Albert Ludewig Grimm
Lina´s Mährchenbuch - Eine Weihnachtsgabe
Leicht wird man in Mordi`s Garten die Fabel des Singspieles Zemire und Azor, so wie in dem Knüppel aus dem Sacke
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Inhaltsverzeichnis
Titel Albert Ludewig Grimm Lina´s Mährchenbuch - Eine Weihnachtsgabe Leicht wird man in Mordi`s Garten die Fabel des Singspieles Zemire und Azor, so wie in dem Knüppel aus dem Sacke Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Impressum neobooks
Erster Band.
Mit fünf colorirten Kupfern.
Vorrede für die Aeltern.
Indem ich dieses Mährchenbuch dem Publikum übergebe,
glaube ich einigermaßen zur Rechenschaft über
den Inhalt desselben verbunden zu seyn. – Leicht wird
man in M o r d i ' s G a r t e n die Fabel des Singspieles
Z e m i r e und A z o r , so wie in dem K n ü p -
p e l a u s d e m S a c k e ein anderes bekanntes
Volksmärchen wieder erkennen, das ich unter dieser
Gestalt, die ich für die ursprünglichste halte, am häufigsten
fand. Das Mährchen von dem k l e i n e n
F r i e d e r m i t s e i n e r G e i g e geht ebenfalls,
obgleich nur selten, noch im Volke umher. Ich habe
es aus A y r e r , einem Nachfolger des Hanns Sachs
genommen, wo es dramatisirt steht, und einige Redensarten
sind ganz von ihm beibehalten. Das Mährchen
von B r u n n e n h o l d und B r u n n e n s t a r k
verdanke ich mit allen darin beibehaltenen Nebenumständen
der Erinnerung an meinen siebenzigjährigen
Großvater, einen schlichten Bürgersmann, der es mir
in meinem sechsten und siebenten Jahre nebst den
meisten Mährchen der T a u s e n d u n d e i n e n
N a c h t so oft erzählte, daß ich es mit diesen ganz in
eine Reihe zu stellen gewohnt ward, und es sogar in
der Tausend und einen Nacht suchte, als ich sie später
einmal in die Hände bekam. Woher er den köstlichen
Stoff dieses Mährchens geschöpft, ist mir bis diese
Stunde noch unbekannt, so sehr ich auch allenthalben
darnach forschte. Selbst meine gelehrten beiden Namensverwandten
übergehen es in ihrem von ungemeiner
Belesenheit zeugenden Anhange zu dem ersten
Theile ihrer »Kinder- und Haus-Märchen,« und das
Mährchen selbst besitzen sie nur in einem, durch des
Volkes Mund sehr verunstalteten und skizzenartigen
Fragmente. – Die Thierfabel von der F r e u n d -
s c h a f t d e s P e r l h u h n s m i t d e m S e i -
d e n h ä s c h e n u.s.w. ist durch ein auffallendes Beispiel
freundlichen Beisammenwohnens und Zusammenspielens
jener Thiere entstanden. Ich habe nur den
Thieren Sprache gegeben; und so ist diese Erzählung
geworden, die eher Wahrheit, als Fabel, zu nennen
wäre. Das Mährchen von der s c h w a r z e n Z i -
t h e r ist durch einen unvergeßlich wunderbaren
Traum aus meinem frühesten Kindesalter veranlaßt,
zu dessen weiterer Erzählung hier nicht die schickliche
Stelle zu seyn scheint.
Ueber die Behandlung der Stoffe und das Gewand,
in welchem diese Mährchen erscheinen, bedürfte es
eigentlich keiner weitern rechtfertigenden Auseinandersetzung.
Eine ähnliche Sammlung hatte sich eben
sowohl einer ermunternden Beurtheilung in mehreren
öffentlichen Blättern zu erfreuen, als sie auch von den
Kindern aller Stände mit gleicher Lust gelesen Und
wieder gelesen wurde. Selbst auf einem einsamen
Bauernhofe fand sie einer meiner Freunde in den Händen
eines Bauerknaben, der sich sogar durch die ungewöhnliche
Ankunft des Fremden nicht stören ließ,
sondern mit unermüdlichem Eifer darin fort las. Solche
Erscheinungen sind die günstigsten Recensionen
für Jugendschriftsteller. Gleichwohl finde ich mich
durch die Vorrede meiner Herren Namensverwandten
in dem ersten Theile ihrer Sammlung zu einigen Worten
darüber veranlaßt. In kindlicher Einfachheit müssen
freilich die Mährchen für Kinder erzählt werden.
