Wie kams, daß man das unglückselige Gerüst
Nicht nach vollbrachtem Dienste alsobald zerbrach?
CHOR.
Die Not der Zeiten und der jammervolle Zwist,
Der gleich nachher, Messina feindlich teilend, sich
Entflammt, zog unsre Augen von den Toten ab,
Und öde blieb, verschlossen, dieses Heiligtum.
DON CESAR.
Ans Werk denn eilet ungesäumt! Noch diese Nacht
Vollende sich das mitternächtliche Geschäft!
Die nächste Sonne finde von Verbrechen rein
Das Haus, und leuchte einem fröhlichern Geschlecht.
Der zweite Chor entfernt sich mit Don Manuels Leichnam.
ERSTER CHOR.
Soll ich der Mönche fromme Brüderschaft hieher
Berufen, daß sie nach der Kirche altem Brauch
Das Seelenamt verwalte und mit heilgem Lied
Zur ewgen Ruh einsegne den Begrabenen?
DON CESAR.
Ihr frommes Lied mag fort und fort an unserm Grab
Auf ewge Zeiten schallen bei der Kerze Schein,
Doch heute nicht bedarf es ihres reinen Amts,
Der blutge Mord verscheucht das Heilige.
CHOR.
Beschließe nichts gewaltsam Blutiges, o Herr,
Wider dich selber wütend mit Verzweiflungstat:
Denn auf der Welt lebt niemand, der dich strafen kann,
Und fromme Büßung kauft den Zorn des Himmels ab.
DON CESAR.
Nicht auf der Welt lebt, wer mich richtend strafen kann,
Drum muß ich selber an mir selber es vollziehn.
Bußfertge Sühne, weiß ich, nimmt der Himmel an,
Doch nur mit Blute büßt sich ab der blutge Mord.
CHOR.
Des Jammers Fluten, die auf dieses Haus gestürmt,
Ziemt dir zu brechen, nicht zu häufen Leid auf Leid.
DON CESAR.
Den alten Fluch des Hauses lös ich sterbend auf,
Der freie Tod nur bricht die Kette des Geschicks.
CHOR.
Zum Herrn bist du dich schuldig dem verwaisten Land,
Weil du des andern Herrscherhauptes uns beraubt.
DON CESAR.
Zuerst den Todesgöttern zahl ich meine Schuld,
Ein andrer Gott mag sorgen für die Lebenden.
CHOR.
Soweit die Sonne leuchtet, ist die Hoffnung auch,
Nur von dem Tod gewinnt sich nichts! Bedenk es wohl.
DON CESAR.
Du selbst bedenke schweigend deine Dienerpflicht,
Mich laß dem Geist gehorchen, der mich furchtbar treibt,
Denn in das Innre kann kein Glücklicher mir schaun.
Und ehrst du fürchtend auch den Herrscher nicht in mir,
Den Verbrecher fürchte, den der Flüche schwerster drückt,
Das Haupt verehre des Unglücklichen,
Das auch den Göttern heilig ist – Wer das erfuhr,
Was ich erleide und im Busen fühle,
Gibt keinem Irdischen mehr Rechenschaft.
Donna Isabella. Don Cesar. Der Chor.
ISABELLA kommt mit zögernden Schritten und wirft unschlüssige Blicke auf Don Cesar. Endlich tritt sie ihm näher und spricht mit gefaßtem Ton.
Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen,
So hatt ich mirs in meinem Schmerz gelobt,
Doch in die Luft verwehen die Entschlüsse,
Die eine Mutter, unnatürlich wütend,
Wider des Herzens Stimme faßt – Mein Sohn!
Mich treibt ein unglückseliges Gerücht
Aus meines Schmerzens öden Wohnungen
Hervor – Soll ich ihm glauben? Ist es wahr,
Daß mir ein Tag zwei Söhne rauben soll?
CHOR.
Entschlossen siehst du ihn, festen Muts,
Hinabzugehen mit freiem Schritte
Zu des Todes traurigen Toren.
Erprobe du jetzt die Kraft des Bluts,
Die Gewalt der rührenden Mutterbitte
Meine Worte hab ich umsonst verloren.
ISABELLA.
Ich rufe die Verwünschungen zurück,
Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung
Auf dein geliebtes Haupt herunterrief
Eine Mutter kann des eignen Busens Kind,
Das sie mit Schmerz geboren, nicht verfluchen.
Nicht hört der Himmel solche sündige
Gebete, schwer von Tränen fallen sie
Zurück von seinem leuchtenden Gewölbe.
