Dieses Mal versuche ich es, wie schon gestern angedeutet, damit, meinen Serotonin- und Tryptophanspiegel auf Vordermann zu bringen, in Verbindung mit mineralstoffreicher Nahrung, die ebenfalls gut für die Nerven ist. Viel Serotonin, viel Schlaf. Viel Schlaf, viel Energie, was wiederum Koffein unnötig macht – und der ja vielleicht nicht gut von meinem Körper abgebaut wird? Einfach genetisches Pech?
Ich werde es also nochmal ausprobieren, ohne mich dabei in wissenschaftlicher Lektüre zu verlieren. Stattdessen soll mir mein Körper sagen, wie sich die Dinge beziehungsweise die Lebensmittel anfühlen. Gestern Abend beispielsweise habe ich mich bettschwerer gefühlt als sonst. Vielleicht war es auch nur Einbildung. Mit der Sexualität verhält es sich ähnlich. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es keinesfalls schädlich ist, keinen Sex zu haben. Auch Selbstbefriedigung ist nicht nötig. Nicht wenige Hundertjährige sagen, dass Enthaltsamkeit, aber vor allem: gute soziale Beziehungen psychische und körperliche Gesundheit und Langlebigkeit versprechen.
Hauptsache, ich bin mit mir im Reinen. Auch wenn ich sagen muss, dass ich öfter schwerer mit körperlicher Einsamkeit zu kämpfen habe. Seit über vier Jahren bin ich nun Single, hatte seit der letzten Beziehung auch keine Intimitäten mit einer Frau. Ich weiß nicht einmal, ob ich in den letzten Jahren eine Beziehung gebraucht hätte – und ob ich jetzt eine wollte oder gar bräuchte.
Nach dem Ende meiner letzten Beziehung kämpfte ich stark mit mir selbst, schon allein beruflich. Schließlich gab ich die Idee auf, Freier Journalist zu werden, und fand wenige Wochen später eine Anstellung als Bäckereiverkäufer. Die insgesamt vier Jahre – ich habe zwischenzeitlich ja auch in einem Callcenter gearbeitet – waren eine unheimliche bereichernde Erfahrung, auch wenn es hinter der Brottheke zuletzt einfach undankbar geworden war. Aber das Arbeiten im Team, das Haushalten mit dem ersten eigenen Lohn und dem Strukturieren des neuen Single-Alltags ließ viele konstruktive Fragen offen.
Als ich dann ein wenig gefestigter war, hatte ich auch wieder Zeit und Energie, um mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Und dies tue ich offenbar sehr gerne! Jedenfalls kehrte ich ein Stück weit zu meinem alten Hobby, dem Videospielen, zurück, weil ich es mir gönnen konnte. Ich trainierte sogar ein Jahr lang für die Tetris-Europameisterschaft 2018, machte neue Bekanntschaften – mit WG-Mitbewohnern, Nachbarn, Zimmergenossen in Kopenhagen, wo das Tetris-Turnier stattfand, und Kollegen in der Heilpraktikerschule – und erkannte eben, dass es einen Weg gibt, meinen speziellen Zugang zur menschlichen und zu meiner eigenen Welt zum Wohle aller zu nutzen.
Nun scheint sich der Versuch, auch das Schreiben maßgeblich in meinen neuen Alltag als Selbständiger einzubinden, regelrecht aufzudrängen, weil ich (noch!) Zeit und Geld habe und experimentieren kann oder muss, solange keine effektive öffentliche Präsenz möglich ist. Soll heißen, ich befinde mich noch immer in einer Phase der Selbstfindung, wobei die meisten Außenstehenden sagen würden: Du hast doch schon fast alles gefunden, Thomas.
Aber es geht eben um die rationale Auseinandersetzung mit Realismen wie dem Buchmarkt, beispielsweise. Wie vermarkte ich meine Selbstbetrachtungen, wie viel Geld kann ich für etwas verlangen, was im Grunde eigentlich eine Art Tagebuch ist? Wie kann ich den modernen Markt, der e-books und self-publishing im Selbstverlag ermöglicht, für mich nutzen? Und: Sollte ich, darf ich?
Ja, Thomas, solltest du, denn du kannst es doch.
