Den Helm aufnötigend, den ich nicht wollte.
Ich sah den Helm, daß er so blank und schön
Und würdig eines ritterlichen Haupts,
Und da ich zweifelnd in der Hand ihn wog,
Des Abenteuers Seltsamkeit bedenkend,
Da war das Weib mir aus den Augen schnell,
Hinweggerissen hatte sie der Strom
Des Volkes, und der Helm blieb mir in Händen.
JOHANNA rasch und Begierig darnach, greifend.
Gebt mir den Helm!
BERTRAND.
Was frommt Euch dies Geräte?
Das ist kein Schmuck für ein jungfräulich Haupt.
JOHANNA entreißt ihm den Helm.
Mein ist der Helm und mir gehört er zu.
THIBAUT.
Was fällt dem Mädchen ein?
RAIMOND.
Laßt ihr den Willen!
Wohl ziemt ihr dieser kriegerische Schmuck,
Denn ihre Brust verschließt ein männlich Herz.
Denkt nach, wie sie den Tigerwolf bezwang,
Das grimmig wilde Tier, das unsre Herden
Verwüstete, den Schrecken aller Hirten.
Sie ganz allein, die löwenherzge Jungfrau,
Stritt mit dem Wolf und rang das Lamm ihm ab,
Das er im blutgen Rachen schon davontrug.
Welch tapfres Haupt auch dieser Helm bedeckt,
Er kann kein würdigeres zieren!
THIBAUT zu Bertrand.
Sprecht!
Welch neues Kriegesunglück ist geschehn?
Was brachten jene Flüchtigen?
BERTRAND.
Gott helfe
Dem König und erbarme sich des Landes!
Geschlagen sind wir in zwei großen Schlachten,
Mitten in Frankreich steht der Feind, verloren
Sind alle Länder bis an die Loire –
Jetzt hat er seine ganze Macht zusammen
Geführt, womit er Orleans belagert.
THIBAUT.
Gott schütze den König!
BERTRAND.
Unermeßliches
Geschütz ist aufgebracht von allen Enden,
Und wie der Bienen dunkelnde Geschwader
Den Korb umschwärmen in des Sommers Tagen,
Wie aus geschwärzter Luft die Heuschreckwolke
Herunterfällt und meilenlang die Felder
Bedeckt in unabsehbarem Gewimmel,
So goß sich eine Kriegeswolke aus
Von Völkern über Orleans' Gefilde,
Und von der Sprachen unverständlichem
Gemisch verworren dumpf erbraust das Lager.
Denn auch der mächtige Burgund, der Länder
Gewaltige hat seine Mannen alle
Herbeigeführt, die Lütticher, Luxemburger,
Die Hennegauer, die vom Lande Namur,
Und die das glückliche Brabant bewohnen,
Die üppgen Genter, die in Samt und Seide
Stolzieren, die von Seeland, deren Städte
Sich reinlich aus dem Meereswasser heben,
Die herdenmelkenden Holländer, die
Von Utrecht, ja vom äußersten Westfriesland,
Die nach dem Eispol schaun – Sie folgen alle
Dem Heerbann des gewaltig herrschenden
Burgund und wollen Orleans bezwingen.
THIBAUT.
O des unselig jammervollen Zwists,
Der Frankreichs Waffen wider Frankreich wendet!
BERTRAND.
Auch sie, die alte Königin, sieht man,
Die stolze Isabeau, die Bayerfürstin,
In Stahl gekleidet durch das Lager reiten,
Mit giftgen Stachelworten alle Völker
Zur Wut aufregen wider ihren Sohn,
Den sie in ihrem Mutterschoß getragen!
THIBAUT.
Fluch treffe sie! Und möge Gott sie einst
Wie jene stolze Jesabel verderben!
BERTRAND.
Der fürchterliche Salisbury, der Mauren-
Zertrümmerer, führt die Belagrung an,
Mit ihm des Löwen Bruder Lionel,
Und Talbot, der mit mörderischem Schwert
Die Völker niedermähet in den Schlachten.
In frechem Mute haben sie geschworen,
Der Schmach zu weihen alle Jungfrauen,
Und was das Schwert geführt, dem Schwert zu opfern.
Vier hohe Warten haben sie erbaut,
Die Stadt zu überragen; oben späht
Graf Salisbury mit mordbegiergem Blick,
Und zählt den schnellen Wandrer auf den Gassen.
Viel tausend Kugeln schon von Zentners Last
Sind in die Stadt geschleudert, Kirchen liegen
Zertrümmert, und der königliche Turm
Von Notre Dame beugt sein erhabnes Haupt.
