Wo fandst du sie? Wie kam das teure Kind
In diesen kläglich jammervollen Zustand?
CHOR.
Erfahr es nicht von mir, mein Mund ist stumm.
Dein Sohn Don Cesar wird dir alles deutlich
Verkündigen, denn er ists, der sie sendet.
ISABELLA.
Mein Sohn Don Manuel, so willst du sagen?
CHOR.
Dein Sohn Don Cesar sendet sie dir zu.
ISABELLA zu dem Boten.
Wars nicht Don Manuel, den der Seher nannte?
BOTE.
So ist es, Herrin, das war seine Rede.
ISABELLA.
Welcher es sei, er hat mein Herz erfreut,
Die Tochter dank ich ihm, er sei gesegnet!
O muß ein neidscher Dämon mir die Wonne
Des heiß erflehten Augenblicks verbittern!
Ankämpfen muß ich gegen mein Entzücken!
Die Tochter seh ich in des Vaters Haus,
Sie aber sieht nicht mich, vernimmt mich nicht,
Sie kann der Mutter Freude nicht erwidern.
O öffnet euch, ihr lieben Augenlichter!
Erwärmet euch, ihr Hände! Hebe dich,
Lebloser Busen, und schlage der Lust!
Diego! Das ist meine Tochter – Das
Die lang Verborgne, die Gerettete,
Vor aller Welt kann ich sie jetzt erkennen!
CHOR.
Ein seltsam neues Schrecknis glaub ich ahndend
Vor mir zu sehn, und stehe wundernd, wie
Das Irrsal sich entwirren soll und lösen.
ISABELLA zum Chor, der Bestürzung und Verlegenheit ausdrückt.
O ihr seid undurchdringlich harte Herzen,
Vom ehrnen Harnisch eurer Brust, gleichwie
Von einem schroffen Meeresfelsen, schlägt
Die Freude meines Herzens mir zurück!
Umsonst in diesem ganzen Kreis umher
Späh ich nach einem Auge, das empfindet.
Wo weilen meine Söhne, daß ich Anteil
In einem Auge lese, denn mir ist,
Als ob der Wüste unmitleidge Scharen,
Des Meeres Ungeheuer mich umständen.
DIEGO.
Sie schlägt die Augen auf! Sie regt sich, lebt!
ISABELLA.
Sie lebt! Ihr erster Blick sei auf die Mutter!
DIEGO.
Das Auge schließt sie schaudernd wieder zu.
ISABELLA zum Chor.
Weiche zurück! Sie schreckt der fremde Anblick
CHOR tritt zurück.
Gern meid ichs, ihrem Blicke zu begegnen.
DIEGO.
Mit großen Augen mißt sie staunend dich.
BEATRICE.
Wo bin ich? Diese Züge sollt ich kennen.
ISABELLA.
Langsam kehrt die Besinnung ihr zurück.
DIEGO.
Was macht sie? Auf die Kniee senkt sie sich.
BEATRICE.
O schönes Engelsantlitz meiner Mutter!
ISABELLA.
Kind meines Herzens! Komm in meine Arme!
BEATRICE.
Zu deinen Füßen sieh die Schuldige.
ISABELLA.
Ich habe dich wieder! Alles sei vergessen!
DIEGO.
Betracht auch mich! Erkennst du meine Züge?
BEATRICE.
Des redlichen Diego greises Haupt!
ISABELLA.
Der treue Wächter deiner Kinderjahre.
BEATRICE.
So bin ich wieder in dem Schoß der Meinen?
ISABELLA.
Und nichts soll uns mehr scheiden als der Tod.
BEATRICE.
Du willst mich nicht mehr in die Fremde stoßen?
ISABELLA.
Nichts trennt uns mehr, das Schicksal ist befriedigt.
BEATRICE sinkt an ihre Brust.
Und find ich wirklich mich an deinem Herzen?
Und alles war ein Traum, was ich erlebte?
Ein schwerer, fürchterlicher Traum – O Mutter!
Ich sah ihn tot zu meinen Füßen fallen!
– Wie komm ich aber hieher? Ich besinne
Mich nicht – Ach, wohl mir, wohl, daß ich gerettet
In deinen Armen bin! Sie wollten mich
Zur Fürstin Mutter von Messina bringen.
Eher ins Grab!
