In Konfliktsituationen fühlt sich die Person daher überfordert, so dass alte kindliche Ängste in ihr aufsteigen können.
Auch treten besonders bei drohendem Verlust (z.B. einer nahestehenden Bezugsperson oder sozialer Anerkennung) akute Ängste wie Trennungs-Angst auf.
B. Das Neurotransmitter-/Rezeptor-Modell
In der Pathophysiologievon Ängsten wird die Rolle verschiedenster Neurotransmitter-Systeme(chemische Botenstoff-Systeme) diskutiert.
Es handelt sich dabei um …
1. das GABA-System (Gamma-Amino-Buttersäure-System)
2. das serotonergeSystem
3. das noradrenergeSystem
4. sogen. „exzitatorische“ (= Rezeptor-anregende) Aminosäuren()
5. andere Neurotransmitter ().
Bei der Entstehung von Angst-Störungen spielt u.a. auch die Wahrnehmung körperlicher Symptome eine wichtige Rolle.
Verspürt eine Person Angst, stellen sich bei ihr körperliche Reaktionen wie zum Beispiel Herzrasen, Schweißausbrücheoder Zitternein. Diese Symptome deutet der Betroffene subjektiv als Gefahr, was dazu führt, dass die Angst noch größer wird. Durch die damit verbundene Stressreaktion verstärken sich wiederum die körperlichen Symptome.
Es hat sich auf diese Weise ein Teufelskreis der Angstgebildet, der bewirkt, dass die Angst immer weiter zunimmt.
Die Lerntheorie kann auch erklären, warum es im Zusammenhang mit Panikstörungen zu Erwartungsängsten kommt. Tritt eine Panik-Attacke wiederholt auf, bekommt die Person Angst vor weiteren Attacken; es entsteht eine „Angst vor der Angst“.
Wie auch immer:
Infolge der Angst kommt es u.a. zu einer erhöhten Aktivität des aufsteigenden Noradrenergen Systems (s. unten) und auch des Locus coeruleus (s. unten).
Zwischennotiz:
C. Noradrenerges System/Locus coerulus
Es hat seinen Ursprung im Locus coerulus (oder caerulus) – d.i. eine neurophysiologische Struktur und sie ist Teil der Formatio reticularis im Rautenhirn, also im Hirnstamm, gelegen in der vorderen Rautengrube und sie erstreckt sich bis zur Einmündung des Gehirn-Aquaedukts in den 4. Ventrikel; wird unterteilt in 4 Teile –.
Das noradrenerge System projiziert in das für Emotionen besonders wichtige „Limbische System“
Der L.c. bzw. das noradrenerge System spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Orientierung sowie der Aufmerksamkeit und auch bei Stress, Angst und Panik!
D. Ursachen/Auslösende (Lebens-)Ereignisse
für Ängste respektive die Angststörung können u.a. sein:
a. Trennungserlebnisse
b. Biographische Schwellensituationen
c. Traumatische Ereignisse (körperlich, seelisch, geistig - auch kombiniert)
d. Psychosoziale Probleme
e. Körperliche (organische) Erkrankungen
Fazit:
Angst-Störungen entstehen meist durch eine Kombination aus verschiedenen Faktoren.
So kann in seltenen Fällen auch eine genetische Veranlagung (Vulnerabilität) vorliegen, leichter und rascher als andere Menschen mit Angst auf bestimmte Situationen oder Reize zu reagieren. Wenn dann noch weitere Faktoren – z.B. ausgeprägter/anhaltender Stress = Distress und/oder vermehrte Überforderung (physisch, psychisch, neuro-mental), Erschöpfungszustände u.a.m. – hinzukommen, kann dies eine Angststörung auslösen.
Auch schwerwiegende negative Lebensereignisse – z.B. der Tod eines Angehörigen oder ein plötzlicher Jobverlust – sind in vielen Fällen der Auslöser für eine Angststörung.
