Mit dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren entstehen mit Masse und Energie zwei äquipotente Qualitäten, welche im Zusammenspiel von Ursache und Wirkung die Kausalität begründen und Expansion und Retraktion oder Fliehkraft und Anziehung entwickeln. Deren dialektisches Zusammenspiel wird in immer wieder neuer Form und neuer Beschreibung den Weltraum, den Mikrokosmos, die Welt der Pflanzen, der Tiere und auch des Menschen am Laufen halten und die Evolution lenken. Ursache und Wirkung, Information und Aktion sind äquivalente Kräfte. Jede Ursache und jede Information hatte selbst eine Ursache oder einen Auslöser und jede Wirkung, jede Reaktion und jede Aktion wird wiederum zum Auslöser. Die von der menschlichen Philosophie in die Diskussion gebrachte Unterscheidung von „Subjekt“ als handelndem Prinzip und „Objekt“ als reagierendem Prinzip und deren mit dieser Unterscheidung aufgekommene unterschiedliche Wertigkeit und Wichtigkeit existiert in der natürlichen Welt der Evolution nicht. Im Netzwerk der Evolution sind Alle oder Alles einmal Handelnde oder Subjekte, dann wieder Reagierende oder Objekte. „Während wir handeln wird gleichzeitig an uns gehandelt“sagt der schottische Philosoph und Aufklärer Hume (1711-1776) im 18. Jahrhundert und bestätigt, was schon 2000 Jahre früher in Indien und in China als ein Gesetz des Lebens verkündet wurde: Im Karma sieht der Inder jene in Natur und Mensch wirksamen Kräfte von Körper und Geist, von pakriti und purusha, die im Zusammenspiel das Dharma oder das Schicksal des Menschen bestimmen. In China wird zu gleicher Zeit das indische Dharma zum chinesischen DAO und wird von Yin und Yang gestaltet. Das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung, von Irritation und Reaktion, von pakriti und purusha, von Yin und Yang wird schließlich in Darwins Theorie der Evolution zu Distinktion und Integration. Dialektik lenkt Materie, das biologische Leben, die Entwicklung menschlicher Mentalität und schließlich auch menschliche Kultur.
2. Aus „Irritation und Reaktion“ werden Pflanzen und „Triebe“.
Bis zur Entstehung von Leben durch Pflanzen und Tiere werden Milliarden Jahre vergehen, in denen ein kosmologisches Gesetz von Ursache und Wirkung regiert. In der Welt der Biologie, einer Welt der Pflanzen und der Tiere, sind sensorische Reize oder Irritationen die Information und Energie führt zu Reaktion oder Aktion. Das bisherige Gesetz von Ursache und Wirkung, von Information und Aktion wird zu einem Leben schaffenden Gesetz von Reiz und Reaktion, zu einem das Leben erhaltenden dialektischen Prinzip, zu einer Grundstruktur der Biologie.Sie wird die biologische Evolution und deren Vielfalt und auch die mentale Evolution bis heute bestimmen. Konsequenz eines jeden biologischen Organismus ist eine „arterhaltende Zweckmäßigkeit“ schreibt Konrad Lorenz 18. Jeder Organismus will sich selbst erhalten, dann seine Art erhalten und sich fortpflanzen. Dazu braucht er eine optimale Verwertung seiner Energie und er braucht Wissen oder Informationen über sein körperliches Befinden und über seine Situation in einem gegebenen Umfeld. Energie und Information sind die Grundvoraussetzungen des Lebens und dessen Evolution. Drohen in einem sich verändernden Umfeld Gefahren, so muss ein Organismus besser, stärker, wiederständiger werden. Er braucht mehr Energie und mehr Information. Energieverbrauch und Informations-menge müssen in Relation zueinander wachsen, wenn Evolution möglich sein soll.