ISABELLA.
Komm zu dir, meine Tochter!
Messinas Fürstin –
BEATRICE.
Nenne sie nicht mehr.
Mir gießt sich bei dem unglückselgen Namen
Ein Frost des Todes durch die Glieder.
ISABELLA.
Höre mich.
BEATRICE.
Sie hat zwei Söhne, die sich tödlich hassen,
Don Manuel, Don Cesar nennt man sie.
ISABELLA.
Ich bins ja selbst! Erkenne deine Mutter.
BEATRICE.
Was sagst du? Welches Wort hast du geredet?
ISABELLA.
Ich, deine Mutter, bin Messinas Fürstin.
BEATRICE.
Du bist Don Manuels Mutter und Don Cesars?
ISABELLA.
Und deine Mutter! Deine Brüder nennst du!
BEATRICE.
Weh, weh mir! O entsetzensvolles Licht!
ISABELLA.
Was ist dir? Was erschüttert dich so seltsam?
BEATRICE wild um sich her schauend, erblickt den Chor.
Das sind sie, ja! Jetzt, jetzt erkenn ich sie.
Mich hat kein Traum getäuscht – Die sinds! Die waren
Zugegen – Es ist fürchterliche Wahrheit!
Unglückliche, wo habt ihr ihn verborgen?
Sie geht mit heftigem Schritt auf den Chor zu, der sich von ihr abwendet. Ein Trauermarsch läßt sich in der Ferne hören.
CHOR.
Weh! Wehe!
ISABELLA.
Wen verborgen? Was ist wahr?
Ihr schweigt bestürzt – ihr scheint sie zu verstehn.
Ich les in euren Augen, eurer Stimme
Gebrochnen Tönen etwas Unglückselges,
Das mir zurückgehalten wird – Was ists?
Ich will es wissen. Warum heftet ihr
So schreckenvolle Blicke nach der Türe?
Und was für Töne hör ich da erschallen?
CHOR.
Es naht sich! Es wird sich mit Schrecken erklären.
Sei stark, Gebieterin, stähle dein Herz.
Mit Fassung ertrage, was dich erwartet,
Mit männlicher Seele den tödlichen Schmerz!
ISABELLA.
Was naht sich? Was erwartet mich? – Ich höre
Der Totenklage fürchterlichen Ton
Das Haus durchdringen – Wo sind meine Söhne?
Der erste Halbchor bringt den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre getragen, die er auf der leergelassenen Seite der Szene niedersetzt. Ein schwarzes Tuch ist darübergebreitet.
Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre.
ERSTER CHOR.
Durch die Straßen der Städte,
Vom Jammer gefolget,
Schreitet das Unglück –
Laurend umschleicht es
Die Häuser der Menschen,
Heute an dieser
Pforte pocht es,
Morgen an jener,
Aber noch keinen hat es verschont.
Die unerwünschte
Schmerzliche Botschaft
Früher oder später
Bestellt es an jeder
Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.
Wenn die Blätter fallen
In des Jahres Kreise,
Wenn zum Grabe wallen
Entnervte Greise,
Da gehorcht die Natur
Ruhig nur
Ihrem alten Gesetze,
Ihrem ewigen Brauch,
Da ist nichts, was den Menschen entsetze!
Aber das Ungeheure auch
Lerne erwarten im irdischen Leben!
Mit gewaltsamer Hand
Löset der Mord auch das heiligste Band,
In sein stygisches Boot
Raffet der Tod
Auch der Jugend blühendes Leben!
Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen,
Wenn dumpftosend der Donner hallt,
Da, da fühlen sich alle Herzen
In des furchtbaren Schicksals Gewalt.
Aber auch aus entwölkter Höhe
Kann der zündende Donner schlagen,
Darum in deinen fröhlichen Tagen
Fürchte des Unglücks tückische Nähe.
Nicht an die Güter hänge dein Herz,
Die das Leben vergänglich zieren,
Wer besitzt, der lerne verlieren,
Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.
ISABELLA.
Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch?
Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig zaudernd stehen.
Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd
Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück.
Zu Beatricen, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen.
Laß mich! Was es auch sei, ich wills enthüllen!
Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam.
O himmlische Mächte, es ist mein Sohn!
Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen – Beatrice sinkt mit einem Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder.
CHOR.
Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn!
Читать дальше