Danke, imaginäres Gegenüber – dann arbeite ich jetzt an einem gesunden Schlaf, um mehr Energie für das Schreiben zu haben! (Wie oft habe ich das eigentlich schon erwähnt?) Und dann sitzt man regelmäßig an solchen Texten, die eigentlich nicht viel sind, aber den Arbeitsalltag ausmachen, fernab dessen ich mich aber auch nur wenig mit Weltlichkeit beschäftige beziehungsweise dass ich über selbige einfach nicht reden muss. Und mal ganz ehrlich: Worüber lohnt es sich zu reden?
Das Interessanteste an den Menschen: Die Probleme, die Krisen, die zum Überdenken und Neuerfinden ermutigen, heraustreiben können aus der Komfortzone. Doch stattdessen bleibt es für viele beim bequemen Käfig mit den goldenen Gitterstäben...
… das echte Leben halt, wovon die Kindheit wie ein Kinotrailer ist, der nicht hält, was er verspricht. Außerhalb des Märchenwaldes, abgetrennt vom Fernsehgarten, da wo Erklärungsbedarf gedeckt ist vom Dahergesagten. Wo sie kerzengerade dastehen beim Pärchenabend, auf Reserve fahren und nicht mehr erwarten. Wo sie in die Ferne planen, ab dem Vierten auf den Ersten warten, und ab dem 40sten auf die ersten Herzinfarkte. Wo verzerrte Wahrnehmung verpflichtend ist, wo alles, was du sagst, klingt, als ob du in ein Kissen sprichst. (Prezident, »Halb so wild«)
Habe ich als angehender Schriftsteller oder: Sozialer Schreibarbeiter eine Verpflichtung dazu, Leute auf irgendetwas Bestimmtes aufmerksam zu machen? Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami etwa, dessen neuesten Kurzgeschichtenband Erste Person Singular ich heute beendet habe, hält es weiterhin mit seinen poetischen Andeutungen, während beispielsweise Freiheit von Jonathan Franzen ausgesprochen realistisch zur Sprache bringt, was politisch und wirtschaftlich verkehrt läuft. Ich hingegen möchte eigentlich nur mit gutem Beispiel vorangehen und Mut zur Selbstveränderung beweisen – und es jetzt einfach nur auch mal aufschreiben.
Wie schon erwähnt, befand ich mich nach dem Ende meiner ersten Beziehung in einer großen Ahnungslosigkeit. Nein, eigentlich bestand sie schon länger, nur war die Beziehung wahrscheinlich dann so etwas wie der Strohhalm, an den ich mich klammern konnte. Jedenfalls war ich ja auf der Suche nach Ersatz – nach einer neuen Ersatzreligion, für die ich die alten widerspruchschwanger über den Haufen warf. Anti-Alkoholismus, Veganismus, Verschwörungstheorien, Jahre später dann konnte man mich Bier trinkend und Fleisch essend bewundern – einige Monate lang sogar mit einer Kippe im Maul –, während ich mich nun über Verschwörungstheoretiker lustig gemacht habe.
Im Herzen bin ich vielleicht noch immer Verschwörungstheoretiker, wobei ich vielleicht nur die selbe Grundskepsis mit der Anhängerschaft teile: Die Dinge laufen ziemlich geregelt aus dem Ruder, weil sich Menschen nicht auf das Wesentliche besinnen können. Corona schien zeitweise eine Chance, eine potentiell konstruktive Störung zu sein, aber mittlerweile möchte man doch bitte wieder die Gastronomie ganz öffnen – wobei mir persönlich der Nutzen dieser Branche nicht ganz klar wird.
Dazu fehlt es mir einfach an Geselligkeit und kulturellem Gespür oder dergleichen. Warum kocht und isst man nicht einfach zuhause? Klar ist Convenience nur ein Begriff auf einem Kontinuum. Ich muss mich selbst sogar sehr schuldig dafür sprechen, ab und an Kartoffeln zu kaufen, die aber schon ein anderer für mich in dünne Scheiben geschnitten, in eine Fritteuse geworfen und gesalzen hat. Warum nicht einfach alles selbst anbauen? Ja, warum nicht einfach von selbst mit sich ins Reine kommen, statt Seelenverwandtschaft in Büchern etc. zu suchen oder einen Berater oder Psychologen zu konsultieren? Schachmatt! Doch keine Sorge: Ich bin billig!
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