Und rufe deiner Söhne Gottheit an,
Denn Götter sind wir dann, wir hören dich,
Und wie des Himmels Zwillinge dem Schiffer
Ein leuchtend Sternbild, wollen wir mit Trost
Dir nahe sein und deine Seele stärken.
ISABELLA.
Lebe, mein Sohn! Für deine Mutter lebe!
Ich kanns nicht tragen, alles zu verlieren!
Sie schlingt ihre Arme mit leidenschaftlicher Heftigkeit um ihn, er macht sich sanft von ihr los und reicht ihr die Hand mit abgewandtem Gesicht.
DON CESAR.
Leb wohl!
ISABELLA.
Ach, wohl erfahr ichs schmerzlich fühlend nun,
Daß nichts die Mutter über dich vermag!
Gibts keine andre Stimme, welche dir
Zum Herzen mächtger als die meine dringt?
Sie geht nach dem Eingang der Szene.
Komm, meine Tochter! Wenn der tote Bruder
Ihn so gewaltig nachzieht in die Gruft,
So mag vielleicht die Schwester, die geliebte,
Mit schöner Lebenshoffnung Zauberschein
Zurück ihn locken in das Licht der Sonne.
Beatrice erscheint am Eingange der Szene. Donna Isabella. Don Cesar und der Chor.
DON CESAR bei ihrem Anblick heftig bewegt sich verhüllend.
O Mutter! Mutter! Was ersannest du?
ISABELLA führt sie vorwärts.
Die Mutter hat umsonst zu ihm gefleht,
Beschwöre du, erfleh ihn, daß er lebe.
DON CESAR.
Arglistge Mutter! Also prüfst du mich!
In neuen Kampf willst du zurück mich stürzen?
Das Licht der Sonne mir noch teuer machen
Auf meinem Wege zu der ewgen Nacht?
– Da steht der holde Lebensengel mächtig
Vor mir und tausend Blumen schüttet er
Und tausend goldne Früchte lebenduftend
Aus reichem Füllhorn strömend vor mir aus,
Das Herz geht auf im warmen Strahl der Sonne,
Und neu erwacht in der erstorbnen Brust
Die Hoffnung wieder und die Lebenslust.
ISABELLA.
Fleh ihn, dich oder niemand wird er hören,
Daß er den Stab nicht raube dir und mir.
BEATRICE.
Ein Opfer fodert der geliebte Tote,
Es soll ihm werden, Mutter – Aber mich
Laß dieses Opfer sein! Dem Tode war ich
Geweiht, eh ich das Leben sah. Mich fodert
Der Fluch, der dieses Haus verfolgt, und Raub
Am Himmel ist das Leben, das ich lebe.
Ich bins, die ihn gemordet, eures Streits
Entschlafne Furien gewecket – Mir
Gebührt es, seine Manen zu versöhnen!
CHOR.
O jammervolle Mutter! Hin zum Tod
Drängen sich eifernd alle deine Kinder,
Und lassen dich allein, verlassen, stehen
Im freudlos öden, liebeleeren Leben.
BEATRICE.
Du, Bruder, rette dein geliebtes Haupt,
Für deine Mutter lebe! Sie bedarf
Des Sohns, erst heute fand sie eine Tochter,
Und leicht entbehrt sie, was sie nie besaß.
DON CESAR mit tief verwundeter Seele.
Wir mögen leben, Mutter, oder sterben,
Wenn sie nur dem Geliebten sich vereinigt!
BEATRICE.
Beneidest du des Bruders toten Staub?
DON CESAR.
Er lebt in deinem Schmerz ein selig Leben,
Ich werde ewig tot sein bei den Toten.
BEATRICE.
O Bruder!
DON CESAR mit dem Ausdruck der heftigsten Leidenschaft.
Schwester, weinest du um mich?
BEATRICE.
Lebe für unsre Mutter!
DON CESAR läßt ihre Hand los, zurücktretend.
Für die Mutter?
BEATRICE neigt sich an seine Brust.
Lebe für sie und tröste deine Schwester.
CHOR.
Sie hat gesiegt! Dem rührenden Flehen
Der Schwester konnt er nicht widerstehen.
Trostlose Mutter! Gib Raum der Hoffnung,
Er erwählt das Leben, dir bleibt dein Sohn!
In diesem Augenblick läßt sich ein Chorgesang hören, die Flügeltüre wird geöffnet, man sieht in der Kirche den Katafalk aufgerichtet und den Sarg von Kandelabern umgeben.