– Lebe, mein Sohn! Ich will den Mörder lieber sehn
Des einen Kindes, als um beide weinen.
DON CESAR.
Nicht wohl bedenkst du, Mutter, was du wünschest
Dir selbst und mir – Mein Platz kann nicht mehr sein
Bei den Lebendigen – Ja, könntest du
Des Mörders gottverhaßten Anblick auch
Ertragen, Mutter, ich ertrüge nicht
Den stummen Vorwurf deines ewgen Grams.
ISABELLA.
Kein Vorwurf soll dich kränken, keine laute
Noch stumme Klage in das Herz dir schneiden.
In milder Wehmut wird der Schmerz sich lösen,
Gemeinsam trauernd wollen wir das Unglück
Beweinen und bedecken das Verbrechen.
DON CESAR faßt ihre Hand, mit sanfter Stimme.
Das wirst du, Mutter. Also wirds geschehn.
In milder Wehmut wird dein Schmerz sich lösen –
Dann, Mutter, wenn ein Totenmal den Mörder
Zugleich mit dem Gemordeten umschließt,
Ein Stein sich wölbet über beider Staube,
Dann wird der Fluch entwaffnet sein – Dann wirst
Du deine Söhne nicht mehr unterscheiden,
Die Tränen, die dein schönes Auge weint,
Sie werden einem wie dem andern gelten,
Ein mächtiger Vermittler ist der Tod.
Da löschen alle Zornesflammen aus,
Der Haß versöhnt sich, und das schöne Mitleid
Neigt sich ein weinend Schwesterbild mit sanft
Anschmiegender Umarmung auf die Urne.
Drum, Mutter, wehre du mir nicht, daß ich
Hinuntersteige und den Fluch versöhne.
ISABELLA.
Reich ist die Christenheit an Gnadenbildern,
Zu denen wallend ein gequältes Herz
Kann Ruhe finden. Manche schwere Bürde
Ward abgeworfen in Loretos Haus,
Und segensvolle Himmelskraft umweht
Das heilge Grab, das alle Welt entsündigt.
Vielkräftig auch ist das Gebet der Frommen,
Sie haben reichen Vorrat an Verdienst,
Und auf der Stelle, wo ein Mord geschah,
Kann sich ein Tempel reinigend erheben.
DON CESAR.
Wohl läßt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn,
Doch nie wird das verletzte mehr gesunden.
Lebe, wers kann, ein Leben der Zerknirschung,
Mit strengen Bußkasteinugen allmählich
Abschöpfend eine ewge Schuld – Ich kann
Nicht leben, Mutter, mit gebrochnem Herzen.
Aufblicken muß ich freudig zu den Frohen,
Und in den Äther greifen über mir,
Mit freiem Geist – Der Neid vergiftete mein Leben,
Da wir noch deine Liebe gleich geteilt.
Denkst du, daß ich den Vorzug werde tragen,
Den ihm dein Schmerz gegeben über mich?
Der Tod hat eine reinigende Kraft,
In seinem unvergänglichen Palaste
Zu echter Tugend reinem Diamant
Das Sterbliche zu läutern und die Flecken
Der mangelhaften Menschheit zu verzehren.
Weit wie die Sterne abstehn von der Erde,
Wird er erhaben stehen über mir,
Und hat der alte Neid uns in dem Leben
Getrennt, da wir noch gleiche Brüder waren,
So wird er rastlos mir das Herz zernagen,
Nun er das Ewige mir abgewann,
Und jenseits alles Wettstreits wie ein Gott
In der Erinnerung der Menschen wandelt.
ISABELLA.
O hab ich euch nur darum nach Messina
Gerufen, um euch beide zu begraben!
Euch zu versöhnen, rief ich euch hieher
Und ein verderblich Schicksal kehret all
Mein Hoffen in sein Gegenteil mir um!
DON CESAR.
Schilt nicht den Ausgang, Mutter! Es erfüllt
Sich alles, was versprochen ward. Wir zogen ein
Mit Friedenshoffnungen in diese Tore,
Und friedlich werden wir zusammen ruhn,
Versöhnt auf ewig in dem Haus des Todes.
ISABELLA.
Lebe, mein Sohn! Laß deine Mutter nicht
Freundlos im Land der Fremdlinge zurück,
Rohherziger Verhöhnung preisgegeben,
Weil sie der Söhne Kraft nicht mehr beschützt.
DON CESAR.
Wenn alle Welt dich herzlos kalt verhöhnt,
So flüchte du dich hin zu unserm Grabe,
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