Jetzt, nachdem ich hier verloren,
Was das Liebste mir gewesen.
D i e n e r und K n e c h t e kommen furchtsam.
S c h i r a .
Wollt ihr denn hier ewig bleiben
In der Macht des Ungeheuers?
Jeder schnell zu seinen Thieren!
Treibt sie eilig durch den Garten,
Daß wir nicht zum zweitenmale
In die Krallen ihm gerathen.
D i e K n e c h t e
jagen ihre Kameele auf, und ordnen sie zum Zuge.
L u g a r
bringt eine große goldene Dose und etwas feuchtes
Moos.
Hier ist, Herr, die goldne Dose;
Größer konnt ich sie nicht finden.
Doch das Röslein wird hinein gehn.
S c h i r a legt die Rose hinein.
O, du fromme Roselinde,
Dir soll ich das Röslein geben,
Das ich um dich selbst erkaufet.
Das ich mit dir selbst bezahle?
– Ja, du hast es selbst begehret.
O, ich hätt' es merken sollen,
Als du nur ein Röslein wünschtest,
Daß in dem geringen Wunsche
Noch geheim ein Zauber stecke.
G u r a n bringt das Roß.
S c h i r a
nimmt den Zügel, und giebt Guran die Dose.
Nimm die Dose, trag sie sorgsam,
Daß du mir sie nicht verlierest.
Sie enthält ein theures Kleinod,
Wohl das theuerste von allen,
Die ich in der Karawane
Diesesmal nach Hause bringe.
(Er steigt auf das Roß.)
Armes Mädchen! armes Mädchen!
Warum mußtest du vor allen
Auf die Rose denn verfallen?
(Er reitet traurig und langsam ab. Die Diener und
Knechte folgen ihm mit den hundert Kameelen in
geordnetem Zuge.)
Zweite Scene.
(In Schira's Hause. Wohnzimmer.)
H i r l a n d e , A s t r a l l e und R o s e l i n d e .
A s t r a l l e .
Meine Spitzen sind jetzt fertig.
Jetzt hab' ich den schönsten Anzug,
Den ich mir nur wünschen könnte:
Denket euch mein Kleid von Scharlach,
Meine goldgestickten Schuhe,
Meine Diamantenringe,
Und jetzt gar mein Spitzenschleier! –
Ach, wie stolz will ich dahergehn!
Meine Perlen in den Haaren!
Aber Eines fehlt noch, – Eines:
Gold'ne Ohrgehäng' mit Steinen,
Die im Lichte strahlend flimmern.
Doch die bringt mir ja der Vater,
Wenn er kommt von seiner Reise.
Aber dann ist auch mein Anzug
So vollkommen, als nur möglich.
H i r l a n d e .
Und mir fehlt es nur an Ringen.
Weißt du? Ohrgehänge hab' ich,
Aber keine Demantringe.
Darum sagt ich auch dem Vater,
Als er fragte, was ich wollte:
Schöne Fingerringe möcht' ich
Wohl an meinen Händen tragen.
Die versprach er mir zu bringen. –
Ach, er bleibt nur gar zu lange
Diesesmal auf seinen Reisen.
R o s e l i n d e .
Fast kann ich ihn nicht erwarten.
Als die Veilchen kaum noch blühten,
Zog er mit der Karawane
Nach dem reichen Morgenlande.
Jetzt sind schon die Asterblumen
Bald verblüht, und immer, immer
Will er noch nicht wiederkehren.
H i r l a n d e .
Ei, mich freut's, wenn lang er bleibet.
Solches ist ein sicher Zeichen,
Daß er viele reiche Waaren
Sich ertauscht in fernen Landen.
Und so wird er immer reicher,
Gar so reich, als unser König,
Und wenn man von uns dann redet,
Sagt man nur: d i e r e i c h e n D a m e n –
Täglich dürfen wir in Seide
Und in Gold gestickt dann gehen,
Dürfen bei des Königs Festen
Sitzen unter seinen Rittern,
Wie die Gräfinnen und Fräulein,
Spielen dann mit seinen Töchtern,
Tanzen auch mit seinen Söhnen.
A s t r a l l e .
Ja, da hast du Recht. Wir sehen
Ja schon jetzt, wie alle Leute,
Die an uns vorüber gehen,
Tief sich neigend uns verehren.
R o s e l i n d e .
Ja, sie grüßen uns sehr höflich.