In der „thermophylen Welt“ 19im Übergang der Materie in eine belebte Welt bestimmen unterschiedliche Formen von Bakterien die Entwicklung. In Milliarden Jahren entwickeln sie in einem von der heutigen Erde völlig unterschiedlichen Milieu aus Schwefel und Hitze chemische Bausteine, die zu Informanten werden und Reaktionen auslösen. Nach diesen Milliarden Jahren einer Existenz im Wasser wagen zunächst Pflanzen, dann Tiere vor etwa einer Milliarde Jahren den Übergang aufs Land und formen eine neue Welt des Lebens. Dem kosmologischen Gesetz von „Ursache und Wirkung“ folgt ein biologisches Gesetz von „Irritation und Reaktion“. Die Pflanzen machen den Anfang. Ein Kampf um Fortpflanzungsfähigkeit beginnt. In einer Vorläuferzelle entsteht durch chemische Reaktion das Chlorophyll. Durch Symbiose wird Chlorophyll zum bleibenden Besitz einer aufnehmenden Zelle. Diese von Chloroplasten profitierenden Eukaryocyten wagen vor ca. einer Milliarde Jahre den Landgang und werden auf unserer Erde eine Welt der Pflanzen begründen. Chlorophyll wird zum Ort der Photosynthese, mit welcher die Lichtenergie der Sonne aus gasförmigem CO2 und Wasser Kohlenstoff als Baustein des Lebens und Sauerstoff als „Abfallprodukt“ schafft. Pflanzen begründen eine eigene Lebenswelt: Sie entnehmen die Energie dem Licht der Sonne und bekommen den Kohlenstoff als Baustein. In einer energetisch vom Sonnenlicht abhängigen Welt der Pflanzen streben diese der Sonne entgegen. Aus einem im Boden existierenden Netz aus Wurzeln werden dem Licht zugewandte Stängel oder Stämme, die als Sprossachse Stabilität bedeuten, Nährsubstanzen und Wasser transportieren oder im Blattwerk den Wasseraustausch mit dem Umfeld regulieren und die Photosynthese bewältigen. Der Sonne zustrebend bilden Blüten oder Baumkronen schließlich das obere Ende des Wachstums. Ihre Farbenpracht und ihre Duftwolken sorgen für die Fortpflanzung, indem Wind und Insekten den Pollen weiter tragen. Ortsständigkeit wird zur Lebensgrundlage der Pflanzen: 1800 Jahre alte Baobabs, aber auch rasch wachsende, im Winde sich biegende Kräuter schaffen es zu überleben, ohne ihren Platz zu wechseln. Wer nicht beweglich ist wird untergehen, so das Licht der Sonne schwächer wird, so Wurzeln die Versorgung nicht mehr leisten können, die Lebenssäfte ausbleiben oder das Alter ein pflanzliches Leben beendet. Aus sterbenden Pflanzen und Wäldern werden Fossile wie Torf, wie Kohle, Erdöl und Gas. In ihnen ist jener Kohlenstoff gebunkert, der, von Sonnenenergie gestützt, aus CO2 und Wasser entsteht und zur Bausubstanz der Pflanzen und bald auch der Tiere werden sollte. Milliarden oder Millionen Jahre später beobachten Menschen wie aus verbranntem Holz und etwas später auch aus verbrannter Kohle oder Erdöl Wärme entsteht. In unserer Zeit erst entdecken die Menschen wie beim Verbrennen von Kohle und Öl zwar jene Lichtenergie freigesetzt wird, die in der Evolution aus CO2 und Wasser den Kohlenstoff schuf, bis nochmals später die Menschen schließlich realisieren, dass beim Verbrennen von fossilen Ablagerungen nicht nur Energie, sondern auch das in der Evolution benutzte CO2 wieder freigesetzt wird. Heute erleben wir, wie beim Verbrennen von fossilen Substanzen das frei werdende CO2 unsere Atmosphäre verdichtet, die Reflexion der Lichtstrahlen der Sonne erschwert wird und ein Treibhausklima entstehen lässt. Es wird langfristig in einem lebensfeindlichen Klima auf unserer Erde enden, wie es vor der Landnahme von Pflanzen und Tieren schon bestand. Ein evolutionäres Gesetz bestätigt sich: Was einmal von Nutzen war und die Lebenswelt von Pflanzen und Tieren ermöglichte kann in neuem Gewand oder im maßlosen Gebrauch der von Pflanzen und Tieren hinterlassenen fossilen Brennstoffe jene Situation wieder herbeiführen, die Cyanobakterien oder ihre Schwefel konsumierenden Vorfahren in der Tiefe unserer Meere wird überleben lassen, aber das Überleben von Pflanzen und Tieren, zu denen auch der Mensch gehört, auf der Erde bedrohen kann. Die Evolution bestätigt eine buddhistische Weisheit: „Was böse war kann Gutes schaffen, aber aus Gutem wird nicht selten auch Böses“. In einer dialektischen Welt der Evolution werden Umfeld und auch die in diesem lebenden Geschöpfe zu Gestaltern. Die Wünsche und die Bedürfnisse aber der von der Evolution erschaffenen Gestalter verändern sich mit der Zeit. Sie haben sich mit der Entstehung des Menschen verändert: Umweltschäden und Erderwärmung sind die aktuellen vom Menschen erzeugten Folgen.
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