»Vielen Dank, euch beiden, für eure schnelle Hilfe«, wisperte Connors Mutter mit tränenüberströmtem Gesicht zu den beiden Mädchen.
»Ja, nicht auszudenken, was Connor hätte geschehen können, wenn ihn hier oben niemand gefunden hätte. Wir werden euch immer dankbar dafür sein«, stimmte sein Vater mit ein.
Die Mädchen verabschiedeten sich schniefend, schafften es aber noch, mich mit verächtlichen Blicken zu mustern, bevor sie tuschelnd davon joggten.
Blöde Hühner, als hätte ich kein recht hier auf dem Longshaw Peak zu sein.
Ach, komm schon, Hazel. Dieses Gezicke ist doch normal unter Mädchen. Stell dich nicht so an. Warum solltest du nicht hier sein dürfen?
Was redest du da? Das ist gar nicht üblich unter Mädchen. Sind dir nicht ihre teuren Sportklamotten und Laufschuhe aufgefallen? Die beiden stammen aus Queens und sie sehen in mir eine, die nicht hierher gehört. Es ist genau dasselbe, was du in mir siehst: Schmuddel-Hazel.
Das stimmt doch überhaupt nicht.
Ach, nein? Wie war das noch gleich? >Oh nee! Ausgerechnet die?<
Das ... Ähm ...
Eben.
Erwartungsvoll starrten mich Connors Eltern an. Ich musste ziemlich blöd aussehen, wie ich so stumm und regungslos vor ihnen herumstand.
»Ja?«, fragte mich Connors Vater ungeduldig.
»Ich ... ich bin Hazel Brown, Mr. Ward. Connor und ich ... wir ... wir sind Schulkameraden und ... kennen uns gut. Ich habe das mit seinem Unfall mitbekommen und mache mir Sorgen, wie es ... ihm geht.«
Mr. Ward nickte betrübt. »Danke, Hazel. Das ist sehr aufmerksam von dir. Die Sanitäter haben ihn mitgenommen. Wie es ihm geht, konnten sie nicht mit Gewissheit sagen, nur, dass er ohne Bewusstsein ist.«
»Das tut mir leid. Weiß man, was mit ihm passiert ist, wieso er nicht mehr bei sich ist?«
Gute Frage.
Mr. Ward presste seine Lippen aufeinander. Sein Blick huschte zu dem Spaziergänger mit dem Hund. »Nein, der Herr dort drüben fand ihn vor den Felsen. Anscheinend ist Connor gestürzt und hat sich am Kopf verletzt.«
Mrs. Ward heulte auf. »Mein armes Baby.«
Oh, Mom, ächzte Connor genervt.
Hey, sie macht sich Sorgen um dich .
An seinem Tonfall konnte ich hören, dass er sich für die Worte seiner Mutter schämte, weshalb ich mir ein gedankliches Du armes Baby nicht verkneifen konnte.
Halt die Klappe und frag meinen Dad, in welches Krankenhaus sie mich bringen.
Aber sicher, das käme ja auch gar nicht stalkerhaft rüber.
Ehrlich, das ist mir jetzt gerade sowas von scheißegal, Hazel. Mach es einfach.
Wie wäre es mit bitte?
Bitte.
Er schafft es, dass es wie ein Schimpfwort klang. Aus Mitleid hackte ich jedoch nicht weiter auf Connor herum und wandte mich an seinen Vater.
»Würden Sie mir bitte verraten, in welches Krankenhaus Connor gebracht wird? Ich würde ihn gerne besuchen.«
Damit ich ihm dann den Hals umdrehen kann, wenn er so wehrlos in den Kissen liegt.
Hey, das ist nicht witzig.
Okay. Nein, ist es nicht.
Na ja, ein kleines Bisschen schon, lenkte Connor ein, worauf ich mir ein Grinsen verkniff.
Täte ja auch vor seinen Eltern einen echt super Eindruck hinterlassen, wenn ich, nachdem ich gerade erfahren habe, dass ihr Sohn im Koma liegt, breit grinsen würde.
»Sie sagten, sie würden ihn ins Green Haven Medical Center bringen. Dort hätten sie Spezialisten für Hirnschädigung.«
Das ist in Penshecola. Verdammt, dann machen sie sich ziemlich Sorgen, dass es ernst sein könnte.
Klar, tun sie das.
