*Danke, das klingt toll. Ich mag die Variante mit der Dekoration sehr.
Dann werde ich wohl mal Shoppen gehen müssen ;-)
Du hast Kontakte zu Verlagen?*
Juliansbookland
*Ja, so erhalte ich oft Rezensionsexemplare. *
Das finde ich sehr interessant. Dieser Mann scheint mir wirklich helfen zu wollen oder hat es vielleicht doch etwas mit dem Buch zu tun? Kannten sich mein Vater und seine Mutter möglicherweise?
Nein, das ist doch ein absurder Gedanke. Oder? Ich werde es herausfinden. Aber ich will nicht zu direkt vorgehen. Nur hin und wieder etwas streuen, mehr nicht. Vielleicht erzählt er ja von sich aus etwas. Er wird sicherlich auch ein Impressum haben. Wenn er all das macht, braucht er auch eine Anlaufstelle für Verlage, oder?
Julian beantwortet weitere Fragen, bis ich schließlich feststelle, dass es schon Mittagszeit ist und ich meine Mutter bald im Laden ablösen muss. Ich verabschiede mich von Julian und bedanke mich noch gefühlt tausendmal bei ihm. Ich verlasse diese wunderbare App und geh ich die Küche. Gerade als ich fertig bin und einige Sandwichs gemacht habe, sehe ich, wie meine Mutter den Laden abschließt.
Von unserem Fenster aus kann ich prima die Eingangstür erblicken, was immer sehr toll ist.
Ich beobachte meine Mutter so lange, bis sie unsere Tür aufschließt und bin immer noch froh, dass Frau Hops uns damals den Blumenladen gegeben hat.
Vergessen sind die trüben Jahre und die Nächte voller Zweifel und Weinattacken. Sie sieht jeden Tag so frisch und erholt aus, als ob sie gerade aus einem Dornröschenschlaf erwacht ist. Sie spielt mir auch nichts vor, denn so gut ist sie nicht. Man erkennt in ihrem Gesicht sofort, wenn etwas passiert, sie traurig oder betrübt ist.
»Hey Sonnenschein«, begrüße ich sie und sie strahlt mich wieder einmal an. »Wie war es?«
»Wundervoll. Man spürt, dass Sommer ist und die Leute wieder frische Blumen wollen.«
Ich lächle zufrieden und sie schnappt sich ein Sandwich, nachdem sie sich die Hände gewaschen hat.
Sie erzählt mir noch ein paar Dinge, die ich gleich beachten soll und ich gehe hinüber, mit einer Tasche voller Bücher, und erledige meine Aufgaben. Ich liebe diese Gerüche sehr und genieße die Augenblicke des Alleinseins.
Nachdem ich alles geschafft habe, mache ich einige Bilder mit meinen Büchern, umgeben von verschiedenen Blumen und Farben, passend zum Buch. Erst einmal benutze ich nur die Kamera vom Smartphone, aber wer weiß, vielleicht hole ich mir irgendwann eine richtig gute Kamera?
Ich räume alles wieder ordentlich und lade schon einmal ein Bild hoch, bevor ich den Blumenladen aufschließe. Meine Mutter hat einen Termin und ich übernehme gerne. Im Hintergrund läuft ein Radiosender der gute und modere Musik spielt, dazu regelmäßig Nachrichten, aber wenig Werbung bringt, und ich verbringe einige Stunden mit netten und freundlichen Kunden und kann pünktlich zehn nach sechs nach Hause.
*
Heute ist Serienabend und wir essen dazu Pizza. Wir suchen uns immer eine Serie aus, die wir uns auf DVD anschauen.
Meist sind es zwei Folgen am Stück, aber ab und zu passiert es, dass wir einfach weitersehen müssen. Zweimal in der Woche machen wir das, manchmal, wenn eine Staffel sehr spannend ist, schauen wir auch den kompletten Sonntag durch. Jeden Sonntagabend gucken wir einen Film. Es ist uns beiden wichtig, die verlorene Zeit aufzuholen. Fast fünf Jahre schien sie für mich unerreichbar gewesen zu sein und ich hab wirklich gekämpft. Dank des Blumenladens aber sind wir wieder zusammengewachsen und sie musste eines Tages feststellen, dass ich zu einer jungen Frau herangewachsen bin und nicht mehr das kleine Mädchen von einst war. In all dieser Zeit hatte ich wirklich viel durchzumachen:
In der Schule wurde ich nicht gesehen und wahrgenommen.
Meine Mutter war in ihrer eigenen Welt und wirklich selten für mich da.
Wie ich all das geschafft habe, weiß ich wirklich nicht. Bücher haben mir sehr geholfen und natürlich Frau Hops.
Warum sie mich nicht vergessen hatte, kann ich mir immer noch nicht erklären. Aber sie tat nicht nur so, als würde sie sich erinnern, sondern sie wusste sofort, wer ich war, wenn ich zu ihr kam. Ob es etwas mit dem Blumenladen auf sich hatte oder weil diese gute alte Dame einfach sehr viel Güte in sich trug, kann ich nicht sagen.