Einteilung der neurotischen Störungen
Neurotische Störung, Belastungs- und somatische Störung
ist der Ober- bzw. Sammelbegriff für mehrere unterschiedliche Krankheitsbilder (alle im ICD-10 G unter F40-F48), so:
I. Phobische Störungen
[Agoraphobie – soziale Phobie – speztifische (isolierte) Phobie – sonst. phobische Störungen – Phobien nicht näher bezeichnet]
II. Angststörungen
[Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) – Generalisierte Angststörung – Angst & depressive Störung gemischt – andere gemischte Angststörungen – sonst. spezifische Angststörungen – Angststörung nicht näher bezeichnet]
III. Anpassungsstörung
IV. Belastungsstörung
(z.B. posttraumatisch)
Hinweis:
Allen Angststörungen gemeinsam ist, dass …
1. immer eine als beunruhigend erlebte körperliche Erregung besteht
und
2. die Betroffenen sich bemühen, den in der Umwelt oder im Körper liegenden Auslöser der Angst zu vermeiden, d.h. sich durch gezielte Handlungen oder Gedanken der Angst zu entziehen.
Erscheinungsformen der Angst
Angststörung ist nicht gleich Angststörung!
Zu unterscheiden gilt es bei einer Angststörung zwischen folgenden Vorkommens- bzw. Erscheinungs-Formen der Angst:
1. Angst-Attacken (meist minutenlang) mit angstfreien Zeiträumen
dazwischen Panikstörung
2.Angst tritt nur bei Konfrontationen mit einem definierbaren
Auslöser auf Phobie
3. Anhaltende Angst oder Besorgnis (nicht situations- und/oder objekt-
gebunden) über mehrere Wochen/Monate hinweg generalisierte Angststörung
4.Vegetative Symptome (Herzklopfen, Rotwerden, Schweißausbrüche, Brustschmerz, Schwindel, Erstickungsgefühl, gesteigerte Atemfrequenz/ Hyperventilation, Harndrang) und/oder viszerale (vom Bauch her) Symptome (Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, unklare Bauchschmerzen) Begleit-Erscheinungen der Angst.
Auch hier gilt es zu differenzieren, wobei es zu vermerken gilt, dass die Übergänge fließend sein können und es vielmals im Krankheits-Verlauf zum Wechsel des Angst-Inhalts kommt (kommen kann):
a. Angst vor einem Auslöser (z.B. bestimmte Situation)
b. Frei flotierende Angst, die nicht an eine bestimmte Situation
gebunden ist
c. Furcht zu sterben oder wahnsinnig zu werden
d. Angst vor Kontrollverlust über das eigene Tun & Handeln.
Sogen. Leitsymptome sind u.a.:
1. Unerwartet auftretende Angst
mit Beklemmungsgefühlen, Schwitzen, Zittern, sonst. vegetativen und/oder viszeralen Beschwerden
2. Unvermögen
bestimmte oder situations-gebundene, angst-besetzte Alltags-Aktivitäten auszuführen
[u.a. Einkaufen, Bankgeschäfte, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, selbst Autofahren]
Weiterhin können im Verbund mit der Angststörung (zeitweise, unterschiedlich in der Intensität, wechselweise oder stets) auftreten Symptome wie u.a.:
Herzklopfen/Herzrasen/Pseudo-Angina-Pectoris-Beschwerden, Schwindel, Beben, Mundtrockenheit, Flush (Erröten)/Hitzewallungen), Atem-Beklemmung, selten auch Sprach-/Sprechschwierigkeiten, viszerale (abdominelle) Beschwerden wie Übelkeit/Brechreiz/ Erbrechen, Verstopfung und/oder Durchfall …
… und dazu aber auch noch folgende Symptome:
Bewusstseinsstörung (z.B. Gefühl, irre zu werden oder Gefühl, dass Dinge irreal sind oder „man selbst nicht richtig da“ ist oder Gefühl, dass man nicht mehr „Herr über die eigenen Gedanken“ ist), Benommenheit, Angst, zu sterben, allgemeines Vernichtungsgefühl.
Zuletzt:
Jeder 4. Angststörungs-Kranke beklagt Schmerzen!
(wechselnde Lokalisierung, wechselnde Intensität, wechselnder Schmerzcharakter – chronisch/permanent oder intermittierend) .
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