Aber sag mir, liebe Schwester,
Wenn wir nun in schlechten Kleidern
Gingen, wie im Hof die Mägde,
Würden sie dann auch uns grüßen?
A s t r a l l e .
Ei, wie dumm!
H i r l a n d e .
Einfältig Mädchen!
A s t r a l l e .
Wer wird eine Magd denn grüßen,
Die in schlechten Kleidern gehet,
Wie man reiche Kaufmannstöchter
Grüßet, die in Seide gehen?
R o s e l i n d e .
Ei, da grüßen ja die Leute
U n s nicht, sondern unsre K l e i d e r .
H i r l a n d e .
Wie du wieder kindisch redest
Für ein Mädchen von elf Jahren.
(zu Astrallen:)
Komm, Astralle! komm, wir wollen
Uns an's Kaufgewölbe setzen,
Wo die Leute aus- und eingehn.
Habe von des Königs Hofe
Eingehn sehn zwei hohe Diener,
Die sind immer gar zu höflich
Ach, wie werden die sich neigen,
Wenn sie uns da sitzen sehen.
(Sie gehen ab.)
R o s e l i n d e allein.
Ich weiß nicht, was meine Schwestern
Nur in aller Welt dran haben,
Wenn sie fremde Leute grüßen,
Da man doch ihr Kleid nur grüßet.
Und warum denn möchten gar sie
Mit des Königs Töchtern spielen?
Pfui! mit diesen spielt ich gar nicht!
Hab' ihnen noch vor wenig Tagen
In dem Garten ihres Schlosses
Beim Spazierengehn begegnet.
Als die Eine springen wollte,
Einen Schmetterling zu haschen,
Sagte gleich die alte Dame
Mit der spitzen, rothen Nase,
Die sie überall begleitet,
Auf Französisch ein Par Worte:
»Fi ma chère vous êtes prinçesse!«
Und des Vaters Schreiber sagte,
Dieses heiße: »Pfui doch, Liebe!
Schickt sich das für die Prinzessinn?«
Nein, wenn ich nicht laufen dürfte,
Nicht nach Schmetterlingen haschen,
Nicht mit meinem Lämmchen springen,
Nicht im Garten Fangens spielen,
Oder meine Blumen gießen –
Sitzend möcht' ich gar nicht spielen.
– Ei, da kommt das liebe Mädchen
Aus den kleinen Häuschen drüben,
Wo der Besenbinder wohnet.
B e s e n s t i e l c h e n
guckt furchtsam zur Thüre herein; in der Hand hat
sie eine Handvoll Samenkronen vom Löwenzahn.
Darf ich' rein?
R o s e l i n d e .
Ja, Besenstielchen;
Meine Schwestern sitzen unten.
Freilich, wenn die bei mir wären
Würden sie dich von mir schicken;
Denn sie sagen, ich sey reicher,
Hätte viele schöne Kleider,
Und da woll' es sich nicht schicken,
Daß ich mit dir freundlich spiele,
Denn du hättest schlechte Kleider;
Aber ich hab' doch dich gerne. –
Ei, was hast du da für Dinge?
B e s e n s t i e l c h e n .
Blumenlichter. Guck!
(Sie bläst die Samenkrone von einem Stiel ab.)
Ei, Alles!
Das bedeut' mir langes Leben.
R o s e l i n d e .
Ach, du liebes Besenstielchen,
Sey so gut, schenk mir doch eines.
B e s e n s t i e l c h e n .
Da, da!
(Sie gibt ihr alle.)
Nimm nur alle. Morgen
Geh' ich wieder mit dem Vater
In den Wald nach Besenreisern,
Bring dir da den ganzen Arm voll.
R o s e l i n d e bläst eine Samenkrone ab.
Sieh, das hab' ich ausgeblasen,
Alles ist davon geflogen.
(Sie bläst die andern auch ab.)
B e s e n s t i e l c h e n .
Guck, ei, guck! du wirst recht alt noch.
R o s e l i n d e .
Ei, wo kannst du das denn sehen?
B e s e n s t i e l c h e n .
Ist kein Härchen dran geblieben,
Das bedeutet langes Leben.
Mein' Großmutter weiß so Vieles,
Die hat mir das auch gelehret.
Aber die muß sehr bald sterben,
Sie hat so 'nen schwachen Athem,
Kann dir keines halb ausblasen,
Bleiben alle beinah hängen.
– Ach, was hast du da für schöne
Rothe Schuh an, Roselinde?
R o s e l i n d e zeigt sie.
Gelt, du hast nur immer schwarze?
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