Auch Pulvergänge haben sie gegraben
Und über einem Höllenreiche steht
Die bange Stadt, gewärtig jede Stunde,
Daß es mit Donners Krachen sich entzünde.
Johanna horcht mit gespannter Aufmerksamkeit und setzt sich den Helm auf.
THIBAUT.
Wo aber waren denn die tapfern Degen
Saintrailles, La Hire und Frankreichs Brustwehr,
Der heldenmütge Bastard, daß der Feind
So allgewaltig reißend vorwärts drang?
Wo ist der König selbst, und sieht er müßig
Des Reiches Not und seiner Städte Fall?
BERTRAND.
Zu Chinon hält der König seinen Hof,
Es fehlt an Volk, er kann das Feld nicht halten.
Was nützt der Führer Mut, der Helden Arm,
Wenn bleiche Furcht die Heere lähmt?
Ein Schrecken, wie von Gott herabgesandt,
Hat auch die Brust der Tapfersten ergriffen.
Umsonst erschallt der Fürsten Aufgebot.
Wie sich die Schafe bang zusammendrängen,
Wenn sich des Wolfes Heulen hören läßt,
So sucht der Franke, seines alten Ruhms
Vergessend, nur die Sicherheit der Burgen.
Ein einzger Ritter nur, hört ich erzählen,
Hab eine schwache Mannschaft aufgebracht,
Und zieh dem König zu mit sechzehn Fahnen.
JOHANNA schnell.
Wie heißt der Ritter?
BERTRAND.
Baudricour. Doch schwerlich
Möcht er des Feindes Kundschaft hintergehn,
Der mit zwei Heeren seinen Fersen folgt.
JOHANNA.
Wo hält der Ritter? Sagt mirs, wenn Ihrs wisset.
BERTRAND.
Er steht kaum eine Tagereise weit
Von Vaucouleurs.
THIBAUT zu Johanna.
Was kümmerts dich! Du fragst
Nach Dingen, Mädchen, die dir nicht geziemen.
BERTRAND.
Weil nun der Feind so mächtig und kein Schutz
Vom König mehr zu hoffen, haben sie
Zu Vaucouleurs einmütig den Beschluß
Gefaßt, sich dem Burgund zu übergeben.
So tragen wir nicht fremdes Joch und bleiben
Beim alten Königsstamme – ja vielleicht
Zur alten Krone fallen wir zurück,
Wenn einst Burgund und Frankreich sich versöhnen.
JOHANNA in Begeisterung.
Nichts von Verträgen! Nichts von Übergabe!
Der Retter naht, er rüstet sich zum Kampf.
Vor Orleans soll das Glück des Feindes scheitern,
Sein Maß ist voll, er ist zur Ernte reif.
Mit ihrer Sichel wird die Jungfrau kommen,
Und seines Stolzes Saaten niedermähn,
Herab vom Himmel reißt sie seinen Ruhm,
Den er hoch an den Sternen aufgehangen.
Verzagt nicht! Fliehet nicht! Denn eh der Rocken
Gelb wird, eh sich die Mondesscheibe füllt,
Wird kein engländisch Roß mehr aus den Wellen
Der prächtig strömenden Loire trinken.
BERTRAND.
Ach! Es geschehen keine Wunder mehr!
JOHANNA.
Es geschehn noch Wunder – Ein weiße Taube
Wird fliegen und mit Adlerskühnheit diese Geier
Anfallen, die das Vaterland zerreißen.
Darniederkämpfen wird sie diesen stolzen
Burgund, den Reichsverräter, diesen Talbot,
Den himmelstürmend hunderthändigen,
Und diesen Salisbury, den Tempelschänder,
Und diese frechen Inselwohner alle
Wie eine Herde Lämmer vor sich jagen.
Der Herr wird mit ihr sein, der Schlachten Gott.
Sein zitterndes Geschöpf wird er erwählen,
Durch eine zarte Jungfrau wird er sich
Verherrlichen, denn er ist der Allmächtge!
THIBAUT.
Was für ein Geist ergreift die Dirn?
RAIMOND.
Es ist
Der Helm, der sie so kriegerisch beseelt.
Seht Eure Tochter an. Ihr Auge blitzt,
Und glühend Feuer sprühen ihre Wangen!
JOHANNA.
Dies Reich soll fallen? Dieses Land des Ruhms,
Das schönste, das die ewge Sonne sieht
In ihrem Lauf, das Paradies der Länder,
Das Gott liebt, wie den Apfel seines Auges,
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