Bald des Mährchens süßem Sang,
Und berührt vom Schmetterlinge
Rauscht der Zitter Saitenklang.
Liebe flüstert mild zur Sage,
Sage spricht zum Dichter mild;
Er erzählt dann Sag' und Mährchen,
Tief im Thal dem frommen Kind.
K a r o l i n e L e o n h a d t - L y s e r .
1. Mordi's Garten,
ein dramatisirtes Mährchen in vier Akten.
Mordi »Bist du etwa Besenstielchen?«
(Mordis Garten)
Personen.
Herr Mordi, erst ein Ungeheuer, hernach ein König.
Schira, ein reicher Kaufmann.
Astralle
Hirlanda
Roselinde seine Töchter.
Sami
Lugar
Guran Schira's Diener.
Ein Meister Arzt.
Besenstielchen.
Rauna
Billowa
Lodissa Königstöchter.
Mehrere Diener Mordi's und Schira's.
Miß Käthchen, im Anfange Misekätzchen.
Hunde, Störche und dergleichen Diener Mordi's.
Minister, Räthe, Gefolge.
Erster Akt.
Erste Scene.
(In Mordi's Garten.)
Ein breiter Weg zieht durch hohe, blühende Bäume:
neben dem Wege blühen mancherlei Blumen. Ein
wenig vom Wege entfernt steht ein Rosenstock mit
einer einzigen eben aufblühenden Rose. Etwas
ferner sieht man dichte Lauben und schattige
Gänge. Im Hintergrunde steht ein prächtiges
Schloß, über welches ein hohes Gebirge hervorragt,
auf dem einzelne rauchende Hütten zerstreut liegen.
S c h i r a ,
auf einem schönen Arabischen Rosse reitend, hinter
ihm seine Knechte mit reich beladenen Kameelen.
Er hält sein Pferd an, und ruft zurück.
Haltet, Knechte! laßt die Thiere
Von der Fahrt ein wenig rasten.
Mögt auch selbst ein wenig ruhn.
Früh sind wir ja aufgebrochen,
Und es war der Weg beschwerlich,
Bin des Reitens selber müde.
Er steigt ab, und winkt einem Diener.
Sami, nimm mein Roß am Zügel,
Führ' es, bis es sich verkühlet.
S a m i
nimmt das Roß, und führt es auf und ab.
S c h i r a , umhersehend.
Ei, welch blumenreicher Garten
Ist das nicht, in dem wir weilen.
Wer nur in dem Garten lebte,
Wer die Herrschaft jenes Schlosses;
Müßte glauben, Frühling sey es,
Während draußen vor dem Garten
Schon der Herbstwind von den Bäumen
Roth und gelbe Blätter schüttelt.
S a m i .
Ja, das ist auch M o r d i ' s Garten,
Wo die Blumen immer blühen.
S c h i r a .
Mordi's Garten? Wer ist Mordi?
S a m i .
Herr, nachher sollt Ihrs erfahren,
Wenn wir aus dem Garten ziehen.
Hier getrau ich's nicht zu sagen.
S c h i r a .
Furchtsam Herz! Ich kenn dich, Alter.
Steckt dein Kopf doch voller Mährchen,
Die verwirren dir die Sinne.
S a m i .
Hütet Euch, daß Ihr nicht selber
In ein Mährchen Euch verstricket.
Folget meinem guten Rathe,
Und verlaßt Herrn Mordi's Garten;
Haltet wenigstens Euch ruhig.
(zu den Knechten:)
Und ihr Andern, bleibt im Wege,
Daß die Thiere nichts zertreten!
Hütet euch vor Mordi's Rache.
S c h i r a .
Hat ein Wahnsinn dich ergriffen,
Alter? bist du närrisch worden?
S a m i .
Herr, befolget, was ich sage,
Denn ich kenne wohl den Garten;
Wohnt ich einst doch in der Nähe. –
Seht Ihr dort die Hütten rauchen?
Dort stand meines Vaters Hütte,
Dort erzählte mir die Mutter
Manches wunderliche Mährchen,
Und dann wies sie oft herunter,
Sprechend: »Seht, d o r t ist's geschehen!
Dort steht noch Herrn Mordi's Garten.
Darum bleibt hier auf den Bergen,
Hütet euch vor Mordi's Rache!«
S c h i r a .
Dort im Schlosse wohnt Herr Mordi?
S a m i .
Schweigt, o Herr, ich bitt' Euch herzlich!
Alles sollt Ihr ja erfahren,
Wenn wir aus dem Garten ziehen.