DON CESAR gegen den Sarg gewendet.
Nein, Bruder! Nicht dein Opfer will ich dir
Entziehen – deine Stimme aus dem Sarg
Ruft mächtger dringend als der Mutter Tränen
Und mächtger als der Liebe Flehn – Ich halte
In meinen Armen, was das irdsche Leben
Zu einem Los der Götter machen kann –
Doch ich, der Mörder, sollte glücklich sein,
Und deine heilge Unschuld ungerächet
Im tiefen Grabe liegen – das verhüte
Der allgerechte Lenker unsrer Tage,
Daß solche Teilung sei in seiner Welt –
– Die Tränen sah ich, die auch mir geflossen,
Befriedigt ist mein Herz, ich folge dir.
Er durchsticht sich mit einem Dolch und gleitet sterbend an seiner Schwester nieder, die sich der Mutter in die Arme wirft.
CHOR nach einem tiefen Schweigen.
Erschüttert steh ich, weiß nicht, ob ich ihn
Bejammern oder preisen soll sein Los.
Dies eine fühl ich und erkenn es klar,
Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
Der Übel größtes aber ist die Schuld.
Die Jungfrau von Orleans
Karl der Siebente, König von Frankreich.
Königin Isabeau, seine Mutter.
Agnes Sorel, seine Geliebte.
Philipp der Gute, Herzog von Burgund.
Graf Dunois, Bastard von Orleans.
La Hire,
Du Chatel, königliche Offiziere.
Erzbischof von Reims.
Chatillon, ein burgundischer Ritter.
Raoul, ein lothringischer Ritter.
Talbot, Feldherr der Engelländer.
Lionel,
Fastolf, englische Anführer.
Montgomery, ein Walliser.
Ratsherren von Orleans.
Ein englischer Herold.
Thibaut d'Arc, ein reicher Landmann.
Margot,
Louison,
Johanna, seine Töchter.
Etienne,
Claude Marie,
Raimond, ihre Freier.
Bertrand, ein anderer Landmann.
Die Erscheinung eines schwarzen Ritters.
Köhler und Köhlerweib.
Soldaten und Volk, königliche Kronbediente, Bischöfe, Mönche, Marschälle, Magistratspersonen, Hofleute und andere stumme Personen im Gefolge des Krönungszuges.
Eine ländliche Gegend. Vorn zur Rechten ein Heiligenbild in einer Kapelle; zur Linken eine hohe Eiche.
Thibaut d'Arc. Seine drei Töchter. Drei junge Schäfer, ihre Freier.
THIBAUT.
Ja, liebe Nachbarn! Heute sind wir noch
Franzosen, freie Bürger noch und Herren
Des alten Bodens, den die Väter pflügten;
Wer weiß, wer morgen über uns befiehlt!
Denn aller Orten läßt der Engelländer
Sein sieghaft Banner fliegen, seine Rosse
Zerstampfen Frankreichs blühende Gefilde.
Paris hat ihn als Sieger schon empfangen,
Und mit der alten Krone Dagoberts
Schmückt es den Sprößling eines fremden Stamms.
Der Enkel unsrer Könige muß irren
Enterbt und flüchtig durch sein eignes Reich,
Und wider ihn im Heer der Feinde kämpft
Sein nächster Vetter und sein erster Pair,
Ja seine Rabenmutter führt es an.
Rings brennen Dörfer, Städte. Näher stets
Und näher wälzt sich der Verheerung Rauch
An diese Täler, die noch friedlich ruhn.
– Drum, liebe Nachbarn, hab ich mich mit Gott
Entschlossen, weil ichs heute noch vermag,
Die Töchter zu versorgen; denn das Weib
Bedarf in Kriegesnöten des Beschützers,
Und treue Lieb hilft alle Lasten heben.
Zu dem ersten Schäfer.
– Kommt, Etienne! Ihr werbt um meine Margot.
Die Äcker grenzen nachbarlich zusammen,
Die Herzen stimmen überein – das stiftet
Ein gutes Ehband!
Zu dem zweiten.
Claude Marie! Ihr schweigt,
Und meine Louison schlägt die Augen nieder?
Werd ich zwei Herzen trennen, die sich fanden,
Weil Ihr nicht Schätze mir zu bieten habt?
Wer hat jetzt Schätze? Haus und Scheune sind
Des nächsten Feindes oder Feuers Raub –
Die treue Brust des braven Manns allein
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