja, ja, natürlich, selbstverständlich, was denn sonst auch. Und ihren Namen kennst du sicherlich auch schon.
ßilberling Na klar - und Mio Vong heißt die.
RLG Mio – ach ja!
ßilberling Sehr hübsch, nicht wahr?
RLG So, so, auch noch hübsch - ach ja.
ßilberling Sehr hübsch sogar.
RLG Meinetwegen, wenn das unbedingt zuzugeben ist.
ßilberling Das Haar schwarz und glatt – typisch asiatisch eben.
RLG Offen getragen und bis über die Schultern, die zierliche, kleine Gestalt bekleidet mit einem vielleicht etwas zu knapp bemessenen, zitronenfarbenen Minikleidchen. Aber in den ihr zur Verfügung stehenden Augenblicken, als Lembel mit Radius Lehr im Schlepptau sie passierte, hatte sie offenbar nichts Besseres zu tun, wie auf ihrem Schreibtisch zu kokettieren, zusätzlich einen ihren hochhackigen Schuhen an die Lippen zu halten, um ausgiebig am Absatz zu nagen.
Mio Vong Was für ein Netter Sie sind. So etwas erkennt eine Frau auf den ersten Blick.
Meinard Lembel Bringen Sie uns bitte Kaffee.
Mio Vong Für einen Netten doch immer.
RLG In seinem Büro hockte sich Lembel sofort hinter den riesigen Schreibtisch in seinem Chefsessel. Gegenüber von ihm fand Radius Lehr Platz.
Meinard Lembel Meine Zeit ist äußerst knapp bemessen, ich möchte Sie daher bitten, gleich zur Sache zu kommen.
Radius Lehr Aber klar doch, außerdem hab ich auch keine Zeit. Ich wüsste auch nicht, was ich hier solange soll. Ist ja sowieso nur eine einzige Frage. Aber das wissen Sie ja bereits.
Meinard Lembel Na, dann legen Sie mal los, mein Ohr steht Ihnen zur vollen Verfügung.
Radius Lehr Und wie ich loslegen werde, und dann sind Sie mich auch gleich wieder los.
Meinard Lembel Nur zu, junger Mann. Und tun sie sich keine Zwänge an.
Radius Lehr Nein! Ja!
Meinard Lembel Frei von der Leber!
Radius Lehr Na ja, dass es mir leidtut.
Meinard Lembel Leid?
Radius Lehr Na klar.
Meinard Lembel Leid – was tut ihnen leid? Um Himmelswillen, meine Zeit drängt wirklich, nicht, dass Sie mir jetzt noch ein Rätsel aufgeben wollen.
Radius Lehr Es ist doch nur, weil ich so schlimme Sachen an ihren feinen Schädel geknallt habe. Die Amalie hat das übrigens auch gesagt.
Meinard Lembel Ach dies. Aber ich bitte Sie, ich schlage vor, wir vergessen die ganze Angelegenheit einfach.
Radius Lehr Soll das heißen, dass sie mir nicht mehr böse sind?
Meinard Lembel Schwamm drüber, außerdem muss ich zugeben, auch ich hatte gestern nicht meinen allerbesten Tag.
Radius Lehr Kann man gar nicht laut genug sagen.
Meinard Lembel Na, na, mein Lieber, sich gegenüber Ihnen zurückhalten fiel natürlich alles andere wie leicht. Nach Ihrem Auftritt gestern, das ist vielleicht etwas, was Sie vielleicht einräumen sollten. Dabei ist sie wirklich ein so nettes, kleines Mädchen.
Radius Lehr Ach so, aber Sie meinen nicht die Anne – oder etwa doch?
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