Nur verschont mich jetzt mit Fragen.
S c h i r a , unwillig.
Läppisch Kind mit grauem Kopfe!
Solltest dich der Einfalt schämen.
So behalte dein Geheimniß,
Deine dummen Ammenmährchen!
Will sie jetzt auch gar nicht wissen.
Aber geh mir aus den Augen,
Und im Zuge sey der Letzte.
Führ' ein Andrer meinen Rappen,
Daß ich ihn heut nicht mehr sehe.
G u r a n
nimmt ihm das Roß ab, und Sami geht traurig auf
die Seite.
L u g a r kommt.
Sollen wir ein Zelt Euch spannen,
Das Euch vor der Sonne schirmet?
S c h i r a .
Laßt's. Wir rasten hier nicht lange,
Stehn ja hier auch viele Bäume,
Ferne dort auch kühle Lauben,
Drin ich kühlen Schatten fände.
Doch mich lockt der schöne Garten,
Näher mir ihn zu betrachten.
(Er geht herum, und betrachtet die Blumen.)
Sieh doch! blühn ja hier versammelt
Alle Blumen, die ich kenne.
Nur die Königinn der Blumen,
Nur die Rose seh' ich nirgend.
Und vor allen möcht' ich grade
Eine Rose mir jetzt pflücken,
Denn es mahnen mich die Blumen
An ein unerfüllt Versprechen.
– Als ich auszog aus der Heimath,
Fragt' ich meine Töchter alle:
Was soll ich euch aus der Ferne
Bringen, wenn ich wiederkehre?
Und es forderten die ältern
Sich ein Kleinod zum Geschenk.
Doch als ich die dritte fragte,
Meine zarte Roselinde:
Sprich, was soll ich für ein Kleinod
Dir mein herzig Mädchen bringen?
Sprach sie: Bring von deinen Fahrten
Mir, o Vater, nichts zum Schmucke,
Nichts, als nur ein frisches Röslein.
Das versprach ich, nicht bedenkend,
Daß ich mit dem Herbst erst wieder
Mich zu meiner Heimath wende. –
Unter vielen reichen Waaren,
Die ich zum Verkauf' ertauschet,
Bring' ich auch, was ich versprochen,
Meinen beiden ältern Töchtern. –
Roselindens frisches Röslein
War mir aus dem Sinn gekommen.
Hier kann ich es ihr nun suchen.
Und in feucht genetztem Moose
Hält es sich wohl frisch und blühend,
Bis ich es nach Hause bringe,
Was bis morgen kann geschehen.
L u g a r .
Täuscht mich nicht mein Auge? sehet,
Blüht dort nicht ein frisches Röslein,
Schön, wie Roselindens Wangen?
S c h i r a .
Nein, es täuscht dich nicht dein Auge;
Ja, das ist ein frisches Röslein!
Und wie schön! es faltet eben
Aus dem grünen Kelch die Blätter,
Die erröthend sich in Fülle
An das Licht der Sonne drängen.
(Er geht hin, die Rose zu brechen.)
Komm, du Röslein, laß dich brechen!
Sollst mein frommes Kind – –
S a m i
(stürzt ihm in den Weg und läßt sich auf die Kniee.)
O, haltet!
Zürnet, Herr, so viel Ihr wollet,
Stoßt mich ganz aus Euern Diensten,
Stoßt mich alten Mann ins Elend –
Aber schonet Euch nur selber,
Brecht von Mordi's Blumen keine.
S c h i r a .
Bist du ganz von Sinnen, Alter?
S a m i .
Laßt, o laßt die Rose stehen.
S c h i r a .
Sami, stelle nicht zu lange
Meine Nachsicht auf die Probe,
Daß ich deine früh're Treue
Nicht um deiner Thorheit willen
Gar vergesse. – Und was ist es
Denn am Ende werth der Rede?
Mag Herr Mordi seine Rose
Höher achten, als wir glauben, –
Wäg ich sie ihm auch mit Golde,
Wird er sich zufrieden geben;
Und der Kauf soll mich nicht reuen,
Müßt ich zehnfach Goldesschwere
Für das frische Röslein wägen,
Um es meiner Roselinde
Von der Fahrt mit heim zu bringen,
Wie beim Abschied ich versprochen.
Darum geh, laß mich gewähren!
(Er stößt ihn zurück, und bricht die Rose.)
S a m i .
Herr, Ihr werdet mein gedenken.
S c h i r a .
Wohl, so ist es meine Sache.
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