»Ich habe befürchtet, dass Ihr etwas Schlimmes von mir verlangen würdet«, jammerte Acaton.
Sebastian trat schnell an Acatons Seite und wartete gespannt darauf, was der König dem Zauberer befehlen würde. Der Traum wirkte so real auf Sebastian, dass er für einen Augenblick zweifelte, ob es überhaupt noch ein Traum war.
Der König blieb stehen und sah dem Zauberer direkt in die giftgrünen Augen. »Die Siedler sind meine Feinde. Sie besetzen mein Land und bringen eine Kultur hierher, die ich in meinem Königreich nicht dulden werde!«
»Was für ein fieser Mensch«, fluchte Sebastian und hielt sich die Hand vor den Mund, als Acaton sich ihm zuwandte.
»Was hast du, Acaton?«, fragte der König.
»Verzeiht mir, mein König, ich dachte, ich hätte etwas gehört.« Sebastian blickte direkt in Acatons giftgrüne Augen. »Aber ich glaube, ich habe mich geirrt, mein König«, sagte Acaton und wandte sich dem König zu.
Doch Sebastian kam es so vor, als hätte der Zauberer ihn gehört und den König angelogen. Acaton sprach gelassen und mit aller Höflichkeit weiter: »Was verlangt ihr von mir, mein König?«
»Die Siedler müssen vertrieben werden ...« Acaton lauschte, als er dem König in das finstere Gesicht blickte. »... ich habe heute einen Siedler bestraft, der es gewagt hatte, königliches Vieh von der Weide zu stehlen.«
»Ich habe gehört, dass der junge Mann das Tier erworben hatte«, sagte Acaton.
»So, hast du das, Zauberer?« Der König blieb stehen. »Wer hat dir das erzählt?«, wollte der König sofort wissen.
»Ich habe es auf dem Marktplatz gehört.«
»So, so, auf dem Marktplatz«, erwiderte der König, »dort wird viel Tratsch verbreitet ...«, winkte der König ab. »Der Siedler leugnete stundenlang trotz großer Qualen, die der Folterer ihm angetan hatte. Er bettelte um Gnade und um sein Leben – doch der Folterer stieß ihm letztendlich ein glühendes Eisen in sein gottloses Siedlerherz. Er war ein Dieb, Acaton ...«
Der König wirkte sichtlich zufrieden.
»... und ein Dieb muss bestraft werden, so will es das Gesetz!«
Acaton schwieg – sichtlich entsetzt, über die grausame Tat, die der König angeordnet hatte.
»Ich könnte dem Folterer befehlen, dir ...«
Der König vollführte eine Geste mit der linken Hand und wollte gerade weitersprechen, doch Acaton kam ihm zuvor: »Ich fürchte die Folter nicht. Also, macht mit mir, was Ihr ...«
»Aber, das hier fürchtest du, nicht wahr, Acaton?« Der König hielt Acaton das königliche Zepter unter die Nase. »Du bist so schweigsam. Was hast du, Acaton?« Der König senkte das Zepter. »Angst?«, fragte er.
»So mutige Worte von jemand, der doch so verletzlich zu sein scheint«, höhnte der König. »Acaton, du weißt, dass ich viele verschiedene Arten der Folter kenne, und eine ist bestimmt darunter, die du gewiss nicht ertragen würdest.«
Acaton senkte den Blick und verzog die Mundwinkel.
Der König richtete sich kerzengerade auf und ein grausames Lächeln umspielte seine schmalen Lippen.
»Ich denke, dies wird der geeignete Anreiz sein, um deinen Gehorsam zu erzwingen, Acaton.« Der König wandte sich einer Tür zu und zog sie an einem Metallring auf. Sebastian glaubte in der bösartig, schneidenden Stimme des Königs zu hören, dass ihm ein Menschenleben völlig bedeutungslos war.
Acaton erbleichte, als die Tür aufschwang und eine junge Frau mitten in der Halle kniete.
»Manju«, flüsterte Acaton entsetzt.
Sie war in Begleitung eines einzigen Wachsoldaten, der sie an den Handfesseln gepackt hielt.
»In deinen Augen lese ich, dass du mir den Tod wünschst, Zauberer«, lachte der König, »das ist gut so.«
Der König trat einen Schritt auf Acaton zu.
Sebastian sah, wie eine einzige Träne über die Wange der jungen Frau rollte, als sie in Richtung Acaton blickte.
