Die Faszination des Klartraums ist kaum in Worte zu fassen. Wenn mich jemand fragt, zu was man im Klartraum fähig ist, fällt mir darauf nur eine Antwort ein: „Alles, wozu du in der Lage bist, es dir vorzustellen.“ Tatsächlich ist im Traum alles möglich, wozu deine Phantasie im Stande ist. Die Grenzen im Klartraum sind nicht vorgegeben, sondern werden durch dich selbst limitiert. Damit du dir ein wenig vorstellen kannst, wie sich ein luzider Traum anfühlt, möchte ich dir eine häufig genutzte Metapher aufzeigen. Stelle dir vor, dass ein normaler Trübtraum wie ein Kinobesuch ist. Du sitzt in einem Kinosessel und lässt dich über die Handlung des Traums überraschen, während du einfach dasitzt und darauf wartest, was als nächstes geschieht. Du lässt dich immer wieder hin- und herreißen, denn der Film zieht dich in seinen Bann und weckt Gefühle in dir. Du hast die Illusion, dass du mitten im Film bist. Letztendlich bist du aber immer nur ein stiller Beobachter. In einem Klartraum ändert sich das Ganze jedoch. Du verlässt den Kinosaal und betrittst das Filmset. Jetzt kannst du alle Aufgaben jeder einzelnen Instanz übernehmen. Du bist Regisseur, Kamera, Drehbuch, Szenerie und Hauptdarsteller gleichzeitig. Du kannst selbst entscheiden, welche Aufgabe du bewusst übernehmen möchtest oder deinem Unterbewusstsein überlässt. Dabei möchte ich dich noch einmal daran erinnern, dass sich die Wahrnehmung im Traum kaum von der Realität unterscheidet. Du kannst im Traum ebenso sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen wie in der Wirklichkeit. Die gesamte Situation kann dir dabei so real vorkommen, dass du kaum einen Unterschied zwischen dem Traum und der Realität erkennst. Du musst aber keinesfalls befürchten, dass die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen. Ganz im Gegenteil, luzides Träumen unterstützt dich dabei, dein Bewusstsein zu schärfen. Welche Türen dir im Klartraum offenstehen, werden wir in diesem Kapitel noch genauer unter die Lupe nehmen.
Wenn du luzides Träumen lernen willst, musst du wissen, dass es sich hierbei um einen Lernprozess handelt. Obwohl du bereits ein gewisses Talent mitbringen kannst, müssen Klarträume ein Leben lang trainiert werden, damit du dir mehr Möglichkeiten eröffnen kannst. Du wirst dich vermutlich ähnlich wie Harry Potter fühlen, der über Jahre hinweg die hohe Kunst der Zauberei erlernt. Mit regelmäßiger Übung können Klarträume nicht nur in ihrer Häufigkeit gesteigert werden, sondern auch die Stabilität und Tiefe des Traumes kann trainiert werden. So kann man es schaffen, seine Träume so detailliert, wie im realen Leben wirken zu lassen, die Dauer seiner Träume zu verlängern und die Klarheit so zu verstärken, dass man sich im Traum seiner Handlungen voll bewusst ist. Des Weiteren kann die Kontrolle des Traums so weit übernommen werden, dass man in der Lage ist, jedes kleinste Detail seiner Träume nach seiner bewussten Vorstellung nach zu gestalten. Wie du das volle Potential aus deinen Klarträumen wecken kannst, werde ich dir im dritten Kapitel näherbringen.
Du siehst also, luzides Träumen lohnt sich sehr. Das Beste dabei ist, dass du für das luzide Träumen streng genommen keine Freizeit investieren musst. Im Gegenteil, luzides Träumen schenkt dir die Möglichkeit auf verborgene Lebenszeit zurückzugreifen, die du eigentlich verschlafen würdest. Du musst dir nur einmal vorstellen, dass wir im Durchschnitt knapp 25 Jahre unseres Lebens verschlafen. Darunter fallen in etwa viereinhalb Jahre reine Traumzeit. Dank des luziden Träumens, können wir diese Zeit, die wir unbewusst verträumen, als bewusste Lebenszeit nutzen. Den bewusst erlebten Traum können wir - wie im Wachleben - nicht nur zu Unterhaltungszwecken nutzen, sondern uns dabei persönlich weiterentwickeln. Erfahrungen, die du in deinen Klarträumen sammelst, stehen dir logischerweise auch im realen Leben zur Verfügung. Wenn du also einen schwierigen Vortrag einüben, eine komplexe Sportart trainieren oder dich in der Aussprache einer Fremdsprache verbessern willst, kannst du das ebenso gut im Klartraum machen. Somit kannst du dir einen großen Vorteil gegenüber deiner Konkurrenz verschaffen, falls du in professionellen Bereichen tätig sein solltest.
Solltest du jetzt denken, dass sich all das zu schön um wahr zu sein anhört, kann ich dich beruhigen. Bei Klarträumen handelt es sich nicht um eine Lehre, die deinen Glauben daran benötigt. Luzide Träume sind wissenschaftlich fundiert und nachgewiesen. Ihre Existenz ist daher unbestreitbar. Genaueres dazu wird dich in diesem Kapitel erwarten.