*
Etwas Zeit habe ich noch, um auf Instagram zu sehen, ob es eine Reaktion gegeben hat.
Sprachlos starre ich auf mein Handy, nachdem ich die App geöffnet habe. Ich hab mit vielleicht vier Likes gerechnet, da manche Hashtags etwas bringen. Aber das? Ich scrolle mich durch und entdecke den Grund, warum ich plötzlich so viele Follower und Likes habe.
Bilder 4
Follower XXX
Follows 134
Das Bild hat tatsächlich über 100 Likes erhalten. Wie konnte das nur geschehen?
Liegt es daran, dass @juliansbookland meine Seite vorgestellt hat?
Schnell reiche ich ein weiteres Bild hinterher.
*Wow, vielen Dank für eure ganzen Herzchen im
letzten Bild.
Besonders danke ich @juliansbookland.
Ihr seid spitze!*
Ich füge wieder viele # ein und bin wirklich froh, diesen Schritt gewagt zu haben. Allerdings stellt sich mir jetzt noch die Frage, wie ich zur Frankfurter Buchmesse kommen soll, denn ich will mich ja nicht ›zeigen‹.
Ihr fragt euch sicherlich wieso, oder? Es liegt nicht unbedingt am Aussehen, sondern an der Wahrnehmung.
Sobald ich ein Bild von mir hochladen würde, besteht die Möglichkeit, dass ich direkt wieder vergessen werde, was ich nicht möchte. Mein Buch erscheint bald und ich will nicht, dass mich jeder für einen Freak hält. Versteht mich nicht falsch, ich stehe zu meinem Buch und auch zu meinem Aussehen. Ich bin eben durchschnittlich, aber irgendwie scheine ich schnell in Vergessenheit zu geraten, sobald ich aus dem Blickfeld verschwunden bin.
Demnächst fängt meine Lehre an und ich habe richtig Angst, wie es da sein wird.
Was, wenn das Spiel von vorne beginnt?
Was, wenn die Lehrkräfte oder andere Schüler und Schülerinnen mich nicht wahrnehmen?
In meiner Geschichte ›Das mysteriöse Mädchen: Die unsichtbare Retterin‹ verliebt sich ein Detektiv in dieses Mädchen, welches schwer zu finden ist. Aber er gibt nicht auf, sondern versucht alles, um zu erfahren, wer sie ist und was sie antreibt.
Ich möchte auch irgendwann so etwas erleben. Das sich jemand ins Zeug für mich legt und mir das Gefühl gibt, wirklich wichtig zu sein.
Ab und zu war ich schon verliebt, aber es ist wie es ist: Niemand sieht mich. Manchmal hab ich mich gefragt, ob es einfacher wäre, wenn mich meine Mitschüler verspotten würden? Aber sie haben durch mich hindurchgeschaut. Im Sportunterricht wurde ich nicht als letztes gewählt, sie haben einfach angefangen, nachdem der ›letzte‹ ins Team gekommen ist.
So langsam muss ich diese Gedanken auch unterdrücken. Es bringt mir nichts mehr, jetzt noch darüber nachzudenken. Die Schule ist vorbei. Ich habe sie überlebt und nun beginnt mein neues Leben. Mein Buch wird verlegt und ich kann stolz auf mich sein.
Ich gehe die Bilder weiter durch und stelle fest, wie einfach das Ganze doch im Grunde ist. Ich möchte das Handy gerade wieder zur Seite legen, da ich noch kurz Duschen will, bevor wir anfangen zu gucken, als ich wieder eine Nachricht entdecke.
Juliansbookland
*Deine letzten Bilder sind wirklich großartig. Gut gemacht, Marinette.
Bist du jetzt eigentlich mit der Schule fertig?*
Ich frage mich, wieso er mir diese Frage stellt, aber ich antworte darauf.
Juliansbookland
*Wirst du eine Lehre beginnen?*
Marinettesbookland
*Ja, ich werde eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau machen.*
Auch hier muss ich eingestehen, dass scheinbar ein Fluch auf mir zu liegen scheint. Ich hatte über 100 Bewerbungen raus geschickt und 30 Vorstellungsgespräche erhalten, aber es kam absolut nichts zurück. Auf Nachfrage zuckten sie nur die Schultern oder klangen seltsam am Telefon. Irgendwann konnte es meine Mutter nicht mehr mit ansehen und hat das scheinbar Unmöglichste möglich gemacht und den Blumenladen als Ausbildungsbetrieb anmelden können. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hatte, aber eines Tages lag mein Ausbildungsvertrag auf dem Küchentisch und ich war einfach nur erleichtert. Denn ich kann tatsächlich eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau absolvieren und hab so auch später gute Chancen. Ich kenne den Blumenladen besser als irgendjemand sonst und sollte ich mal krank sein, brauche ich den Chef nicht extra anrufen. Meine Chefin würde mich auch nicht übersehen oder vergessen. Die Schule befindet sich im Ort und ist zu Fuß erreichbar, denn für einen Führerschein hat es bisher noch nicht gereicht. Außerdem stellt sich auch hier die Frage: Müsste ich dem Fahrlehrer jedes Mal erklären, wer ich bin?
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