Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers,
Nicht meinen Lippen ist es entflohn.
ISABELLA.
Mein Sohn! Mein Manuel! – O ewige
Erbarmung – So muß ich dich wiederfinden!
Mit deinem Leben mußtest du die Schwester
Erkaufen aus des Räubers Hand! – Wo war
Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte?
– O Fluch der Hand, die diese Wunde grub!
Fluch ihr, die den Verderblichen geboren,
Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen
Geschlecht!
CHOR.
Weh! Wehe! Wehe! Wehe!
ISABELLA.
So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?
Das, das ist eure Wahrheit? Wehe dem,
Der euch vertraut mit redlichem Gemüt!
Worauf hab ich gehofft, wovor gezittert,
Wenn dies der Ausgang ist – O die ihr hier
Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz
Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen,
Womit die Träume uns, die Seher täuschen!
Glaube noch einer an der Götter Mund!
– Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter,
Da träumte ihrem Vater eines Tags,
Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette
Zwei Lorbeerbäume wachsen – Zwischen ihnen
Wuchs eine Lilie empor, sie ward
Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff,
Und um sich wütend schnell das ganze Haus
In ungeheurer Feuerflut verschlang.
Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte
Befrug der Vater einen Vogelschauer
Und schwarzen Magier um die Bedeutung.
Der Magier erklärte: wenn mein Schoß
Von einer Tochter sich entbinden würde,
So würde sie die beiden Söhne ihm
Ermorden und vertilgen seinen Stamm!
CHOR.
Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe!
ISABELLA.
Darum befahl der Vater, sie zu töten,
Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal!
– Die arme Unglückselige! Verstoßen
Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schoß,
Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde!
Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder,
Nicht die Unschuldige hat ihn getötet!
CHOR.
Weh! Wehe! Wehe! Wehe!
ISABELLA.
Keinen Glauben
Verdiente mir des Götzendieners Spruch,
Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele.
Denn mir verkündigte ein andrer Mund,
Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter
»In heißer Liebe würde sie dereinst
Der Söhne Herzen mir vereinigen.«
– So widersprachen die Orakel sich,
Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt
Der Tochter legend – Nicht den Fluch hat sie
Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit
Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen.
Ein Mund hat wie der andere gelogen!
Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts,
Betrüger sind sie, oder sind betrogen.
Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen,
Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen,
Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts.
ERSTER CHOR.
Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein!
Bezähme der Zunge verwegenes Toben!
Die Orakel sehen und treffen ein,
Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben!
ISABELLA.
Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut
Wie mir das Herz gebietet, will ich reden.
Warum besuchen wir die heilgen Häuser,
Und heben zu dem Himmel fromme Hände?
Gutmütge Toren, was gewinnen wir
Mit unserm Glauben? So unmöglich ists,
Die Götter, die hochwohnenden, zu treffen,
Als in den Mond mit einem Pfeil zu schießen.
Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft,
Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel.
Ob rechts die Vögel fliegen oder links,
Die Sterne so sich oder anders fügen,
Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur,
Die Traumkunst träumt und alle Zeichen trügen.
ZWEITER CHOR.
Halt ein, Unglückliche! Wehe! Wehe!
Du leugnest der Sonne leuchtendes Licht
Mit blinden Augen! Die Götter leben,
Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!
BEATRICE.
O Mutter! Mutter! Warum hast du mich
Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin
Dem Fluch, der, eh ich war, mich schon verfolgte?
Blödsichtge Mutter! Warum dünktest du
Dich weiser, als die alles Schauenden,
Die Nah und Fernes aneinander knüpfen,
Und in der Zukunft späte Saaten sehn?
Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben
Hast du den Todesgöttern ihren Raub,
Den sie gefodert, frevelnd vorenthalten!
Jetzt nehmen sie ihn zweifach, dreifach selbst.
Nicht dank ich dir das traurige Geschenk,
Dem Schmerz, dem Jammer hast du mich erhalten!
ERSTER CHOR in heftiger Bewegung nach der Türe sehend.
Brechet auf, ihr Wunden,
Fließet, fließet!
In schwarzen Güssen
Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts.
Eherner Füße
Rauschen vernehm ich,
Höllischer Schlangen
Zischendes Tönen,
Ich erkenne der Furien Schritt!
Stürzet ein, ihr Wände,
Versink, o Schwelle,
Unter der schrecklichen Füße Tritt!
Schwarze Dämpfe, entsteiget, entsteiget
Qualmend dem Abgrund! Verschlinget des Tages
Lieblichen Schein!
Schützende Götter des Hauses, entweichet,
Lasset die rächenden Göttinnen ein!
Don Cesar. Isabella. Beatrice. Der Chor.
Beim Eintritt des Don Cesar zerteilt sich der Chor in fliehender Bewegung vor ihm, er bleibt allein in der Mitte der Szene stehen.
BEATRICE.
Weh mir, er ists!
ISABELLA tritt ihm entgegen.
O mein Sohn Cesar! Muß ich so
Dich wiedersehen – O blick her und sieh
Den Frevel einer gottverfluchten Hand!
Führt ihn zu dem Leichnam.
DON CESAR tritt mit Entsetzen zurück, das Gesicht verhüllend.
ERSTER CHOR.
Brechet auf, ihr Wunden!
Fließet, fließet!
In schwarzen Güssen
Strömet hervor, ihr Bäche des Bluts!
ISABELLA.
Du schauderst und erstarrst! – Ja, das ist alles,
Was dir noch übrig ist von deinem Bruder!
Da liegen meine Hoffnungen – Sie stirbt
Im Keim, die junge Blume eures Friedens,
Und keine schöne Früchte sollt ich schauen.
DON CESAR.
Tröste dich, Mutter. Redlich wollten wir
Den Frieden, aber Blut beschloß der Himmel.
ISABELLA.
O ich weiß, du liebtest ihn, ich sah entzückt
Die schönen Bande zwischen euch sich flechten!
An deinem Herzen wolltest du ihn tragen,
Ihm reich ersetzen die verlornen Jahre.
Der blutge Mord kam deiner schönen Liebe
Zuvor – jetzt kannst du nichts mehr als ihn rächen.
DON CESAR.
Komm, Mutter, komm! hier ist kein Ort für dich,
Entreiß dich diesem unglückselgen Anblick!
Er will sie fortziehen.
ISABELLA fällt ihm um den Hals.
Du lebst mir noch! Du jetzt mein Einziger!
BEATRICE.
Weh, Mutter! Was beginnst du?
DON CESAR.
Weine dich aus
An diesem treuen Busen. Unverloren
Ist dir der Sohn, denn seine Liebe lebt
Unsterblich fort in deines Cesars Brust.
ERSTER CHOR.
Brechet auf, ihr Wunden!
Redet, ihr stummen!
In schwarzen Fluren
Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts.
ISABELLA beider Hände fassend.
O meine Kinder!
DON CESAR.
Wie entzückt es mich,
In deinen Armen sie zu sehen, Mutter!
Ja, laß sie deine Tochter sein! Die Schwester –
ISABELLA unterbricht ihn.
Dir dank ich die Gerettete, mein Sohn!
Du hieltest Wort, du hast sie mir gesendet.
DON CESAR erstaunt.
Wen, Mutter, sagst du, hab ich dir gesendet?
ISABELLA.
Sie mein ich, die du vor dir siehst, die Schwester.
DON CESAR.
Sie meine Schwester!
ISABELLA.
Welche andre sonst?
DON CESAR.
Meine Schwester?
ISABELLA.
Die du selber mir gesendet.
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