»Tut Ihr nicht weh, mein König«, sagte Acaton und schüttelte ungläubig den Kopf, und zum ersten Mal glaubte Sebastian, ein leichtes Zittern in der Stimme des Zauberers zu hören. »Bitte, tut ihr nicht weh, mein König«, wiederholte er.
»Also wirklich, Acaton«, höhnte der König. »Warum sollte ich so einem wunderschönen Geschöpf weh tun wollen?«
Ein bösartiges Lächeln lag auf dem Gesicht des Königs.
»Wenn ihr das tut, was ich von euch verlange, Acaton, wird niemandem etwas geschehen«, sagte der König, »dir nicht«, der König deutete auf Manju, »und auch ihr nicht.«
Acaton gab sich geschlagen. Der König hatte ihn jetzt endgültig in der Hand.
»Sie ist so etwas wie eine Tochter für dich, nicht wahr, Acaton?«, belächelte der König den Zauberer.
Acaton nickte.
»Ja«, sagte er mit gesenktem Blick.
»Gut«, erwiderte der König, »löse ihre Fesseln mit einem Messer«, befahl er dem Wachsoldaten.
Sebastian sah, wie Blut zwischen den Fingern der jungen Frau hervorquoll.
»Nein!«, schrie Acaton. »Ihr habt versprochen, ihr nichts anzutun!«, wandte er sich an den König.
»Habe ich das?«
»Ja, das habt ihr.«
»Dann können wir ja unseren Handel abschließen«, fuhr der König fort.
»Ich werde alles tun, was Ihr von mir verlangt.«
»Nein, nicht, Acaton!«, schrie Manju.
»Schweig, Weib!«, befahl der König.
»Nimm sie, Acaton, und geh«, sagte der König, »bevor ich es mir anders überlege und sie meinen Soldaten überlasse – als Abendvergnügen versteht sich.«
Schnell wandte sich Acaton Manju zu und griff ihre Hand.
»Falls Manju etwas geschehen sollte, mein König, ist unsere Abmachung wertlos, und weder Himmel noch Hölle werden mich dann dazu bringen, mich Eurem Befehl zu unterwerfen!«
»Geht jetzt!«, befahl der König mit finsterem Blick. Er legte eine Pause ein und erwartete eine Erwiderung, doch Acaton blieb schweigsam.
Der König vollführte eine Geste mit dem Zepter und verließ geschwind die Halle – zurück blieb Acaton mit Manju und der Wachsoldat, der sagte: »Es tut mir leid, Mädchen, aber der König hat mir befohlen dich ...« Der Wachsoldat senkte den Blick, schüttelte stumm den Kopf und verließ bedrückt den Raum.
Acaton streckte einen Arm in Sebastians Richtung, während seine Worte flehend klangen: »Du willst dich mir nicht zeigen ...«
»Mit wem redest du, Acaton«, unterbrach Manju.
»Ich weiß es nicht«, begann Acaton an Manju gewandt, »ich kann dich zwar nicht sehen, Fremder«, wandte sich Acaton Sebastian zu, »aber ich kann dich hören.«
Acaton legte eine kurze Pause ein.
»Du scheinst mir ein mächtiger Zauberer zu sein, Fremder. Ich werde Schlimmes für den König tun müssen, wie du sicherlich gehört hast – ich kann nicht mehr von meinem Versprechen dem König gegenüber zurücktreten«, seufzte Acaton. »Du musst mir etwas versprechen, Fremder!«
Das Licht der späten Nachmittagssonne fiel durch die südlichen Fenster ein und überzog den Saal mit einem zarten Schimmer.
»Wie kann ich dir helfen?«, fragte Sebastian, der jetzt nicht mehr zwischen Traum oder Wirklichkeit unterscheiden konnte.
»Ja, ich kann dich hören, Fremder. Du stehst genau vor mir«, nickte Acaton.
»Ich kann nichts hören, Acaton«, sagte Manju. »Wer ist hier?«, wollte sie wissen und klammerte sich ängstlich an Acaton.
»Er hört sich noch jung an.« Acaton sprach einen Zauber aus. »Schade«, sagte er. »Ich hatte gehofft, dich so sichtbar zu machen, Fremder.«
»Willst du nicht von uns gesehen werden?«, fragte Manju mit ängstlicher Stimme.
»Ich weiß nicht, wie ich das machen soll«, gab Sebastian zu.
Sebastian sah in Manjus sanfte, braune Augen und bemerkte, wie ängstlich sie in seine Richtung blickten.
»Sag ihr, dass sie keine Angst vor mir zu haben braucht«, wandte sich Sebastian Acaton zu.
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