»Das ist in Penshecola, nicht wahr?«, vergewisserte ich mich nochmals bei Connors Vater, um jedes Missverständnis auszuschließen.
Mr. und Mrs. Ward nickten synchron. Ich bedankte und verabschiedete mich. Als ich davon gehen wollte, blieb meine linke Körperhälfte jedoch stehen.
Hast du nicht etwas vergessen? Wolltest du ihnen nicht noch etwas sagen?
Nein.
Du hast es versprochen.
Nein, habe ich nicht. Ich sagte, ich werde auf meine Weise mit ihnen reden.
Du willst ihnen nicht sagen, dass ich hier in deinem Körper gefangen bin?, dröhnte Connor laut in meinem Kopf.
Noch nicht. Können wir bitte erst mal allein versuchen, deinen Geist wieder in deinen Körper zu bekommen, ohne mich wie eine durchgedrehte Irre dastehen zu lassen? Schließlich muss ich später in diesem Körper und mit seinem Ruf weiterleben.
Okay. Hast du schon einen Plan, wie wir das anstellen sollen?
Nein, noch nicht. Aber ich denke, es wäre bestimmt hilfreich, wenn ich mich direkt neben deinem Körper aufhalte.
Ja, dann können wir einiges ausprobieren, was die Sache wieder rückgängig machen könnte. Ich kann einfach nicht glauben, dass das alles kein Traum sein soll.
Wem sagst du das?
4. Dinge, die man nicht tun will
Ich schloss die Tür zu meinem Zuhause auf. Nach dem Rückweg taten mir alle Knochen weh, denn Connors Gang machte mich echt fertig. Meine Hüfte fand seine unkoordinierten Bewegungen überhaupt nicht prickelnd.
Das Klappern von Geschirr drang aus der Küche.
»Hazel, Schätzchen, bist du das?«
Ich ließ meinen Rucksack im Flur gleich neben der Treppe fallen. »Ja, Mom«, antwortete ich und mahnte sogleich Connor im Geiste. Wehe, du sagst ein Wort. Bitte halt meinen Mund. Okay?
Vielleicht. Mal schauen.
Ihm war anzuhören, dass er sich auf meine Kosten amüsierte und es lustig fand, mit meinen Befürchtungen zu spielen. Einmal mehr knirschte ich gedanklich mit den Zähnen und ging zu Mom in die Küche.
Sie hatte ihre braunen Haare locker hochgesteckt und hantierte am Herd herum. »Hey, Schätzchen. Du kommst gerade richtig. Das Essen ist fertig.« Ich trat neben meine Mutter und sie wandte sich mit einem Lächeln zu mir. »Na, wie war dein Tag?«
»Ganz okay und bei dir?«
Du meinst, abgesehen davon, dass ein fremder Geist in deinen Körper gefahren ist?
Innerlich gluckste ich. Das hört sich ja an, als hätte ein Dämon von mir Besitz ergriffen.
Wer weiß, vielleicht bin ich einer?
Ganz sicher nicht. Kein Dämon könnte mich jemals so nerven wie du, Connor Ward. Du bist bloß ein nerviger Arsch.
Er lachte und Mom seufzte.
»Es hätte etwas ruhiger sein können. Mein Chef wollte ausgerechnet noch kurz vor Feierabend, dass ich die Regale ausräume und abwische.« Sie ging mit der Pfanne, in der mehrere Eier brutzelten, zum Tisch, den sie für unser Abendessen schon eingedeckt hatte, und verteilte die Eier auf den Tellern.
Ich folgte ihr zum Esstisch, nahm Platz und hörte ihr zu, während sie weiter von ihrem Job im hiesigen Supermarkt und von ihrem nervigen Chef erzählte und die Pfanne wieder auf den Herd zurückstellte.
Bevor sie sich jedoch neben mir an der Stirnseite des Tisches niederließ, holte sie tief Luft. »Dylan? Das Essen ist fertig«, brüllte sie so laut über ihre Schulter, dass man es noch zwei Häuser weiter hören konnte.
Dylan? Dylan ist dein Bruder?
Ich seufzte in Gedanken. Ja.
Das wusste ich nicht. Weiß überhaupt jemand von unserer Schule, dass ihr Geschwister seid?
Nope, ich denke nicht. Meines Wissens streitet Dylan es immer ab, wenn er danach gefragt wird, und ich belasse es dabei.
Warum verleugnet er, dein Bruder zu sein?
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