Möglichkeiten
im Klartraum
Bevor du dir das luzide Träumen beibringst, solltest du ein genaueres Bild davon bekommen und wissen, was darin eigentlich möglich ist. Bisher konnte ich dir nur einen kleinen Überblick in die Thematik geben. Jetzt werde ich dir im Detail vorstellen, was beim luziden Träumen möglich ist. Wie könnte ich dir die Möglichkeiten, die ein Klartraum bietet, besser beschreiben, als von persönlichen Erfahrungen zu berichten? Daher werde ich in diesem Abschnitt meine eigenen Traumberichte verwenden, um dir anhand von anschaulichen Beispielen, die Möglichkeiten eines Klartraums näher zu bringen.
Ich blickte auf meine linke Hand und begann meine Finger zu zählen. Eins, Zwei, Drei... „Moment mal, warum habe ich nur drei Finger?“, dachte ich mir. Ich zählte nochmals von vorne: „Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf, Sechs, Sieben... Ah, das müsste ein Traum sein.“ Sofort überfiel mich das gewohnte Gefühl von Freiheit. Ich wusste, dass ich in meinem Bett lag und gerade träumte. Mein Bewusstsein wurde schärfer und ich fühlte mich völlig wach und klar. Ich wusste, dass mir nun alle Wege offenstanden.
Dass man im Klartraum bei vollem, wachem Bewusstsein ist, sollte dir bereits bekannt sein. Der Übergang zwischen Trüb- und Klarheit passiert rapide, wenn man in einer bestimmten Situation merkt, dass es sich um einen Traum handelt. In diesem Moment schaltet sich der präfrontale Cortex ein, der für logisches Denken und dem Treffen bewusster Entscheidungen zuständig ist. Man nimmt seine Traumumgebung ab diesem Zeitpunkt verschärft war, weiß aber trotzdem, dass man gerade im Bett liegt. Vor allem bei den ersten Klarträumen verspürt man einen gewaltigen Gefühlsüberschuss: Freude, Verblüffung, Freiheit, ...
Die Euphorie stieg sofort an. Ich war so glücklich einen Klartraum zu erleben. Die Freude sprudelte geradezu aus mir heraus. Meine Emotionen waren auf einem solch hohen Level, dass ich merkte, wie mir der Traum entglitt. Um ein Haar verfrachtete sich meine Wahrnehmung zurück in mein Bett, schaffte es aber doch noch den Fokus im Traum zu halten. Ich konzentrierte mich auf meinen Tastsinn, indem ich die kühle weiße Wand vor mir anfasste und meine Finger über den gestrichenen Putz wandern ließ. Ich sah mich in meiner Umgebung um und fand mich in meinem alten Klassenzimmer wieder.
Die Emotionsüberladung kann - vor allem bei Anfängern - zum Abbruch des Traumzustandes führen. Sobald Emotionen zu stark werden, reagiert der physische Körper mit entsprechenden hormonellen Reaktionen und bringt das Gehirn wieder in den Wachzustand zurück. Das ist völlig normal und wird dir zu Beginn deines Trainings wahrscheinlich des Öfteren passieren. Stelle dich also darauf ein, dass deine ersten Klarträume nur von kurzer Dauer sein werden. Mit der Zeit kannst du aber lernen, die Stabilität deines Klartraums zu erhöhen und somit die Dauer deines Traums zu verlängern. Mit Hilfe der Technik, bei der man sich auf seinen Tastsinn fixiert, kann man die Stabilität des Traums wiederaufbauen.
Nachdem ich meinen Traum noch stabilisieren konnte und mich in meinem alten Klassenzimmer wiederfand, hörte ich eine Stimme: „Andi! Du störst mal wieder den Unterricht!“ Ich blickte in die Richtung aus der die Stimme kam. Meine alte Lehrerin stand vor der Tafel und zeigte mit der Kreide auf mich. „Setz dich jetzt sofort wieder hin!“ Die Klasse sah mich kritisch an. Ich kannte nur wenige Personen, die angeblich meine Mitschüler waren. Meine Lehrerin, welche in diesem Traum ganz anders aussah als sonst, dafür aber genau den gleichen Charakter besaß, wurde langsam wütend. Ich ging zur Tafel und sagte ihr:„Keine Sorge, dass ist alles nur ein Traum. Sehen Sie...“ Ich sprang in die Luft, schwebte kurz und fiel langsam, wie eine Feder, wieder zu Boden. „Probieren Sie es auch mal aus.“ Ich sah, wie im nächsten Moment die gesamte Klasse aufsprang und ebenfalls versuchte in die Luft zu springen. Bei einigen funktionierte es. Darüber waren sie sehr erstaunt. Andere wiederum versuchten es vergebens. „Siehst du!“, sagte meine Lehrerin „Nicht alle träumen gerade.“ Fast habe ich ihrer Aussage Glauben geschenkt, weshalb der Traum langsam zum Trübtraum überging und ich die Kontrolle über den Traum verlor. Im letzten Moment fiel mir noch auf, dass ich es allein bin, der träumt und ich niemanden davon überzeugen muss. Die Klarheit kam wieder zurück.
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