Aber dazu gehört ein ganz idealer Erzähler, den man
nicht in der ersten besten Kindermagd unserer Tage
findet, und fehlt dieser, so muß der Dichter seine Stelle
vertreten. Der selige Runge hat in ihrer Sammlung
zwei wunderschöne Mährchen unnachahmlich in
plattdeutscher Sprache erzählt. Sie sind aber gewiß
nicht s o aus dem Munde des Volkes aufgeschrieben.
Die meisten ihrer übrigen Mährchen tragen noch das
Gepräge eines ganz gewöhnlichen Erzählers aus dem
Volke mit allen seinen Fehlern, wie es denn überhaupt
an der übrigens so sehr verdienstlichen Sammlung
zu bedauern ist, daß nicht sorgfältiger davon abgeschieden
wurde, was doch augenscheinlich durch
die Länge der Zeit, während diese Mährchen Volkseigenthum
waren, von verschiedenen Erzählern
Schlechtes und Unpoetisches in Form und Stoff zuge-
mischt ist, woher es auch kommt, daß man unter verschiedener
Form dasselbe Mährchen oft zwei- oder
dreimal in demselben Buche findet.
Als ein Buch, das Kindern in die Hände gegeben werden
kann, darf man jene Sammlung aber keineswegs
ansehen, wenn auch alles Erwähnte unerwiesen oder
unschädlich wäre. Ich habe es immer nur mit dem
größten Mißfallen in Kinderhänden gesehen. Statt
weiterer hier nicht am rechten Orte stehender Erörterungen
verweise ich nur auf Nr. 12, und Väter und Erzieher
werden hier, wie an noch mehreren Orten, Ursache
genug finden, ihm nicht den Namen einer Kinderschrift
beizulegen, was es auch nach der Ansicht
der Herren Herausgeber wohl gar nicht seyn soll.
Sollten sie es aber doch auch dazu bestimmt gehabt
haben, so möchte hier das alte Sprüchlein anzuwenden
seyn: »Niemand kann zweien Herren dienen.« –
Nur das Reinste kann Stoff für die Phantasie des
Kindes seyn, und Halbreines ist hier schädlicher, als
völlig Unreines. In dieser Ueberzeugung ist Lina's
Mährchenbuch entstanden, und Niemand wird in dieser
Rücksicht ein Aergerniß daran zu nehmen Ursache
finden.
So nehmt es denn hin! und möchten sich recht viele
Kinder seiner erfreuen, wie sich viele der ersten
Sammlung erfreuten.
Daß ich dieses Buch aber gerade L i n a ' s Märchenbuch
nenne, werden sich alle Kinder, so Knaben
als Mädchen, schon gefallen lassen, wenn ich ihnen
sage, daß Lina dasselbe gute Mädchen ist, von dem in
dem Mährchen von der Freundschaft des Perlhuhns
mit dem Seidenhäschen u.s.w. erzählt wird, und dem
alle jene Thiere gehörten.
Weinheim, im Christmonate.
A.L.G.
Zur Erklärung des Titelkupfers.
Auf der Höhe ruht der Sänger,
Mild umspielt vom Abendwind
Zu den Füßen seiner Lieben;
Neben ihm ein lieblich Kind.
Unter ihm auf blauen Wellen
Still dahin die Schiffe ziehn,
Und die alten Schlösser schauen
Ernst aus dunklem Blättergrün.
Ueber ihm regt seine Schwingen
Stolz ein silberweißer Schwan,
Und der Abendstern blickt grüßend
Den verzückten Dichter an.
Aus den Felsenritzen tönet
Neckischlust'ger Gnomen Chor;
Ueber ihren braunen Häuptern
Lacht ein bunter Blüthenflor.
Der Poet lauscht bald der Sage,
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